Warum ist die Osmose ein passiver Transport?

2 Antworten

Moin,

das ist so: Du hast schon selbst geschrieben, dass bei einem aktiven Transport Energie (in Form der Abspaltung von Phosphatgruppen aus einem ATP-Molekül) aufgebracht wird.
Wenn der Vorgang ohne ATP-Spaltung (also ohne Energieaufwand) betrieben wird, handelt es sich um einen passiven Transport.

Bei der Osmose ist es nun wiederum so, dass es hier zu einer Verschiebung von Wassermolekülen durch die semipermeable Membran kommt.

Die Wassermoleküle können ständig die Seiten durch die Membran wechseln und tun dies auch. Das passiert einfach so, dafür braucht es keine Energie in Form von ATP.
Wenn die Membran nun zwei Räume trennt, in denen nichts gelöst ist und die gleich viel Wasser enthalten, dann tut sich scheinbar nichts. In Wirklichkeit wechseln ständig Wassermoleküle von einer Seite auf die andere und zurück. Das System befindet sich in einem dynamischen Gleichgewichtszustand. Dynamisch, weil ständig Wassermoleküle die Seiten wechseln. Gleichgewicht, weil sich an den Wassermengen in beiden Räumen nichts verändert, da immer dann, wenn gerade ein Wassermolekül die Seiten wechselt, an einer anderen Stelle der Membran ein anderes Wassermolekül in umgekehrter Richtung die Seiten wechselt. Unter dem Strich ist das dann für uns von außen betrachtet so, als würde nichts passieren, verstehst du?
Wenn du jetzt aber in einen der voneinander getrennten Räume einen wasserlöslichen Stoff zugibst, dann hast du eine Seite, in der nach wie vor reines Wasser ist, während im anderen Raum der gelöste Stoff ist. Die Seite mit dem gelösten Stoff hat eine höhere Konzentration an diesem gelösten Stoff. Es entsteht ein Konzentrationsgradient.
Gelöst heißt in diesem Zusammenhang, dass sich eine Hülle von Wassermolekülen um die Teilchen des gelösten Stoffes ausbildet (Hydrathülle).
Tja, und wenn du dieses System nun von außen beobachtest, dann scheint es so zu sein, als würde von der Seite, in der kein Stoff gelöst ist, einseitig Wasser zu der Seite strömen, in der der gelöste Stoff ist. Das bedeutet, dass es scheinbar zu einem einseitig orientierten Wasserstrom von der Seite mit der geringeren Konzentration zu der Seite mit der höheren Konzentration erfolgt. Oft liest du dann Sätze wie: „Das System strebt einen Konzentrationsausgleich an.” Das ist natürlich quatsch! Das System strebt gar nichts an. Wie sollte es auch? Das würde ja bedeuten, dass das System erkennt, dass es auf der einen Seite der Membran mehr gelöste Stoffe gibt als auf der anderen und dann das Ziel ausruft, dass dieses Ungleichgewicht ausgeglichen werden soll. Was für eine blödsinnige Vorstellung. Ein anderes Gegenargument gegen diese Vorstellung wäre außerdem, dass die gelösten Stoffe im Normalfall gar nicht durch die Membran kommen können. Aber um tatsächlich einen echten Konzentrationsausgleich bei den gelösten Stoffen hinzubekommen, müsste es möglich sein, dass die Hälfte des gelösten Stoffes auf die andere Seite der Membran transportiert werden könnte...

Tatsächlich ist es nämlich so, dass die Angleichung der Konzentrationen nicht das Ziel, sondern die Folge eines Vorgangs ist, den man Osmose nennt. Wie muss ich mir das vorstellen? - Nun, der gelöste Stoff kann die Membran nicht überwinden (entweder weil er zu groß ist oder weil es sich um geladene Ionen handelt). Aber die gelösten Teilchen werden von Wassermolekülen umringt, so dass die Hydrathülle ausgebildet wird. Aber die Wassermoleküle, die die Hydrathülle ausbilden, sind nun locker an das gelöste Teilchen gebunden. Das bedeutet, dass die Wassermoleküle nicht mehr frei sind, um die Seiten im System zu wechseln. Du hast dann also zwei Räume mit gleich viel Wasser, aber in dem Raum, in dem nichts gelöst ist, können alle Wassermoleküle die Seite wechseln, während es in dem Raum, in dem der gelöste Stoff ist, nur die Wassermoleküle die Seite wechseln können, die nicht an der Ausbildung der Hydrathüllen beteiligt sind.

Und so kommt es, dass plötzlich mehr Wassermoleküle von der Seite mit der geringeren Konzentration auf die Seite mit der höheren Konzentration wechseln als umgekehrt. Das ist ein rein statistischer Vorgang. Wohlgemerkt: Es wechseln immer noch ständig Wassermoleküle die Seiten, immer hin und her. Nur dass es jetzt viel mehr Wassermoleküle von der Seite mit der geringeren Konzentration auf die Seite mit der höheren Konzentration sind. Darum haben wir - von außen betrachtet - das Gefühl, als würde das Wasser einseitig die Seiten wechseln (was es aber nicht macht).

Wenn aber unter dem Strich mehr Wassermoleküle von der Seite mit der geringeren Konzentration auf die Seite mit der höheren Konzentration die Seiten wechseln, dann hat das zwei Folgen: einerseits nimmt die Wassermenge auf der Seite mit der geringeren Konzentration ab, während die Seite mit der höheren Konzentration an Volumen zunimmt. Andererseits wird die höher konzentrierte Seite verdünnt. Das bedeutet, dass sich der Konzentrationsgrad der beiden Seiten einander angleicht, obwohl die eigentlich gelösten Teilchen die Seiten gar nicht wechseln können.
Du siehst, es ist nicht das Ziel, dass sich die Konzentrationen ausgleichen, sondern es ist die Folge davon, dass scheinbar einseitig Wasser verschoben wird.

So! Das Verschieben von Wasser geschieht infolge der Eigenbewegung der Moleküle (Brownsche Bewegung). Das erfordert natürlich auch Energie, aber diese Energie wird durch die Diffusion bzw. Wärmekonvektionsströme aufgebracht, Der Transport des Wassers erfordert keine ATP-Spaltung. Deshalb bezeichnet man ihn als passiv. Aber passive Wasser-Transportvorgänge können stets nur von der Seite mit der geringeren Konzentration an gelösten Teilchen auf die Seite mit der höheren Konzentration erfolgen.
Wenn allerdings Hilfsstrukturen (Carrier, ständig geöffnete Ionenkanäle) in die Membran eingebaut sind, durch die die gelösten Teilchen selbst die Seiten wechseln können, dann erfolgt tatsächlich die Angleichung der Konzentrationen dadurch, dass die gelösten Teilchen von der Seite mit der höheren Konzentration auf die Seite mit der geringeren Konzentration wechseln. Aber das ist wieder ein rein statistischer Vorgang. Auch hier wechseln diese gelösten Teilchen ständig von einer auf die andere Seite und umgekehrt. Aber weil es auf der einen Seite mehr der gelösten Teilchen gibt, wandern unter dem Strich mehr Teilchen von der Seite mit der höheren Konzentration auf die Seite, mit der geringeren Konzentration (als umgekehrt).

Ist das alles jetzt klarer geworden?

LG von der Waterkant

KatKat07 
Fragesteller
 10.11.2023, 12:40

Mir sind jetzt einige Zusammenhänge deutlich klarer geworden.

Vielen Dank, für diese ausführliche Erklärung, das war wirklich sehr hilfreich 😊

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Wie du schon gesagt hast, die Stoffkonzentration bezieht sich nur auf einen Stoff.

Es ist also ein passiver Transport entlang des Konzentrationsgefälles.

VG

KatKat07 
Fragesteller
 09.11.2023, 18:33

Achso, okay. Dann macht es auch Sinn, vielen Dank 😊

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