Warum empfinden viele die Frage "Woher kommst du?" als unsensibel oder gar rassistisch?

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hey,

Ich würde sagen prinzipiell ist das nicht unhöflich, ich persönlich werde das auch öfter gefragt, weil ich einen nicht deutschen Nachnamen habe, und habe damit kein Problem.

ABER - und du hast es schon angedeutet- der Ton macht die Musik, genauso, wie die äußeren Umstände unter denen diese Frage gestellt wird, oder eventuelle andere aussagen, die in Zusammenhang mit dieser Frage fallen und als unfreundlich aufgenommen werden. Ein relativ berühmtes Beispiel wäre z.B „Woher kommst du“ „München“ „Nein, woher kommst du WIRKLICH“. In diesem Fall ist es der mangelnde Respekt vor dem Wunsch der Person, ihre Nationalität nicht zu teilen und das nachhaken, was meiner Meinung nach unhöflich ist.

Es ist allerdings leider auch so, dass diese Frage eben in vielen Fällen bedeutet, dass man dieser Person ein nicht-deutsches aussehen zugeordnet hat und das könnte verletzend sein für Menschen, die eben gerne in diesem Land dazugehören würden und ständig darauf hingewiesen werden, dass sie anders sind. Nicht jeder ist stolz auf seine Herkunft und selbst die die es sind, möchten vielleicht nicht ständig darauf hingewiesen werden

Ausserdem gibt es auch Personen, die auf Nationalitäten nicht viel wert legen und nicht verstehen, wieso andere das so interessant finden oder was ihre Nationalität für eine Rolle spielt - denn es ändert ja nichts an ihnen als Person.

LG


Yuena  16.06.2022, 09:54
Es ist allerdings leider auch so, dass diese Frage eben in vielen Fällen bedeutet, dass man dieser Person ein nicht-deutsches aussehen zugeordnet hat und das könnte verletzend sein für Menschen, die eben gerne in diesem Land dazugehören würden und ständig darauf hingewiesen werden, dass sie anders sind. Nicht jeder ist stolz auf seine Herkunft und selbst die die es sind, möchten vielleicht nicht ständig darauf hingewiesen werden
Ausserdem gibt es auch Personen, die auf Nationalitäten nicht viel wert legen und nicht verstehen, wieso andere das so interessant finden oder was ihre Nationalität für eine Rolle spielt - denn es ändert ja nichts an ihnen als Person.

Word! Besser kann man es nicht formulieren.

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Ich habe deine Frage erst jetzt entdeckt, und möchte unbedingt darauf antworten, weil mir dieses Thema auch sehr am Herzen liegt und ich so meine Gedanken dazu habe.

Nämlich verstehe ich es überhaupt nicht, dass man diese Frage, wohlbemerkt wenn sie auf richtige menschliche Weise gestellt ist, falsch versteht.

Wenn ich jemand so etwas frage, dann immer, weil es mich eben interessiert, wo dieser Mensch herkommt. Auch wenn es "ursprünglich" gemeint ist, also wenn sie oder er schon in Deutschland (oder in meinem Fall Österreich) geboren wurde, aber das Aussehen oder sonst etwas eher woanders hinpassen würde. Ich interessiere mich ja auch dafür, wenn jemand zB einen Akzent hat, von welchem Land sie oder er sein könnte. Auch wenn es sich um einen deutschsprachigen Dialekt handelt, finde ich dies immer sehr interessant.

Warum also sollte man diese Frage grundsätzlich rassistisch verstehen ? Vielleicht sind manche zu sensibel oder wollen sie vielleicht absichtlich falsch verstehen ? Oder es ist einfach trotzdem leider so, dass sie viele mit falschen Ton stellen.

Dazu habe ich auch Geschichten:

Ich war mal bei der Zahnärztin, und eine neue junge Assistentin war dort, mit der ich am Beginn der Behandlung alleine im Zimmer war. Um also etwas zu reden, fragte ich sie, woher sie komme, und sie antwortete, dass sie von einem Ort in der Nähe sei. Ich fragte dann nicht weiter, und eine Weile später ergänzte sie, dass sie ursprünglich aus Rumänien sei. Dies aber eher verhalten. Ich fragte mich, wieso, und erzählte ihr, dass ich als Kind meinen ersten Meerurlaub am Schwarzen Meer, ebenfalls in Rumänien , verbracht habe. Das konnte aber dann am ursprünglichen Gefühl von ihr wohl nichts mehr verbessern. Mich hatte das aber ehrlich interessiert und ich wollte keinesfalls nachfragen, "von wo die dahergekommen sei" oder so. Leider wird dies aus gewissen Ländern, von denen Leute aus wirtschaftlichen Gründen eher zu uns kommen, eben meist so aufgefasst.

Ein weiteres , interessantes Beispiel habe ich: Als ich vor ein paar Jahren mal in einem Supermarkt wartete, standen hinter mir 2 junge Frauen, die sich abwechselnd auf deutsch und dann mit Fetzen einer anderen Sprache unterhielten. Da es sonst in dieser Warteschlange nichts zu tun gab und ich zwangsläüfig zugehört hatte, fragte ich sie aus Interesse, "welchen interessanten Sprachmix" sie denn da redeten. Diese beiden fassten es aber laut meinem Empfinden keineswegs schlecht auf, sondern erklärten mir, dass die andere Sprache kroatisch sei. Ich meinte dann, dass ich es gut fände, wenn sie sich damit flexibel unterhalten könnten und es eben interessant klingt. So etwas habe ich seitdem öfters gehört , und auch schon Berichte gesehen, dass Menschen, die woanders aufgewachsen sind, und später mit den Eltern woanders hingezogen waren, oft weder da noch dorthin wirklich gehören. Also sich quasi nirgends zu Hause fühlen und sich auch in keiner der beiden (oder mehreren Sprachen die sie je gesprochen haben) exakt ausdrücken können. Auch gesellschaftlich werden solche Menschen oft in sowohl dem einen als auch dem andern Land als "fremd" betrachtet.

Eigentlich schade, aber leider auch wegen der allgemeinen Situation in Europa vielleicht verständlich, gibt es eben bei diesem Thema immer wieder Missverständnisse. Ich versuche trotzdem, mir das Interesse möglichst zu erhalten, und nachzufragen, wo jemand seinen Ursprung hat. Eher eben, um zu forschen und nicht, um zu kritisieren.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

beksinski 
Fragesteller
 06.04.2023, 16:55

Zunächst einmal: Vielen lieben Dank, für die ausführliche Antwort deinerseits und dass du auch zwei Situationen bzgl. diesen Themas teilst, auch wenn die Frage nun schon etwas älter ist. Das schätze ich sehr! Grade weil dieses Thema auch nach wie vor für mich sehr aktuell ist und ich mir darüber auch Gedanken machen möchte um auch gerne mehr darüber zu lernen.

Ich habe auch in meinem näheren Umfeld eine Freundin, die in Venezuela zwar geboren wurde aber darauf einfach selbst nicht stolz ist und auch nicht mit dem Land weiter assoziiert werden möchte, da sie ihre Kindheit und ihr ganzes restliches Leben in Österreich verbracht hatte.

Solch eine Frage stelle ich auch nur mit Bedacht und mit der nötigen Sensibilität, weil ich es, durch das genannte Beispiel oben und weil es eben eine Person meines näheren Umfelds ist, auch ein wenig besser nachvollziehen kann.

Ich denke einfach, man sollte ein gewisses persönliches Gefühl und eine gewisse Sensibilität dafür entwickeln, wie man jemanden was fragen sollte und darf. Man sollte nicht wie ein Büffel mit der Tür ins Haus fallen und das Gegenüber in eine Schublade stecken. Das finde ich auch unter aller Sau.

Aber es kommt wohl einfach auf die Situation und auch ein wenig auf die eigene Menschenkenntnis an. Aber ich denke, man kann auch als angesprochene Person sehr gut raushören, wie diese Frage gemeint ist. So zumindest beschreiben mir das alle Menschen in meinem Umfeld, die eine solche Frage bereits gestellt bekommen haben.

Nochmals danke dass du dir die Zeit für eine solch ausführliche Antwort genommen hast! :)

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PatrickOm  06.04.2023, 17:24
@beksinski

Danke, mich freut es ebenfalls, dass wir das ähnlich sehen und ich finde auch immer, dass man gerade hier sehr gut über solche Themen schreiben kann.

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Ich verstehe, dass das total nerven kann, wenn die eigene Familie schon seit 5 Generationen hier lebt, und man selbst kaum Bezug zu der Herkunft der Familie hat und man skwas trotzdem dauernd gefragt wird, weil man nicht "deutsch genug" aussieht.

Und das geht einen übelst auf die Nerven, wenn du das immer und immer wieder gefragt wirst oder - schlimmer noch - du direkt von Fremden in irgendwelche Nationalitäten automatisch zugeordnet wirst und nichts stimmt auch nur im Ansatz.

Ich trage zwei Nationalitäten in mir, ein Elternteil ist deutsch und eines südländisch. Habe aber immer in Deutschland gelebt und hab zum südländischen Teil keinerlei Bezug.

Dennoch kommen immer die Südländischen Männer zu einem und fragen entweder welche Landsfrau ich bin oder sie gehen automatisch von aus, ich gehöre deren Nationalität an. Frag mich nicht, wie oft ich z.B. auf Türkisch oder Italienisch random zugelabert wurde. Ich habe schon aufgehört zu zählen.

Aber ich versuche wirklich, vorsichtig zu fragen, weil es mich einfach interessiert. Und ich kann ja auch nicht riechen, ob diese Person nun deutsch ist oder erst seit ein paar Monaten hier lebt.

Das kannst du aber leicht raushören. Ob die Person einen ausländischen Akzent hat beim Sprechen z.B. oder fließend deutsch spricht. Das hört man raus.

Ich wurde auch auf der Arbeit oft von älteren Deutschen aus Neugierde gefragt, woher ich denn komme und wenn ich sage, woher der eine Elternteil kommt gingen sie sofort davon aus, ich kenne mich in dem Land bestens aus und könne denen tolle Urlaubsziele verraten usw. Als wäre ich so eine Reiseführerin. Dabei arbeite ich nicht mal in dem Bereich. Oder sie kommen mit so blöden Vorurteil behafteten Fragen, die ich hier besser nicht aufzählen möchte.

Und gerade da muss man immer freundlich bleiben. Ist ja die Arbeit. Mein Namensschild habe ich dann ganz "zufällig" verloren, wegen meines ausländischen Nachnamens wurde ich nämlich immer auf der Arbeit angesprochen (weil bei uns auf der Arbeit kaum eine Mitarbeiterin deutsch ist).

Würdet ihr das dann trotzdem als unsensibel bezeichnen oder würde euch das verletzen, auch wenn meine Intention, die Frage zu stellen eine ganz andere ist, als nur einen blöden Kommentar abzugeben? Oder wie sollte man eine solche Frage anders stellen?

Ich würde die Frage gar nicht stellen. Im Grunde genommen geht dich das ja auch gar nichts an. Wenn jemand Interesse dran hat, drüber zu erzählen wird er es schon von sich aus mitteilen.


beksinski 
Fragesteller
 16.06.2022, 09:47

Hm, ich empfinde das leider nicht so, dass diese Frage ein komplettes Tabu sein sollte. Man sollte doch miteinander offen kommunizieren können, denn Kommunikation schafft ja Offenheit.

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Yuena  16.06.2022, 09:51
@beksinski

Das kannst du bei Bekannten und bei Freunden oder deinem Partner oder Partnerin machen. Aber nicht bei fremden Leuten, die du nicht kennst.

Da ist Anstand und Diskretion gefragt und mit Anstand hat diese Frage nun gar nichts zu tun.

Wie du es findest ist auch - sorry -vollkommen irrelevant, du bist nicht die betroffene Person sondern der Auslöser. Was wichtig ist, ist, wie es für den Gegenüber ankommt und du merkst selber, dass es durchgehend negativ behaftet ist. Zu Recht. Du wolltest es wissen. Hier hast du die Antwort von einer betroffenen Person.

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beksinski 
Fragesteller
 16.06.2022, 09:58
@Yuena

Das stimmt natürlich absolut. Ich gehe klar nicht auf jemand komplett fremdes zu und sage: "Ey wo kommst du eigentlich WIRKLICH her? Schaust aber net deutsch aus?!" Das geht natürlich garnicht.

Und ich bin sehr froh, dass auch du als betroffene Person deine Ansicht teilst. Nur finde ich nicht, dass meine Ansicht irrelevant ist, wenn ich doch selbst solche Fragen gestellt bekomme. Ich selbst empöre mich jetzt allerdings nicht über solche Fragen aber das empfindet natürlich jeder anders und das ist ja auch okay.

Aber lieben Dank für deine Antwort! :)

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Nein gar nicht. Ich werde allein schon wegen meines Namens gefragt, woher ich komme und empfinde das weder als nervig noch als unhöflich.

Ach, immer diese unnötigen Empfindlichkeiten. Ich bin aus Hamburg, lebe seit Jahrzehnten in München und werde sehr oft gefragt, wo ich denn herkomme, da ich nicht bayrisch rede. Wo ist das Problem?

Nur wenn es um nicht deutsche geht, wird alles dramatisiert und sofort in die rassistische Schublade gesteckt. Frag einfach weiterhin!


martialarts1234  16.06.2022, 10:55

Das kannst du wirklich nicht ernst meinen. Vielleicht weil Hamburger keinen Rassismus erfahren? Dunkelhäutige oder farbige Menschen leben aber dauernd unter Vorurteilen, wenn man dann bei jeder Begegnung gefragt wird wo man wirklich herkommt kann das echt störend sein, weil man sich so immer ein bisschen "anders" fühlen muss. Das Problem ist, dass du es als weiße Person nicht nachvollziehen kannst wie sich Rassismus anfühlt auch wenn es in diesem Fall eher harmlos ist.

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