Warum ist Haustiere einschläfern so in der Gesellschaft verbreitet?

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Warum ist Haustiere einschläfern so in der Gesellschaft verbreitet?

Das Einschläfern von Haustieren ist in Deutschland ziemlich streng geregelt. So dürfen Tiere nur mit entsprechender medizinischer Indikation oder bei relevantem Gefährdungspotenzial eingeschläfert werden. 

Darüber hinaus, und das sage ich dir aus der Erfahrung von 7 Hunden und 4 Katzen, ist jedes einzelne Mal der pure Horror, auf den ich bereitwillig sofort verzichten würde ... wenn ich meine Tiere nicht lieben würde und es ihnen zuliebe getan hätte. Bei jedem meiner Tiere habe ich mir aufrichtig gewünscht, dass es den "idealen Alters-Tod" sterben möge: Abends noch mal genüsslich mit dem Lieblingsfutter den Bauch vollschlagen, ein Stündchen Kraulen, Schmusen und Kuscheln, dann schlafen legen und einfach nicht mehr aufwachen. 

Doch das Leben ist hart. Und der Sensenmann grausam. Diese 11 Tiere mussten eingeschläfert werden. Und jedes einzelne Mal ist ein Stück von mir mitgestorben. Obwohl das erste Mal schon über 40 Jahre her ist, kann ich dir bis heute genau schildern, wie es damals abgelaufen ist; gerade so, als sei es erst gestern gewesen. Bis heute habe ich diese Filme im Kopf. Von jedem einzelnen von ihnen. Und ich werde sie nicht los.

Ich finde es moralisch nicht richtig das der Mensch sich anmaßt zu urteilen ob das Leben eines Haustieres noch lebenswert ist

Und ich finde es moralisch nicht richtig, die Verantwortung, die man für das Tier übernimmt, wenn es zu einem zieht, nicht auch dann zu tragen, wenn die Entscheidung verdammt schwer fällt; ja, fast unmöglich erscheint.

Das Tier kann nicht entscheiden: "Los jetzt. Ich will nicht mehr. Bring mich zum Tierarzt, damit er mich einschläfert. JETZT!" Es sitzt und liegt nur da, quält sich sichtbar, und leidet ... leidet ... leidet ... still vor sich hin, während es darauf wartet, dass es der Tod endlich von seinen Leiden erlöst.

Und schon in den letzten Wochen erwischst du dich immer wieder, wie du einfach nur dastehst, mit blinden Augen in den Garten schaust und über all die blöden, lustigen, tollpatschigen, ärgerlichen, herzerwärmenden und manchmal auch ziemlich teuren Situationen nachdenkst, die du mit dem Tier erlebt hast. Und du wünschst dir nichts sehnlicher, als dass du aufwachen mögest und dein Tier dir mit der triefend nassen Zunge - und, wie einst mein Askan, dabei vor aufgestauter neckischer Aufregung fröhlich furzend - quer übers Gesicht fährt, dich wie früher aus einer Distanz von kaum 15 Zentimetern anschaut und du in den Augen den Schalk siehst, der dir verheißt, dass dieses Trampeltier garantiert gleich wieder irgendwas zu Bruch gehen lassen wird, sobald du dich rührst und er ungestüm losstürmt, um die Anderen zusammenzutrommeln und als Erster an der Tür zu sein. 

... Doch das Aufwachen bleibt aus. Der Tag geht zu Ende, und alles, was du hast, ist ein Tier, von dem du weißt, dass seine Tage bei dir - so oder so - gezählt sind; dass nie wieder kommen wird, was einst war.

Du siehst das Tier auf seinem Lieblingsplatz neben dem Kamin liegen. Abgemagert. Apathisch. Weltentrückt. Völlig verändert, mit leeren Augen vor sich hinstarrend und mit unregelmäßigen Atemzügen, die dir das Elend des still leidenden Tieres so unendlich grausam deutlich verraten...

Und du denkst immer und immer und immer und immer wieder an deine Sche**-Verantwortung, die dir nach all den schönen und aufregenden Jahren nun diese Last aufbürdet: "Heute? Muss es schon heute sein? Oder schaffen wir es noch ein paar Tage, Yoda?", während du immer und immer wieder die Diagnose des Tierarztes durchgehst und hoffst, er möge sich dieses Mal, bitte, bitte, nur dieses eine Mal, geirrt haben; inständig hoffst, er möge jetzt anrufen und sagen "Sorry, hab mich geirrt. War die falsche Diagnose. Dein Hund wird noch mindestens 3, 4 Jahre glücklich und zufrieden bei dir leben. Er hat halt nur irgendso eine kleine Krankheit; nix Schlimmes. Schon morgen, spätestens übermorgen wird er wieder rumlaufen."

Und dann passiert es: Yoda versucht aufzustehen, ... und die Hoffnung durchfährt dich wie ein Blitz: "Hunger? Hat er vielleicht Hunger? Yessss, es geht ihm besser! Der Tierarzt hat sich geirrt!" ... doch er schnauft nur ... wackelt ... und bricht wieder zusammen, knallt mit lautem und bis ins Mark dringendem Geräusch mit dem Kopf auf die Fliesen, reißt die Augen vor Angst weit auf .... und blickt dir tief in die Augen ... und du weißt mit absoluter Sicherheit: Er kann nicht mehr. Er. Kann. Nicht. Mehr. ER - KANN - NICHT - MEHR. ER! KANN! NICHT! MEHR!

Mit tränenverschleierten Augen rennst du völlig verzweifelt zu deinem Hund, nimmst tröstend seinen Kopf hoch, streichelst ihn ... und weißt doch: Es ist vorbei. Wenn dein Herz für dieses Tier noch nicht völlig erkaltet ist, wenn dein krampfhafter Eigennutz, der schon seit etlichen Tagen rebelliert und fordert "Komm schon! Nur ein paar Tage noch. Ich will jetzt noch nicht loslassen müssen.", ein Ende finden soll, musst du es jetzt gehen lassen. Viel zu lange schon hast du es bei dir gehalten, weil du partout nicht aufgeben, nicht nachgeben wolltest. Dein Hund und du - ihr gehört doch zusammen. All die Jahre hat er dir das jeden einzelnen Tag, jede einzelne Stunde gezeigt. Und du? Du undankbares Stück Dreck! Willst ihn, kaum dass er krank wird, einfach umbringen lassen? Klar, er ist todkrank; doch er braucht dich genau deshalb. Ihr gehört doch zusammen, oder etwa nicht?!

Du drückst deinen einst kraftstrotzenden 56-kg-nun-nur-noch-31-kg-Hund an dich, wie ein kleines Kind, federleicht kommt er dir vor. Und während du ihn sanft zurück auf sein Lager legst, hoffst du wieder um alles in der Welt, jetzt endlich aufzuwachen, den Albtraum einfach wegduschen zu können und anschließend mit Yoda zu seiner Lieblingsstelle im Schilf am See zu gehen, als sei nie etwas geschehen, als würde nie etwas Schlimmes geschehen.

Doch stattdessen wählst du wie im Trance die Nummer des Tierarztes: "Kannst du kommen? Es ist soweit." ist alles, was du stammeln kannst, bevor dir die Stimme endgültig bricht und du dich setzen musst, weil dir die Beine weich werden.

Dann sitzt du da .... und wartest. Auf den unvermeidlichen Abschied, den der Tierarzt im Gepäck hat......................... 

Jede. Verdammte. Sekunde. Ich kann dir jede verdammte Sekunde beschreiben, ManuTheMaiar. Von jedem meiner Tiere. Sie alle haben sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt. Denn mit Ausnahme einer Katze, die überfahren wurde, und einer anderen Katze, die eines Tages nicht mehr nach Hause kam, habe ich jedes einzelne meiner Tiere bis zum Ende begleitet. Doch nicht jedes hatte das Glück, auf natürlichem Wege friedlich einschlafen zu können. 

Unter dem Strich bleibt aber dennoch eine Genugtuung: Meine Tiere haben nie lange gelitten. Ich hoffe, dieses Glück werde auch ich eines Tages haben: Nicht leiden müssen, weil irgendein Möchtegern-Pseudo-Moralist meint, dass ich schon noch früh genug sterben werde und so lange am Leben erhalten werden solle, wie die Maschinen und Medikamente es auf Biegen und Brechen hergeben. Und das nur, weil ich nicht mehr fähig bin, meinen Willen, das Leiden endlich zu beenden, auszudrücken. 

dsupper  20.10.2017, 05:43

puhh - das ist "schwierig" für mich zu lesen - es macht betroffen und erweckt in mir wieder jene Gefühle, die ich in jeder ähnlichen Situation auch hatte ...

DANKE - du hast mir völlig aus der Seele geschrieben

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Unsinkable2  20.10.2017, 13:05
@dsupper

Ich wollte nicht betroffen machen. Und ich wollte keine Wunden aufreißen.

Ich wollte @ManuTheMaiar nur die Gelegenheit geben, durch meine Augen zu sehen, wie verdammt schwer diese Entscheidung, die man am liebsten nie treffen wollen würde, und von der er schon fast so spricht, als sei es ein Hobby, ist.

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Und doch: Er hat nicht ganz Unrecht. Beispielsweise kenne ich tatsächlich eine Frau, die fragte, wo sie ihren Hund einschläfern lassen könne. Sie müsse umziehen und dort seien keine Hunde erlaubt. Auf meine Frage, warum sie den Hund dann nicht abgebe, reagierte sie aufrichtig erstaunt: "Mein Hund? Zu fremden Leuten? Niemals! Ich habe ihn groß gemacht. Ohne mich würde er doch nur leiden. Und das will ich ihm ersparen.

Und auch, wenn der Hund letztlich doch nicht eingeschläfert wurde (weil sich alle Tierärzte, die sie fragte, logischerweise weigerten; nicht, weil sie Einsicht zeigte), so muss ich doch selbst feststellen, dass das Besitz-Denken keineswegs abgenommen, sondern sich nur verändert hat. 

Was früher "Besitz zum Zwecke der Arbeit" war, ist heute "Besitz als Status-Symbol bzw. Hobby". Hunde, die irgendwo angebunden werden, weil man sie schnell loswerden will und Einschläfern nicht nur Geld kostet, sondern auch verboten ist, werden immer häufiger. Auch in der kommenden Nachweihnachts-Phase (also beginnend mit dem Frühjahr) wird die Zahl der ausgesetzten Tiere, wie jedes Jahr, wieder drastisch zunehmen.

Wegwerf-Gesellschaft mit massivem Besitz-Denken, eben... Und in diesem Sinne verstehe ich die Kritik ManuTheMaiars durchaus; denn die "Einzelfälle" sind längst zu "zahllosen Einzelfällen" geworden...

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maxi6  20.10.2017, 08:38

Danke für Deine ausführliche Antwort. Ich denke, dass es jedem, der Haustiere hat gleich geht und ich denke auch, dass keiner eine solche Entscheidung auf die leichte Schulter nimmt.

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Flauschy  20.10.2017, 11:03

Genauso ist es. Ich musste vor vier Tagen meine Katze mit 22 Jahren einschläfern lassen weil sie einfach nicht mehr konnte und ich bin froh, dass ich ihr helfen konnte und nicht wie bei einem Menschen warten musste bis sie von allein stirbt.

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eggenberg1  23.10.2017, 18:39
@Flauschy

und   DER   , dem   dieser beitrag   gedacht   war   hat nicht den mum  auchnur  eine einzige  zeile  dazu zu schreiben .hat   längst  schon wieder eine  andere provozierende  frage  gestellt.

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Es wird kaum jemand anderen geben, der diese schwere Entscheidung für einen treffen kann, als man selbst. Natürlich bespricht man sich mit dem Tierarzt.

Und hofft und leidet mit und geht letztendlich diesen schweren Weg. Es ist nicht einfach, gehört aber zur Verantwortung dazu, die man übernimmt, wenn man sich für ein Haustier entscheidet. Ein bisschen stirbt man auch selbst mit.... 

Ich kann Deine Frage gut verstehen und nachvollziehen. - Ich persönlich möchte es auch nicht "müssen" - möchte mir aber auch nicht anmaßen, über andere zu richten die es tun - müssen.

Mir ist das einschläfern-müssen bis jetzt erspart geblieben, würde es auch nur unter der EINEN Bedingung tun - nämlich wenn der TA rauskommt ins Haus. - Mit einem sterbenden Tier eine stressreiche Autofahrt unternehmen, nein, das ist - für mich - ein Unding.

Ansonsten würde ich es sehr begrüßen, wenn auch in der Tierhaltung mehr auf hospizgerechte Sterbebegleitung - in der vertrauten Umgebung - Rücksicht genommen würde - incl. med. Anleitung des Tierhalters für Schmerzbekämpfung usw.

Die frage finde ich gut, ich selbst habe zwei kater und habe mir vor kurzem selbst diese frage gestellt, für einen was wäre wenn fall! Ich bin leider zu keinem eindeutigen ergebnis gekommen, auf der einen seite ist es meine pflicht, meinem fellkumpel jegliches leid zu ersparen so gut ich kann, aber dann habe ich mich dran erinnert, wie einer meiner kater mir sein lieblingsspielzeug in den rucksack für den weg gepackt hat und mir wurde klar, wie wertvoll jeder einzelne tag ist für mich und meine fellkumpel und dass es auch meine pflicht ist, dafür zu sorgen, dass es möglichst viele sind! Ich denke, dass es situationen gibt, die eine einschläferung notwendig machen und wieder situationen, wo es nicht der fall ist, es gibt da meiner meinung nach kein allgemeingültiges prinzip gibt, sondern jeder fall individuell seinen regeln und richtlinien folgt! Lg

Willst du dass das Tier sich quält und mit schmerzen stirbt? Ich würde das nicht wollen. Und wenn nix mehr geht dann lieber friedlich einschlafen. Würde sich manch ein Mensch auch wünschen!