Warum musste die Entnazifizierung scheitern?

4 Antworten

Nach Kriegsende war Deutschlande zerstört und musste wieder aufgebaut werden. Nicht nur Häuser und Fabriken, sondern auch Verwaltung, Justiz, Polizei und die ganze gesellschaftliche Infrastruktur.

Hier wurde in den Besatzungszonen offiziell sehr unterschiedlich verfahren.

In der sowjetischen Besatzungszone, der nachmaligen DDR, wurde offiziell jeder (Ex-)Nazi aus Amt und Würden entfernt und durch Parteigänger der Kommunisten oder ehemalige Widerstandskämpfer ersetzt. So zumindest die offizielle Lesart.

In den westlichen Zonen wurden nach anfänglich intensiver Entnazifizierung gerade im Zuge des sich entwickelnden kalten Krieges und der daraus folgenden Westeinbindung nur noch Parteiaktivisten in die Wüste geschickt. Die meisten ehemaligen Parteigenossen schafften es jedoch, die Behörden davon zu überzeugen, dass sie nur sogenannte Mitläufer gewesen seien. Diese kamen, wenn überhaupt, mit geringen Sanktionen davon und konnten ihre früheren Stellungen oder neue Stellungen einnehmen.

Was in beiden Teilen Deutschlands gleich war, war die Tatsache, dass in der Nazizeit eigentlich alle wichtigen Funktionsträger in Verwaltung, Justiz und Polizei in der NSDAP gewesen waren (manche sicherlich wirklich nur pro forma) und ein Neu- bzw. Wiederaufbau ohne deren Fachkenntnisse nahezu unmöglich war. Am ehesten wurden nach dem Krieg ehemalige Widerständler noch zu Bürgermeistern berufen.

Auch in der "Ostzone" wechselten viele nach dem Krieg einfach das Parteibuch und machten mit alten, totalitären Einstellungen ihre alten Job einfach weiter und zogen statt des Braunhemdes halt nun das graue Hemd der Betriebskampfgruppen an.

Die Entnazifizierung musste praktisch scheitern, weil zu viele Funktionsträger der Gesellschaft erstens in der Partei gewesen waren und zweitens vorher schon jahrelang mit Naziparolen erzogen worden waren.

Im Westen begann die Aufarbeitung des NS-Unrechts eigentlich erst ernsthaft mit den Auschwitz-Prozessen in den Sechzigerjahren. Selbst dann aber waren ehemalige Nazis oftmals allein schon deswegen besser angesehen, weil sie Antikommunisten ware. Und Antikommunisten waren gelegentlich dem großen Bruder jenseits des großen Teiches wichtiger als Demokraten.

In der DDR hingegen gab es offiziell keine Nazis oder Ex-Nazis, weil es ja nur noch gute Sozialisten gab.

Manchmal wundert es einen schon, dass ausgerechnet in einem Landesteil, in dem über 40 Jahre lang Völkerfreundschaft und die Verbrüderung aller Unterdrückten quasi Staatsreligion waren, heute die lautesten Schreier der Deutschen Reinheit sitzen.

Die Frage ist vollkommen unsinnig!

Ist Deutschland denn noch nationalsozialistisch? Nein! Dagegen spricht auch nicht, dass es einige dumme und ungebildete Menschen gibt, die den Nazis auch heute noch etwas abgewinnen wollen und dabei ihre menschenverachtenden Verbrechen einfach ausblenden.

Fazit: Die "Entnazifizierung", die vorallem die deutsche Gesellschaft selbst durch historische Aufarbeitung der Nazizeit und ihrer Verbrechen in den letzten Jahrzehnten geleistet hat, war erfolgreich. Die wenigen Neonazis werden nicht als Teil unserer Gesellschaft angesehen, sondern abgelehnt.

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.
atzef  22.12.2016, 19:52

In dieser eher prozessorientierten Weise sehe ich den Begriff eigentlich auch. Wenn man ihn allerdings wie earnest eher auf den Maßnahmekomplex nach 45 beschränkt betrachtet, kann man das schon skeptischer sehen.

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ArnoldBentheim  22.12.2016, 21:17
@atzef

Gewiss, da gebe ich Dir Recht. Natürlich kann man die Frage so wie earnest auslegen. Der Fragesteller hat sehr unpräzise und nachlässig formuliert.

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Weil man die meisten Leute noch brauchte egal ob Richter, Polizist...... so wurde meist nicht objektiv entschieden sondern so wie es am besten passte.

Weder kann man die umstandslos als "gescheitert" ansehen, noch "musste" sie scheitern. Und dann wo? In der Bundesrepublik oder der DDR?

Entwickele mal die Kriterien für das "Scheitern"...