Warum kann kaum jemand vernünftig rechtschreiben?


05.11.2021, 06:11

Ich meine damit nicht einmal zwingend Groß- und Kleinschreibung oder Kommasetzung, ich spreche eher davon, dass viele Wörter total falsch geschrieben werden.

9 Antworten

Nur vorneweg: Ich habe bei Praktikanten und Auszubildenden diese Tendenz verstärkt in den letzten sieben Jahren mitbekommen und es ist was Wahres dran. Die meisten können zwar rechtschreiben, aber andererseits machen selbst Abiturienten oft allerhand merkwürdige Fehler.

Vermutlich kommt das durch die Angewohnheit zustande, dass SMS getippt werden und WhatsApp so beliebt ist, es immer schnellschnellschnell gehen muss und eigentlich nochmals schneller. Da gibt sich kaum jemand mehr Mühe, das alles richtig ordentlich auszuformulieren. Im Ganzen würde ich es als Mischung aus Unwissen und Faulheit deuten, warum dieser Eindruck entsteht bzw. das Problem tatsächlich da ist!

Die "modernen Kommunikationsmitteln" bzw. digitale Medien führen nämlich dazu, dass immer weniger Wert auf eine korrekte Rechtschreibung gelegt wird und/oder man sie, da das meistbenutzte Medium zum Schreiben das Internet mit seinen Social Networks ist, immer weiter vernachlässigt bis verlernt! Wir hatten das damals nicht, wir mussten noch alles ausschreiben - und Chats, wo man ohnehin alles kleinschreibt sowie auf Rechtschreibung, Kommasetzung usw. pfeift, trennten wir ganz gut von der Schule ab. Da galten andere Maßstäbe.

Das "Schreiben nach Gehör" ist sicherlich auch ein Kapitel für sich: Was Hänschen nicht lernt, das lernt Hans nimmermehr - und wenn hier bereits in der ersten Klasse die Chance vertan wird, war's das eben.

Auch die Eltern achten laut meiner Beobachtung jedoch immer weniger darauf bzw. machen es den Kindern vor, da sie selbst immer weniger schreiben: Denn wer wenig schreibt, macht auch mehr Fehler, da er nicht mehr alle Regeln kennt... Und wer lediglich auf dem Smartphone Termine eintippt, die sowieso nur er selbst ablesen muss, schert sich weniger um Rechtschreibung, weil es ohnehin jedem gleich ist (Stichwort Faulheit!) --------> Hauptsache, man versteht "rudimentär", was in etwa gemeint sein soll mit jener SMS und entsprechend wenig strengt man sich an.. aber das führt in die falsche Richtung! Beispiel: Ich pflege einen handschriftlichen Tageskalender & besitze noch nicht mal ein Smartphone. Da steht dann bei mir eben (z.B.) im Kalender: "Thomas abholen, 16.30 Uhr, Hauptstraße/Ecke Briefkasten". Im Smartphone würde das wohl so aussehen: "thoms 16.30 hautpstrße briefkasen", und das aus dem Grund weil es einem einfach egal ist, wie es geschrieben wird -------> man weiß schließlich, dass man (beispielsweise) um 16.30 Uhr Thomas am Briefkasten der Hauptstraße abzuholen hat.. Ist der falsche Weg, da das die Hemmschwelle zu Fehlern herabsetzt.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Ich vermute mal, dass in der heutigen Zeit in der Schule nicht mehr so stark auf Rechtschreibung geachtet wird. Bestes Beispiel: In der Grundschule heißt die Devise "Schreiben nach Gehör", d.h. die Kinder sollen so schreiben wie sie es hören. Z.B. "Ich fare mit meinen Eltern in den Zo und sehe vile Tire" Die Eltern dürfen die Kinder nicht korrigieren um ihnen nicht die Lust am Schreiben zu nehmen. Das geht bis zum Anfang der 4. Klasse. Dann wird erst die Rechtschreibung gelehrt. Wenn nun ein Schüler mit einer Rechtschreibschwäche dabei ist, hat er größte Probleme seine alte "Rechtschreibung" zu ändern.
Dann wird in der Schule auch nicht mehr so viel (ab)geschrieben. Statt einen Text oder eine Aufgabe von der Tafel abzuschreiben, bekommen die Schüler ein kopiertes Blatt. Am besten mit einem Lückentext, in dem nur ein paar Wörter eingetragen werden müssen.
Dank 24h/7T -TV, DVD und Computer/Konsole ist für viele das Lesen nicht mehr so in, vor allem wenn sie sich schwer tun, mal einen Text zu lesen. Dadurch leidet der Wortschatz und die Kenntnis der richtigen Schreibweise.

Ich hatte selber als Schüler eine Rechtschreibschwäche. Wir mussten viele Texte von der Tafel und aus den Schulbüchern abschreiben. Aus Mangel an Internet mussten wir viel mehr mit Büchern unsere Aufgaben lösen. Statt "automatischer Rechtschreibkorrektur" nutzten wie den Duden (ein Buch!).
Mir und meinen Schwestern wurde früher abends oft was vorgelesen. Das hatte in mir später die Lust auf selber Lesen geweckt. So lag ich gerne mit Büchern in meinem Bett und erlebte so manche Abenteuer mit den Helden der Geschichten.
Ich denke, das alles hat mir bei meiner Schwäche sehr geholfen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich denke es können viel mehr aber es ist für sie einfach umständlich, alles zu korrigieren und bei jedem zweiten Wort extra auf die gross Taste zu tippen. Oder sie haben ein neues Handy und daran sind sie nicht gewöhnt oder können ihre Finger nicht so gut bewegen und sind froh wenn sie den Satz überhaupt zu Ende geschrieben haben.

Hateyall 
Fragesteller
 05.11.2021, 06:31

Ich spreche nicht nur vom Internet.

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Ich glaube es könnte etwas mit dem "tollen" Konzept 'Schreiben nach Gehör' zu tun haben, welches (laut Quelle: https://www.netmoms.de/tipps/schreiben-nach-gehoer-das-hat-es-damit-auf-sich/) in den 1990ern in einigen deutschen Schulen eingeführt und allem Anschein nach bis heute noch immer nicht gänzlich aus jeder Einrichtung verbannt wurde.

Ich denke es gibt kaum eine bessere Methode, um sicherzustellen, dass Kinder vorallem lernen wie man falsch, nicht aber richtig schreibt. Und wenn es bereits in den 90ern eingeführt wurde, könnte das auch erklären, weshalb es heut auch vermehrt Erwachsene gibt, die nicht wissen, wie man die einfachsten Wörter zu schreiben hat. Werden diese nun Eltern und deren Kinder geraten ebenfalls an eine Schule, an welcher nach diesem Konzept gelehrt wird ... Prost Mahlzeit.

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"Schreiben nach Gehör: Was versteht man darunter?

Beim Schreiben nach Gehör handelt es sich um ein Konzept, dass in den meisten deutschen Grundschulen praktiziert wird. Explizit geht es darum, den Schülern das Schreiben lernen und auf eine Korrektur von Fehlern zu verzichten.

Vor den geistigen Augen von Eltern und Grundschullehrern türmen sich haushohe Fragezeichen auf. Zu recht, wie man heute weiß. Denn die Anlauttabelle reicht nicht aus, um einem Kind die Grundlagen der Rechtschreibung zu vermitteln und es orthographisch sicher zu machen.

Vor dem Problem stehen vor allem die Lehrer, die an der Realschule und am Gymnasium unterrichten. Hat ein Kind vier Jahre seines Lebens nach Gehör geschrieben, ist eine Umstellung auf die korrekte Orthographie sehr schwierig – in hartnäckigen Fällen sogar ausgeschlossen.

Warum Eltern diese Methode ablehnen

„Ich hap tisch lip“ und „Hunt“ oder „Fata“ sind nur wenige Beispiele für eine Praktik, die heute an deutschen Grundschulen üblich ist. Denn beim Schreiben nach Gehör sind Fehler vorprogrammiert. Je deutlicher die Aussprache, umso höher ist die Fehlerquote.

Besonders stark betroffen sind somit Grundschüler aus Sachsen oder aus Bayern, wissen Professoren der deutschen Sprache. „Isch hap düsch lüb“ mag ja bei einem Erstklässler niedlich klingen. Doch wie sieht es aus, wenn Erwachsene in einem Satz mehr Fehler als richtige Worte schreiben? Über das Ergebnis der Pisa Studie brauchen wir uns nicht zu wundern, sind sich Experten einig.

Das Resultat vom Schreiben nach Gehör ist die LRS, die sich in Deutschland immer weiter verbreitet. Und das, obwohl wir mal das Land der Dichter und Denker waren. Wenn Du Dich über dieses Konzept zum Schreiben aufregst, stehst Du mit Deiner Wut nicht allein da. (...)"

Das Netz ist voll mit Artikeln und Kritik zu diesem Konzept.

Quelle und mehr dazu: https://www.elternkompass.de/schreiben-nach-gehoer-darum-wird-diese-methode-kritisiert/

Ich glaube bei mir war es immer mangelndes Interesse. Es hat mich als Kind immer tierisch genervt Diktate zu üben etc.

Später war es wohl eine Art Konzentrationsproblem. Weil ich mich, wie häufig beim Sprechen auch, eher auf das konzentriere was ich schreibe/sage als auf mein Gegenüber bzw. Was auf dem Blatt dabei raus kommt.

Wobei sich das über die Jahre gebessert hat.