warum ist die Titration einer starken Säure mit einer schwachen Base nicht praxistauglich?

2 Antworten

Von Experte Miraculix84 bestätigt

Wer sagt das? Natürlich kannst Du eine starke Säure mit einer schwachen Base wie NH₃ titrieren, ich habe sogar eine solche Titrationskurve herumliegen:

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Du siehst hier die Titration von 20 ml 0.1 mol/l H₂SO₄ mit 0.1 mol/l NH₃. Die Abbil­dung zeigt sehr viel auf einmal:

  • Die schwarze Kurve ist der pH-Wert. Du siehst, daß die Kurve einen ordentlichen pH-Sprung bei 40 ml hinlegt, der sich leicht zur Endpunktbestimmung ausnützen läßt. Die Praxistauglichkeit ist also gegeben.
  • Die weiße Kurve ist die erste Ableitung davon, und man sieht ein schönes scharfes Maximum.
  • Die Hintergrundfarben in der oberen Hälfte geben die relativen Anteile von H₂SO₄ (rot), HSO₄¯ (violett) und SO₄²¯ (blau) an. Da Schwefelsäure stark ist, kommt praktisch keine undissoziierte H₂SO₄ vor (kein Rot), aber im Lauf der Titration wird violettes HSO₄¯ zu blauem SO₄²¯ umgesetzt.
  • In der unteren Hälfte sind die Anteile von NH₄⁺ (rot) und NH₃ (blau) dargestellt. DU siehst, daß sich NH₃ erst nach dem Äquivalenzpunkt langsam in der Lösung an­sam­melt; alles NH₃, das aus der Maßlösung vor dem Äquivalenzpunkt zugegeben wurde, wird sofort zu NH₄⁺ protoniert.
  • Nach dem Äquivalenzpunkt bleibt der pH auf ≈9 festgenagelt, weil sich ein NH₃/NH₄⁺-Puffer ausbildet. Der pH-Wert der Maßlösung (0.1 mol/l NH₃) liegt bei 11.1, der wird aber nur bei absurd hohem Verbrauch erreicht, weil der Puffer puffert. Das ist anders als bei einer Titration mit NaOH, wo sich kein Puffer bildet und der pH der Lösung bereits bald nach dem Äquivalenzpunkt fast so hoch ist wie in der Maßlösung (also ≈13).
  • Die strichlierte Kurve zeigt den pH bei einer Titration mit NaOH statt NH₃ an. Du siehst, daß der Sprung viel höher wäre, weil pH≈13 bald ich Reichweite kommt.

Wie fassen wir das alles abschließend zusammen? Natürlich kann man eine starke Säure wie H₂SO₄, mit NH₃ tit­rie­ren. Der pH-Sprung am Äquivalenzpunkt ist zwar we­niger hoch als wenn man NaOH verwendet, aber ausreichend. Einen guten Grund, es zu tun, kann ich mir nicht vorstel­len, aber wer es unbedingt will, der kann es gerne machen; wenn man es mit Indikator machen will, hat man eine engere Auswahl als wenn man mit NaOH titrieren würde.

Das ist, auf gleiche Art&Weise dargestellt, die Titration von 20 ml 0.1 mol/l CH₃COOH mit 0.1 mol/l NH₃. Hier ist der pH-Sprung schon ziemlich mausig; mit einem Indikator würde ich diese Titration nicht mehr machen wollen, aber mit dem Potentiometer ist sie wohl immer noch zu schaffen. Natürlich würde jeder normale Mensch NaOH neh­men, aber unmöglich ist eine NH₃-Maßlösung wirklich nicht.

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Und weil es nochmals so lustig ist, hier noch mal mit Phosphorsäure. Man sieht nur die erste Stufe, aber die dafür ausreichend gut:

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 - (Säuren und Basen, Titration)  - (Säuren und Basen, Titration)  - (Säuren und Basen, Titration)

Diese Aussage ist in dieser Absolutheit nicht korrekt; selbstverständlich kann man eine starke Säure (auch praktisch handhabbar) mit einer schwachen Base titrieren, wenn die Säure niedrig und/oder die Base hoch konzentriert ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – B.Sc. Biochemie
Miraculix84  22.12.2023, 05:40
Versuchte man, eine starke Säure mit einer schwachen Base derselben (oder ähnlicher) Konzentration zu titrieren, müsste man ein sehr großes Volumen der Base verwenden, was unpraktisch ist.

Das stimmt nicht. 😉

Vgl: "Titrationsformel".

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