Warum ist Einfachheit eine komplexe Sache?

15 Antworten

Nur mal so eine Anekdote:

Ich habe letztens in einem IT-Projekt gesehen, dass sich die Entwickler für eine Archtiektur entschieden haben, die es ihnen notwendig macht, den AWS Stack lokal auf ihrem Rechner zu haben... Wenn es nicht mehr komplexer geht...

Einfachheit ist elegant und fügt sich nahtlos in Bestehendes ein. Es ist da und wenn man es nutzt hat man einen Vorteil, fast ohne Aufwände.

Andere Anekdote:

Im Winter pingt mich mein Auto an bei 4 Grad. Soweit in Ordnung, würde es nicht meine Restkilometeranzeige auf Gradzahlanzeige umstellen. Ich muss jetzt jedesmal, wenn es pingt, das wieder zurückstellen...

Einfachheit nervt nicht. Es zwingt einen nicht zum Handeln, wenn man nicht unbedingt muss.

"Alles Große und Edle ist einfacher Art."

das ist natürlich quatsch.

Aber es ist tatsächlich so: denken ist einfach. man macht es jeden tag und es gibt nur wenige momente in denen man nicht denkt. Das erreichen einer existenz ohne denken ist eine sehr schwierige aufgabe woran sich buddhistische mönche üben.

Versuch es einmal: nicht denken, sondern sein.

mhm...Ich weiß es nicht- selbst buddhistische Mönche arbeiten ihr leben lang daran während ihrer Meditation tatsächlich an nichts zu denken. Lediglich zu sein. Sich mit der Welt verbunden zu fühlen. Als etwas Homogenes mit seiner Umwelt.

unhilfreich110  04.07.2020, 18:36

Nachtrag: Wären wir, für die Einfachheit geschaffen, so würden wir sie auch leben. Wenn wir uns "Wolfskinder" anschauen, so unterscheiden sie sich kaum von anderen Tieren. Das einzige, was sie mit uns gemein haben sind, das Aussehen, mehr aber auch nicht. Vielleicht kommt also diese Komplexität von unseren Kulturellengebilden ( Sozietät, Gemeinschaft, Zusammentreffen von Menschen). Wenn wir jetzt einfachheit auf unser Verhalten übertragen so heißt das, dass wir uns um uns selbst (Alleine!) kümmern müssten. Alleine zu überleben ist aber wohl die schwerste Aufgabe , die existiert. Weswegen ob wir nun alleine oder in einer Sozietät leben, das Leben an sich Komplex ist. Diese Komplexität endet wahrscheinlich erst wenn wir sterben. Und selbst dann wird sie eigentlich nicht weniger Komplex. Enthropie beschreibt im grunde nur die Änderung von einer komplexen Zustand hin zu einem einfachen Zustand. Aber ob der einfache Zustand tatsächlich "einfach" ist wissen wir nicht. Also ist meine Antwort : Wir Wissen es nicht Und unsere geringe lebenszeit im vergleich zum Universum genügt nicht um, ob einfach oder komplex, zu entschlüsseln-

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Einfachheit gelingt nur, wenn man die Mehrfachheit weiß.

Zwei Beispiele aus der Kunst:

Man malt möglichst wie ein Foto realistisch-bunt einen wutschnaubenden Stier in der Arena, dann "verwirft" man das angeblich Überflüssige, man verwirft das Konkrete ins Abstrakte, vier, fünf schwarze Striche bleiben auf weißem Grund - und fast alle Spanier erkennen den Stier in der Arena auf der Leinwand.... eben Picassos Genialität der Einfachheit der Mehrfachheit (Komplexität).

Wenn sie Beethovens Thema der 5. Sinfonie singen sollen, singen sie alle falsch dadadaaa als Dreier-Takt mit Schwerpunkt auf dem ersten Ton, aber es berührt sie erst genial einfach, wenn sie tatsächlich das Motiv richtig gespielt gehört haben: Einatmungspause > dadadaaa. Beethoven schrieb es nämlich im 4/8-Takt mit Schwerpunkt auf dem letzten Ton! Die Mehrfachheit sind 4 Achtel, die Einfachheit 1 Achtel Pause, eben kein Ton zu hören, und so "erklingt" das Motiv.

madwe  05.07.2020, 18:02

Sorry, nix “dadadaaa“, sondern “dadadadaaa“. Nämlich 1 Achtel Pause, dann drei Achtel “da“ und im nächsten Takt ein langes “daaa“ mit Fermate! Der “Schwerpunkt“ des Themas liegt ganz klar auf der Eins im zweiten Takt, der “Auftakt“ wird häufig als Triole missverstanden.

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Skoph  05.07.2020, 21:51
@madwe

Völlig richtig - sind wir uns einig! - habs hier mal wieder beim Telefonieren geschrieben und eine silbe übersehen ... logisch. danke...

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Eine von wenigen Fragen mit hohem Niveau.

Vor sehr vielen Jahren, in den 60er Jahren wollte ein Kunde mit einer Braun-Anlage eine Möglichkeit haben, 2 Lautsprecherpaare umzuschalten. in der Mittagspause hatte ich eine Idee,

die ich zu Papier brachte und meinem Chef zeigte. Nach 5 Minuten resignierte er und sagte, „Mensch, bau es auf und dann sehen wir, ob es funktioniert.

Der Aufbau funktionierte auf Anhieb fehlerfrei und für mich war das einfach :-)

Ich denke, die Einfachheit muß erst erworben werden, weil es keine Situation ab Geburt gibt in der das als Ziel gilt. Das geht schon los, beim Schreiben einer Nachricht, Text oder Brief.

Danke für die Frage