Warum sagen viele Menschen "... ich möchte mich entschuldigen ...", statt gleich zu sagen "... ich entschuldige mich ..."?

9 Antworten

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Es ist keine ganz neue Tendenz, daß Menschen sich nicht festlegen wollen. Damit kann man etwas sagen, das nicht zuende gedacht ist, also mehr oder weniger unausgegorenes Zeug. Dafür haben sich Unverbindlichkeits-Formulierungen etabliert:

Das vorgeschobene "ich möchte..." fällt darunter.
"Ich würde (mal) sagen, es ist so und so..." an Stelle von "es ist so und so..."
"Ich sag jetzt einfach mal..."
Etwas intellektueller: "Ich sage einmal ungeschützt..."

Da man nicht hinreichend nachgedacht hat um seiner Sache sicher zu sein, kann man sich mit solchen Formulierungen an die Reaktion des oder der anderen herantasten, in der Hoffnung, nicht in ein Fettnäpfchen zu treten.

Cactusfan 
Fragesteller
 06.08.2018, 07:24

Beste Antwort auf meine Frage!

Herzlichen Extradank!

Die Formulierungen "... ich würde meinen etc ..." finde ich auch totalen Blödsinn!

Viele Menschen denken offenbar nicht bevor sie reden und dann kommt so ein Schmarrn zustande!

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Prinzipiell kann man sich nicht selbst entschuldigen, das muss immer der andere tun.

Man kann "um Entschuldigung" bitten.

Daraus resultiert, dass es schon möglich ist es zu wollen (also "Ich möchte mich entschuldigen...").

Mit so einem Konjunktiv vermeidet man eine direkte Aussage, weil man ja damit eine Bitte transportiert (man bittet im Grunde um eine Entschuldigung). Es ist eine Art Höflichkeitsform. Andere Bitten im Konjunktiv sind z.B.

Könnten Sie mir noch ein Bier bringen? (natürlich kann die Bedienung das, jedoch wäre "können Sie" oder gar "bringen Sie" etwas zu direkt)
Ich möchte gerne noch ein Bier. ("ich will ein Bier" klingt wieder zu direkt) 

Das ist nicht nur im Deutschen oder Französischen so, auch z.B. im Finnischen wechselt man bei solchen Bitten in den Konjunktiv. Mit dem Konjunktiv nimmt man sich ein wenig "zurück" und tritt weniger forsch auf.

OlliBjoern  05.08.2018, 20:06

Das passt nun nicht 100% zum Thema, es ist aber auch ein Beispiel, wie man mit "umständlich klingenden" Formulierungen eine Distanz reinbringen kann: in  der Kölner Mundart (Kölsch) könnte man z.B. sagen

Ich wollt dat dieser Tage noch erledigt haben.

Ich wollt gar nit gekommen sein.

Diese "Absichtserklärung in der Vergangenheit" dient dazu, sich selber damit aus der Bredouille zu schaffen (denn es ist noch nicht erledigt (Satz 1), und der Sprecher ist sehr wohl reingekommen (Satz 2) - die Formulierungen hören sich nur danach an, "als ob" z.B. das in Satz 1 schon erledigt wurde).

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Hier geht es um 2 Dinge:

  1. Man kann sich selbst nicht entschuldigen, sondern nur andere können das.
  2. Dieses "Möchten" dient als Höflichkeitsform, ist hier aber sprachlich falsch. Besseres Beispiel: "Ich möchte Sie bitten, Platz zu nehmen". Richtig wäre: "Ich bitte Sie, Platz zu nehmen".
TSSTATS  29.02.2024, 02:16

"dient als Höflichkeitsform" impliziert, dass es sich um eine gebräuchliche sprachliche Form handelt. Es kann also mE nicht gleichzeitig sprachlich falsch sein. Ich sehe weder einen syntaktischen, noch einen semantischen "Fehler". Über Stil kann man natürlich streiten.

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Weil man nicht gleich mit der Tür ins Haus fällt.

Erstmal muss man ja das Gespräch darauf bringen, und das macht man höflich.
Außerdem möchte man, dass der andere sie annimmt.