Warum sind Menschen mit Behinderung lohntechnisch schlechter dran?

7 Antworten

Eine Behinderung führt keineswegs automatisch zu einem geringeren Gehalt! Die Frage ist eben, ob und in welchem Umfang die Behinderung dennoch eine berufliche Tätigkeit, insbesondere auf dem sogenannten ersten Arbeitsmarkt, ermöglicht oder eben nicht. Viele Menschen mit Behinderungen gehen ganz regulär einem ganz normalen Job nach und verdienen dort auch nicht weniger als andere Menschen ohne Behinderung.

Ein wirklicher Unterschied findet sich erst dort, wo es um Werkstätten für Menschen mit Behinderung geht. Dort ist der Verdienst tatsächlich erheblich geringer als in regulären Beschäftigungsverhältnissen. Aber es sind eben auch keine regulären Beschäftigungsverhältnisse!

In so einer Werkstatt gibt es eine individuelle Betreuung der Personen durch Fachkräfte, die das hauptberuflich machen, also ebenfalls bezahlt werden wollen. Zudem herrscht dort natürlich nicht der gleiche Leistungsanspruch wie in einem klassisch gewinnorientiert arbeitenden Unternehmen. Rein betriebswirtschaftlich gedacht bedeutet das also weniger Output bei höheren Kosten = kaum bis kein Gewinn.

Dass die gute Idee hinter diesen Werkstätten - Teilnahme, Erfahrungen von Selbstwirksamkeit, Wertschätzung, Anerkennung, eine Struktur im Alltag, soziale Kontakte etc. - leider in der Praxis durchaus immer wieder und leider auch immer stärker in Richtung pure Ausbeutung kippt, ist allerdings wirklich übel. Und ein Punkt, an dem man die praktische Umsetzung der guten Idee dringend prüfen und per Gesetz massiv korrigieren sollte, damit das eben keine Ausbeuterbuden sind, sondern wirklich soziale Einrichtungen mit einem sinnvollen Mehrwert für die Menschen mit Behinderung, die auf dem ersten Arbeitsmarkt geringe bis keine Chancen hätten!

Selkiade  26.06.2023, 15:49
Zudem herrscht dort natürlich nicht der gleiche Leistungsanspruch wie in einem klassisch gewinnorientiert arbeitenden Unternehmen.

Das ist schlicht falsch. Auch bei den Werkstätten liegt ein Leistungsgedanke zu Grunde, da dort häufig Arbeiten für den allgemeinen Arbeitsmarkt erledigt werden. Fehler oder zu späte Rücksendungen haben Strafzahlungen (teilweise im vierstelligen Bereich) zur Folge.

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HappyMe1984  26.06.2023, 15:52
@Selkiade

Ich schrieb ja nicht von "keinem", sondern von "nicht dem gleichen" Leistungsanspruch.

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Plaritma  09.08.2023, 15:09

Weißt du, ob man in diese Werkstätten für Menschen mit Behinderung hingehen muss, wenn man keine Chance mehr hat auf dem 1. Arbeitsmarkt? Oder ist das freiwillig bzw. wer wird da hingeschickt?

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HappyMe1984  09.08.2023, 15:10
@Plaritma

Meines Wissens ist die Teilnahme an dieser Maßnahme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt freiwillig.

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Nein.

Es kommt drauf an, welche Arbeit er tut.

Er muss sich wählen, was er voll erledigen kann.

Liegt an unserer Leisgungsgesellschaft.

LG.

Guardianangel1  09.08.2023, 20:43

Naja die Behindertenwerkstätten sind doch eine soziale Einrichtung ohne die viele gar keine Beschäftigung hätten.

Wer will und kann, dem steht es frei in den 1. Arbeitsmarkt zu wechlen.

Die Zustände in den B.W. kenne ich allerdigs nicht.

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Dem ist nicht generell so.

Bezahlt wird am ersten Arbeitsmarkt die Leistung, sonst nichts. Es wäre auch nicht gerecht wenn Mehrleistende das Selbe erhielten als weniger Leistende.

Ein Programmierer im Rollstuhl verdient dasselbe als ein nicht behinderter Kollege.

Ich hatte einst einen geistig Eingeschränkten zur Probe auf dem Bau. Vom Handwerk verstand er nichts, er brachte Wasser dahin wo es gebraucht wurde, versorgte die Kollegen mit neuen Farbeimern, entfernte Abdeckmaterial, hielt die Baustelle sauber.

Kurz er sorgte dafür das die Kollegen effektiv arbeiten konnten und nicht mit notwendigen, aber nicht geldbringenden Dingen beschäftigt waren, wir arbeiteten im Akkord.

Und da er stark, fleißig und willig war schlug ich dem Chef vor ihn prozentual am Kolonnen Akkord zu beteiligen. Er verdiente gut für einen völlig Ungelernte. Als die Großbaustelle nicht mehr waren konnten wir ihn nicht mehr beschäftigen, denn selbst Wände Rollen bekam er nicht hin.

Selkiade  27.06.2023, 10:58
Bezahlt wird am ersten Arbeitsmarkt die Leistung, sonst nichts.

Aha. Und warum bekomme ich als Frau dann weniger Gehalt für die gleiche Leistung wie meine männlichen Kollegen?

Der Gender Pay Gap, also die Lücke zwischen den Gehältern von Männern und Frauen, ist vorhanden. Das ist ein Fakt! Also wird ja wohl doch nicht nur nach Leistung bezahlt...

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14Gungnir18  27.06.2023, 11:06
@Selkiade

In der Frage geht es um Behinderte.

Fühlst Du Dich behindert weil Du eine Frau bist ?

Höchst erstaunlich ....

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Selkiade  27.06.2023, 11:10
@14Gungnir18

Du hast in deiner Antwort geschrieben, dass nur nach Leistung bezahlt wird. Ich wollte dir mit meinem Kommentar nur zeigen, dass das halt schlicht nicht stimmt und du damit eine Unwahrheit gepostet hast!

Und nein, ich fühle mich nicht behindert. Es gibt aber genügend Frauen mit Behinderung, die es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt doppelt so schwer haben, weil sie zum einen wegen ihrer Behinderung benachteiligt werden und zum anderen vom Gender Pay Gap betroffen sind...

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Matermace  09.08.2023, 15:02
@Selkiade

Weil du den Gender Pay Gap falsch verstehst. Wenn du weniger Geld für die selbe Leistung bekommst kannst du dagegen klagen, das ist nämlich total illegal.

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Selkiade  09.08.2023, 15:08
@Matermace

Aber du verstehst den Gender Pay Gap richtig? Dann gib mir doch mal die Definition davon.

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Matermace  09.08.2023, 15:17
@Selkiade

Der GPG beschreibt die Differenz in der durchschnittlichen Bezahlung von Frauen und Männern über alle Berufe und Arbeitszeitmodelle hinweg. Er hat für die Einzelperson keinerlei Aussagekraft. Gleiche Arbeit bei gleichen Stunden und gleicher Berufserfahrung muss gleich bezahlt werden. Alles andere ist verboten. Einfach nur nach Geschlecht zu vergleichen und sich dann über eine durchschnittliche Differenz zu wundern ist ungefähr so als wenn ich Uniabsolventen mit Menschen die einen Lehrberuf ausüben vergleiche. Kann man machen, hat aber halt keine Relevanz.

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Selkiade  09.08.2023, 15:37
@Matermace
Der GPG beschreibt die Differenz in der durchschnittlichen Bezahlung von Frauen und Männern über alle Berufe und Arbeitszeitmodelle hinweg.

Soweit richtig. Das ist der unbereinigte GPG.

Beim bereinigten GPG werden strukturelle, arbeitsmarktrelevante Unterschiede (Beruf, Branche, Beschäftigungs­umfang, Qualifikation, Karrierelevel, ...) rausgenommen. Dann bleiben Männer und Frauen mit ähnlichen oder sogar gleichen Qualifikationen und Tätigkeiten bestehen. Aber auch hier gibt es einen Verdienstunterschied...

Gleiche Arbeit bei gleichen Stunden und gleicher Berufserfahrung muss gleich bezahlt werden. Alles andere ist verboten.

Wird nur trotzdem gemacht und einfach hingenommen oder aber ein möglicher Unterschied fällt gar nicht erst auf, weil in der Firma nicht über das Gehalt gesprochen wird.

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Matermace  09.08.2023, 15:43
@Selkiade

"Aber auch hier gibt es einen Verdienstunterschied..."

Einen der laut Statistischem Bundesamt maximal 7% beträgt und weder Elternzeiten, noch Pflege von Angehörigen oder sonstige Gründe aus denen Frauen häufiger Lücken in ihrem beruflichen Lebenslauf und damit natürlich auch weniger Berufserfahrung haben.

"Wird nur trotzdem gemacht und einfach hingenommen oder aber ein möglicher Unterschied fällt gar nicht erst auf, weil in der Firma nicht über das Gehalt gesprochen wird."

Und wer sich für seine Gehaltsunterschiede nicht interessiert hat offensichtlich kein Problem damit. Erinnert mich daran wie vor einigen Jahren Google überprüfte ob sie ihre angestellten Fraun unterbezahlen und feststellen mussten, dass von den Unterbezahlten 69% Männer waren.

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Selkiade  09.08.2023, 16:00
@Matermace
Einen der laut Statistischem Bundesamt maximal 7% beträgt und weder Elternzeiten, noch Pflege von Angehörigen oder sonstige Gründe aus denen Frauen häufiger Lücken in ihrem beruflichen Lebenslauf und damit natürlich auch weniger Berufserfahrung haben.

Es ist traurig genug, dass die Care-Arbeit immer noch oft genug an den Frauen hängen bleibt.
Aber davon ab: Menschen, die gerade erst ihre Ausbildung beendet haben, haben auch weniger Berufserfahrung. Und dabei ist es egal, ob es sich um Frauen oder Männer handelt.
Findest du also, es ist genauso gerecht einem Menschen, der gerade aus der Ausbildung kommt weniger zu zahlen als jemand der 30 Jahre im Unternehmen ist - obwohl die gleiche Arbeit gemacht wird? Nur weil - logischerweise! - weniger Berufserfahrung vorliegt?

Und wer sich für seine Gehaltsunterschiede nicht interessiert hat offensichtlich kein Problem damit.

Oder hat Kolleg*innen, die einfach nicht übers Geld sprechen wollen. Dann kann man Gehaltsunterschiede natürlich auch nicht erkennen. Oder wie willst du einen möglichen Gehaltsunterschied erkennen, wenn du exakt ein Gehalt kennst - und das dein eigenes ist?

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Matermace  09.08.2023, 16:03
@Selkiade
Es ist traurig genug, dass die Care-Arbeit immer noch oft genug an den Frauen hängen bleibt.

Absolut korrekt. Das ist aber nunmal ein anderes Thema.

Findest du also, es ist genauso gerecht einem Menschen, der gerade aus der Ausbildung kommt weniger zu zahlen als jemand der 30 Jahre im Unternehmen ist - obwohl die gleiche Arbeit gemacht wird? Nur weil - logischerweise! - weniger Berufserfahrung vorliegt?

Selbstverständlich. Deswegen hat auch quasi jeder Tarifvertrag Stufen.

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Selkiade  09.08.2023, 16:18
@Matermace
Das ist aber nunmal ein anderes Thema.

Nein. Wenn die Care-Arbeit nicht zu einem Großteil an den Frauen hängen bleiben würde, dann würde die Berufserfahrung nicht so sehr schwanken. Denn dann hätten Männer ebenfalls weniger Berufserfahrung, weil sie sich um Kinder und pflegebedürftige Angehörige kümmern...

Und was ist der Unterschied zwischen wenig Berufserfahrung weil gerade ausgelernt und weniger (!) Berufserfahrung weil nebenbei noch Care-Arbeit gemacht wird? Warum gibt es dann überhaupt die Diskussion um Gehaltsunterschiede bei Mann und Frau? Warum gibt es solche Diskussionen nicht bei unterschiedlichem Berufsstand?

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Matermace  09.08.2023, 16:25
@Selkiade
Warum gibt es dann überhaupt die Diskussion um Gehaltsunterschiede bei Mann und Frau? Warum gibt es solche Diskussionen nicht bei unterschiedlichem Berufsstand?

Du hast meinen ursprünglichen Punkt erfasst.

Nein. Wenn die Care-Arbeit nicht zu einem Großteil an den Frauen hängen bleiben würde, dann würde die Berufserfahrung nicht so sehr schwanken. Denn dann hätten Männer ebenfalls weniger Berufserfahrung, weil sie sich um Kinder und pflegebedürftige Angehörige kümmern...

Und hast du auch Vorschläge wie man das gesetzlich ändern sollte? Das liegt an den Entscheidungen individueller Frauen und Männer und ist keine systematische Benachteiligung.

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Selkiade  09.08.2023, 16:55
@Matermace
Du hast meinen ursprünglichen Punkt erfasst.

Das war dein ursprünglicher Punkt? Absolut nicht ersichtlich! Du hast mir unterstellt, ich würde den GPG falsch verstehen... Kann ich ja nicht erraten, dass es dir um etwas ganz anderes geht...

Und hast du auch Vorschläge wie man das gesetzlich ändern sollte? Das liegt an den Entscheidungen individueller Frauen und Männer und ist keine systematische Benachteiligung.

Das Problem liegt an der Gesellschaft, der jahrelang eingeredet wurde, dass Frauen in die Küche gehören und Männer die Familie ernähren sollen. Und DAS ist in der Tat systematische Benachteiligung!

Mein Vater ist selbstständig, während meine Mutter als Beamtin gearbeitet hat. Als meine Mutter nach der Elternzeit wieder arbeiten gegangen ist, ist ihr ziemliches Unverständnis entgegengeschlugen. Wie kann sie es nur wagen wieder arbeiten zu gehen, obwohl sie doch jetzt ein Kind hat, wie kann sie ihr Kind alleine lassen, ect.

1.war ich ab meinem 3. Lebensjahr im Kindergarten und 2. konnte mein Vater sich seine Arbeitszeit frei einteilen und viel mehr Zeit mit mir verbringen als jedes angestellte Elternteil es womöglich kann.

Ich bin z.B. auch schon als Mädchen mit auf Vaters Baustellen gefahren. Seine Kund*innen schauten immer sehr irritiert und äußerten blöde Sprüche. Aber nicht deswegen, weil mein Vater seine Tochter mitgebracht hat. Nein, weil ich ja offensichtlich ein Mädchen bin und deswegen auf den Baustellen nichts zu suchen hätte, weil ich mir ja die Finger dreckig machen könne...

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Guardianangel1  10.08.2023, 10:00
@Selkiade

Ich gebe dir recht. Das wird aber von vielen männlichen Usern hier bestritten. sie argumentieren, Frauen hätten weniger schwere oder anspruchsvolle Jobs, deshalb würden sie generell weniger verdienen.

Das Frauen bei gleicher Arbeit weniger bekommen, halten sie für unmöglich. Höchstens noch, dass Frauen diese Jobs weniger gut machen und deshalb weniger verdienen. 🙄

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Habe ich noch nie gehört.

Ich selbst habe eine Schwerbehinderung, 37 Jahre im ÖD gearbeitet und wurde genauso bezahlt wie mein Kollege ohne Schwerbehinderung.