Warum ernannte Hindenburg nicht direkt Hitler, sondern erstmal Papen und dann Schleicher?

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Dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg ist 1932 von ihn beratenden und beeinflussenden Leuten nicht Adolf Hitler als Reichskanzler mit einer nationalsozialistisch beherrschten Regierung, sondern eine Regierung konservativ-nationalistischer Richtung mit Franz von Papen als Reichskanzler vorgeschlagen worden.

Dafür können mehrere Gründe angegeben werden:

  • größere Nähe Hindenburgs 1932 zu Papen und Schleicher nach Herkunft, Stellung und persönlichen Beziehungen: General Kurt von Schleicher war in Berlin-Lichterfeld in einer Kadettenanstalt gewesen, wo er Oskar von Hindenburg, den Sohn des späteren Reichspräsidenten, kennengelernt hatte, im Ersten Weltkrieg hatte er in der Obersten Heeresleitung gedient, 1929 war er Chef des Minsteramts im Reichwehrminsterium geworden, hatte ein Vertrauensverhältnis zu Hindenburg, spielte eine wichtige Rolle bei der Ablösung des Reichskanzlers Heinrich Brüning (Deutsche Zentrumspartei) und der Bildung einer neuen Regierung, wurde in ihr Reichswehrminister. Franz von Papen stammte aus einer katholischen westfälischen Gutsbesitzerfamilie und war zunächst Offizier, heiratete 1905 Martha von Boch-Galhau, eine Erbin aus einer der Familie des Keramikunternehmens Villeroy & Boch, was ihm Verbindungen zu Großindustriellen erleichterte. Franz von Papen war Mitglied im Deutschen Herrenklub (DHK), einer Vereinigung von Großgrundbesitzern, Großindustriellen, Bankiers, hohen Ministerialbeamten und anderen hochgestellten Personen in der Zeit der Weimarer Republik. Papen war Mitglied der Deutschen Zentrumspartei (zum rechten Flügel gehörend, eher zu den Deutschnationalen passend), bis er mit einem eigenen Austritt einem Parteiauschluss wegen eigenmächtiger Bereitschaft zum Amt des Reichskanzler zuvorkam, aber bis dahin war eine Darstellung möglich, die Deutsche Zentrumspartei würde sich in einem gewissen Ausmaß einbeziehen lassen. Franz von Papen gewann in besonderem Ausmaß die Zuneigung und das Vertrauen Hindenburgs. Hitler war im Ersten Weltkrieg nur Gefreiter gewesen, erschien als demagogischer Parteiführer. Auch wenn Hindenburg im Nationalsozialismus von ihm bejahte »nationale Motive« zu bemerken meinte, stand ihm 1932 Hitler persönlich nicht sehr nahe und war politisch nicht sein Wunschkandidat.
  • Hindenburgs politische Einstellung, der seinem Ursprung nach ein konservativer Monarchist war und in der Weimarer Republik rechtsstehend, aber nicht ganz radikal und extrem rechts/nationalsozialistisch: Hindenburg zog es vor, sich als Reichspräsident als überparteilich über den Streitigkeiten der Tagesangelegenheiten schwebend darzustellen. Hindenburg war kein Nationalsozialist. Papen und Schleicher stand er in der grundsätzlichen Einstellung näher
  • Bedenken gegen Hitler und die Nationalsozialisten wegen harter Maximalforderungen, einer befürchteten einseitigen Parteidiktatur und einer Verschärfung von Spannungen
  • Fehlen einer Notwendigkeit, weil auch die NSDAP allein keine absolute Mehrheit im Reichstag hatte: Hindenburg hat erst nach zwei Versuchen, die darin fehlschlugen, eine stabile Regierungsgrundlage zu erreichen, und nach dem Vorschlag einer von einem Bündnis getragenen Regierung mit Hitler als Reichskanzler, das scheinbar durch Einrahmung unter Kontrolle sein werde, seine Bedenken aufgegeben

Wechsel von Papen zu Schleicher

Als Franz von Papen im Dezember 1932 in politischen Schwierigkeiten war (große Mehrheit im Reichstag gegen ihn), überlegte seine Regierung einen Plan, der einem Staatsstreich gleichkam: Auflösung des Reichstags für ein halbes Jahr ohne Neuwahlen, Regieren mit Vollmachten des Reichspräsidenten (mit Hilfe von Notverordnungen) und gestützt auf Reichswehr und Polizei, Änderung der Verfassung mit autoritäten Umbau, spätere Billigung der Maßnahmen durch Volksabstimmung oder ein Nationalversammlung. Am Ende sollte eine Wiedereinführung der Monarchie stehen. Hindenburg scheute aber vor einem so gefährlichen Vorgehen und einem Verfassungsbruch zurück. Er ernannte Kurt von Schleicher zum Reichskanzler. Franz von Papen behielt allerdings sein Wohlwollen und sein Vertrauen.

Wechsel von Schleicher zu Hitler

Kurt von Schleicher versuchte, mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und einer »Querfront«, dem Gedanken eines »quer« zu den ideologischen Trennungslinien der Parteien liegenden Bündnisses, an dem Reichswehr, Verbände, Vertretungen der Arbeitnehmerschaft (Gewerkschaften und andere Organsationen von Arbeitern, Angestellten und Beamten) und Teilen von Parteien, vor allem kooperationsbereite Leute aus der NSDAP wie Gregor Strasser (Reichsorganisationsleiter der NSDAP) beteiligt sein sollten, die Unterstützung der Regierung zu verbreitern. Der Versuch der »Querfront-Strategie« scheiterte aber und er gewann keine stabile politische Basis.

Eine bloß auf die Konservativen gestützte Regierung Papen (ein Kampfkabinett Papen-Hugenberg), das Hindenburg in seiner politischen Ausrichtung wünschenswert war, würde, wie sich abzeichnete, auf besonders starken Widerstand von fast allen Seiten stoßen.

Hinter der Machtübertragung an Hitler und die Nationalsozialisten stand ein Versuch autoritär-konservativer Kräfte, die Nationalsozialisten für ihre Zwecke zu verwenden (ihn zu engagieren; Unterstützung durch eine Massenbewegung, wobei er und Gleichgesinnte aber den Kurs kontrollieren) und durch eine Übermacht im Kabinett zu kontrollieren (»Zähmung«, »Einrahmung«). Sie vertrauten bei diesem Einrahmungskonzept auf die Eingriffsmöglichkeiten des Reichspräsidenten Paul vom Hindenburg und ihre eigene gesellschaftliche Stellung. Es heißt, Franz zu Papen habe zu Ewald von Kleist-Schmenzin, als dieser ihm vorwarf, die Regierungsgewalt Hitler ausgeliefert zu haben: „Ich habe das Vertrauen Hindenburgs. In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, daß er quietscht.“ Einem Zweifler am Bündnis mit Hitler, so heißt es, der Papen vor dem neuen Herrn warnte, in dessen Hände man sich begebe, erwiderte dieser: „Sie irren sich, wir haben ihn uns engagiert.

Für eine ausreichend stabile Regierung allein der Konservativen fehlte ihnen eine genügend große Massenbasis. Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) allein war mit weniger als 10 Prozent der Stimmen weit von einer Mehrheit entfernt.

Die Sondierungen und Verhandlungen, die Papen mit Nationalsozialisten, und Konservativen (darunter dem Stahlhelm und den Deutschnationalen) führte (auch Hindenburgs Sohn Oskar und der Staatssekretär Otto Meissner erschienen als seine Vertrauensleute, um den Stand zu erfahren und einen Eindruck von Personen zu gewinnen) ergaben, daß die einer Betrauung Hitlers mit der Kanzlerschaft bislang entgegenstehenden Bedingungen aus konservativ-autoritärer Sicht anscheinend erfüllt werden könnten:

  • Bildung einer Regierung der „nationalen Konzentration“, die alle aus Hindenburgs Sicht „nationalen Kräfte“ umfaßte
  • Unterordnung Hitlers unter die Regie des Reichspräsidenten durch Zusammensetzung der Regierung, als Signal gedeutet, sich der Kontrolle und Beaufsichtigung des Reichspräsidenten zu unterwerfen
  • Die neue Regierung steuerte ein konkretes politisches Ziel mit der Auflösung des Reichstages und anschließenden Neuwahlen an.

Die Gegner Schleichers in Parteien und Interessenverbänden (die Großindustrie war dabei darin gespalten, welche politische Lösung sie bevorzugte) verschärften ihre Angriffe. Durch gezielt ausgestreute falsche Gerüchte über einen angeblich bevorstehenden Militärputsch Schleichers und seiner Getreuen wurde der Einigungsdruck Ende Januar erhöht.

Angesichts einer breiten Ablehnung einer Regierung Papen, der Hoffnung, eine Mehrheit konservativer Minister werde Kontrolle ausüben und Machtmissbrauch und politische Abenteuer verhindern, einer scheinbaren Bereitschaft des nationalsozialistischen Parteiführers, sich einer Kontrolle und Beaufsichtigung des Reichspräsidenten zu unterwerfen und Einflüssen ihm nahestehender Personen und Gruppen (z. B. Großagrarier) gab Hindenburg am Ende seine Bedenken auf.

https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/radiowissen/geschichte/hitler-machtergreifung-thema-100.html

Hier das Gezerre um Hitler seine Ernennung zum Reichskanzler.

An Hindenburg selber wird ja auch kein trockener Faden gelassen, geschichtlich kenne ich keine Lobeshymnen auf diesen Mann, außer das er der Held von Tannenburg genannt wird.

Seine eigene Aussage nach, bekam ihm der Erste Weltkrieg wie eine Badekur, sehr seltsam diese Aussage aber bezeichnend für diesen Helden.

Woher ich das weiß:Recherche

Weil die NSDAP den etablierten Parteien unsympathisch bzw. unheimlich war - völlig zu Recht, wie sich später herausstellen sollte.

Naja weil Hitler ja aus seinem Wunsch, der NS-Diktatur kein Geheimnis gemacht hat und Hindenburg sich schon denken konnte wo das endet I guess. Viel mehr kann man dazu eigentlich nicht sagen. LG

ahsar2 
Fragesteller
 28.10.2021, 13:17

Aber bevor seine Macht so viele Stimmen gewann, hatte er alles schön geredet oder? Also ja ich werde dafür sorgen, dass wir keine Reparatur Zahlungen mehr zahlen müssen etc. oder?

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LizenzfireArtZ  28.10.2021, 13:18
@ahsar2

Naja das ist toll wie schön er geredet hat nur hat ihm halt nicht jeder geglaubt. Das war pure Propaganda genau wie zahlreiche andere Dinge die er gesagt hat. LG

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earnest  28.10.2021, 15:32
@ahsar2

Die Reparationen waren 1933 schon Geschichte.

Damit war auch nicht der Reichspräsident befasst.

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Papen verständigte sich mit Hitler hinter dem Rücken von Schleicher. Papen wollte Schleicher stürzen und bot Hitler den Posten des Kanzlers im gemeinsamen Kabinett an. Er glaubte Hitler und die NSDAP könnten die Mehrheit an Wählerstimmen bekommen. Den Rest erledigte nach weiteren Gesprächen mit Hindenburg dann selbiger!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus