war Lenin ein guter oder schlechter mensch?

8 Antworten

Das ist nicht so ganz leicht zu beantworten, würde ich meinen.

Er hatte sicherlich gute ABSICHTEN. Ob dann der Versuch der Umsetzung dieser Absichten so besonders gelungen und die Wahl der Mittel gerechtfertigt war, ist eine gänzlich andere Frage, die die konkreten historischen Umstände der Jahre 1917-1923 betrifft.

Denn wenn man lenins politisches Handeln sinnvoll begreifen will, muss man dies im Kontext des faktischen Auseinanderbrechens des Russischen Reiches in Folge des ersten Weltkriegs und in Folge der katastrophalen Zustände dort tun.

Durch die Probleme die der Krieg veruracht hatte (einziehung von Millionen Bauern als Soldaten, Abnutzung des Eisenbahnsystems, faktischer Staatsbankrott) litt die russische Bevölkerung bereits Anfang 1917 massiv an Hunger, entsprechend folgte dann irgendwann das politische Chaos.

Aus dem Wiederrum gingen die Bolschewiki als stärkste Kraft auf der linken Seite hervor, nur konnten sie bei weitem noch nicht schalten und walten wie sie wollten, weil sie eben nicht die einzige Gruppierung waren, die nach der Macht griffen, folglich kam es zum Bürgerkrieg und der wurde auf allen Seiten exzessiv geführt.

Man kann Lenin vorwerfen, dass er mit dem staatsstreichartigen Vorgehen gegen die konstituierende Versammlung im Oktober/November eine demokratische Entwicklung Russlands verhindert habe.

Dem ist von verschiedener Seite aber auch entgegengehalten worden, dass bei der Kräfteverteilung in 1917 diese ohnedies keine Zukunft gehabt hätte. Begründet wird das dann gängiger Weise damit, dass sich niemand fand die Demokratie zu verteidigen, denn sonst hätten die Bolschewiki mit den 10.000 Männekes, die sie damals hatten niemals Petersburg in ihre Gewalt bringen können.

Eine größere Massendemonstration oder 1-2 Regierungstreue Regimenter in der Stadt und das, was später "Oktoberrevolution" genannt wurde, wäre eine Slapstick-Einlage von ein paar Tagen gewesen und für die Beteiligten im Knast oder auf dem Schaffott geendet. Auch waren die Bolschewiki ja durchaus nicht die einzige Gruppierung, die der Meinung waren, sie hätten welches Recht auch immer die Macht zu übernehmen.

Insofern kann man ein Vorgehen der Bolschewiki gegen demokratische Institutionen konstatieren, gleichwohl ist es spekulativ, ob sie damit einer weiteren demokratischen Entwicklung den Todesstoß versetzten oder diesen nach Lage der Dinge einfach nur früher herbeiführten als andere Putschisten. Wie instabil und Wehrlos die vormalige Regierung Kerenskij war, hatte sich bereits im Rahmen der "Kornilow-Affäre" gezeigt.

Was das weitere betrifft, ist zu sehen, dass Lenins Regierungszeit maßgeblich von den Umständen des Zusammenbruchs und des Bürgerkrieges geprägt war. Deswegen ist zwar richtig, dass während Lenin in einem Teil Russlands die Macht innehatte Millionen von Menschen zu Tode kamen, indes trifft der dadurch suggierierte Schluss, dass es sich dabei um Opfer von Lenins Politik gehandelt hätte nur auf einen geringen Bruchteil davon zu.

Die Versorgungslage und die sich verschlimmernde Hungerkatastrfe, so wie der Bürgerkrieg waren die Hauptursachen des Leids.

Die Versorgungskrise war in vielerlei Hinsicht ein Erbe des Weltkriegs und des Zusammenbruchs auch der Infrastruktur, wofür die Bolschewiki ursächlich nichts konnten (ob ihre Politik indes dazu geeignet war das möglichst schnell zu beheben, ist eine gänzlich andere Frage). In wie weit der Bürgerkrieg auf Lenins Kappe geht, ist auch streitbar, weil auf der einen Seite die Oktoberrevolution sicher einen Reizpunkt dahingehend setzte, andererseits die "Weißen Generäle" mitnichten um die Wiederherrstellung der Demokratie kämpften, sondern vorwiegend für ihren eigenen Machtanspruch, in Teilen befehdeten sie sich auch gegenseitig. Mit dem Anspruch selbst eine Art Diktatur zu errichten im Kreuz, hätten diese auch geputscht, wenn Lenin das und Genossen das nicht zuvor getan hätten und ihr Anspruch auf Macht war ähnlich illegitim wie der der Bolschewiki.

Bleiben die während des Bürgerkrieges angeordneten Grausamkeiten, die vor allem dazu dienten die politischen Feinde aus dem Feld zu schlagen und die Versorgung der großen Städte sicher zu stellen.

Im Hinblick auf die Gewat gegen die Bauern kann man den Bolschewiki sicherlich Grausamkeit attestieren. Dann wird man ihnen aber auch konzedieren müssen, dass Petersburg und Moskau von der Lebensmittelversorgung weitgehend abgeschnitten waren, der gesamte Wirtschaftsraum des Zarenreichs durch die Gebietsverluste des Brest-Litowsker Friedens vollkommen durcheinandergeraten waren, die BEvölkerung der Großstädte hungerte und die Staatskassen aus denen der verlorene Weltkrieg finanziert worden war, leer waren.

Heißt man musste die Städte versorgen, ohne die Möglichkeit zu haben Lebensmittel anzukaufen oder zusehen, wie die Bevölkerung der Großstädte verhungert. Daraus erklären sich die Requirierungen an sich, nicht allerdings die grausame Art derselbe. Dem wird man allerdings entgegnen können, dass die Infrastruktur in Russland auch in Sachen Kommunikation dermaßen schlecht war, dass eine genaue Kontrolle des Vorgehens auf Provinzebene von der Zentrale her kaum zu überschauen und damit auch schwerlich zu kontrollieren war.

Das gilt im Übrigen, damit es hier nicht so aussieht, als sollten die Roten einseitig entschudet werden auf der weißen Seite genau so.

Ansonsten war es ein sehr blutiger Bürgerkrieg, der nun aber keinen Politikstil beschreibt, sondern hier griffen die Ereignisse den Planungen vor und dies ebenfalls auf allen Seiten.

Im Hinblick auf die Gesetzgebung kann man das Leninregime sehr ambivalent sehen.

Auf der einen Seite waren da eine mächtige Geheimpolizei und starke Beschränkungen der individuellen wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten. Auf der anderen Seite gab es aber auch sehr fortschrittliche Gesetze, wie etwa die Gleichberechtigung von Frauen oder die Legalisierung von Homosexualität, sprich Entwicklungen, die in Teilen Westeuropas und in den USA noch an die 40 Jahre brauchten, bis sie ebenfalls da ankamen.

Will heißen, man könnte als für Lenins Regime charakteristisch bezeichnen, dass die wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten der Bevölkerung beschnitten, ihre sozialen Entwicklungsspielräume aber erweitert wurden.

Die Politik selbst war nicht demokratisch, gleichzeitig war sie zu Lenins Zeiten (Stalin ist eine vollkommen andere Nummer) auch nicht wesentlich autokratischer, als man das aus dem Zarenreich gewohnt war, in Teilen war sie offener.

Die Requirierungskampagnen schadeten den Bauern, retteten dafür allerdings auch veritable Teile der Stadtbevölkerungen vor dem Verhungern.

Ich habe versucht das einigermaßen kurz im Hiblick auf das für- und wider und, wie ich hoffe einigermaßen neutral darzustellen.

Wenn ich ein Urteil abgeben sollte ob ich Lenin positiv oder negativ sehe, würde ich ihn aus den Umständen seiner Zeit heraus leicht positiv sehen.

Natürlich bin ich kein Fan von diktatorischen Systemen.

Die realistischen Alternativen anno 1917 bis 1921 lauteten aber nicht Demokratie oder Diktatur, sondern rote Diktartur oder weiße Diktatur.

Ich würde mich vor diese Wahl gestellt für die Rote Diktatur entscheinden, weil ich meine, dass die von den Bolschewiki zum damaligen Zeitpunkt protegierten Persönlichkeitsrechte, im Besonderen die Gleichberechtigung der Frauen und die Abschaffung des Adels und dessen Privilegien, ein höheres Gut darstellen, als die Möglichkeit frei seinen wirtschaftlichen Interessen nachzugehen, aber dies innerhalb eines aristokratisch organisierten und diskiriminierenden Ständesystems, wie es bei einem Sieg der Weißen zu antizipieren gewesen wäre.

Er war sicherlich davon überzeugt, das Richtige zu tun.

Gruß Than

SaltP  14.07.2019, 21:23

das war adolf auch.. und nun?

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ThanatosBell  14.07.2019, 21:26
@SaltP

Nichts weiter. Es gibt ja auch kein objektiv gut oder böse. Und ich kenne mich mit Lenins Taten nicht so gut aus.

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SaltP  14.07.2019, 21:27
@ThanatosBell

du irrst... es gibt sehr wohl schwarz und weiss.
Lenin war ein mörder, ein psychopath.. er hat in seinen kolumnen genozide gefordert.

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ThanatosBell  14.07.2019, 21:27
@SaltP

Natürlich gibt es schwarz und weiß. Aber das ist subjektiv.

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Er hat -direkt und indirekt (Befehle, Veranlassungen)- Millionen Menschen auf dem Gewissen. Wenn er denn überhaupt ein "Gewissen" hatte.

Was heißt hier gut oder schlecht, Lenin war ein Anwalt des Proletariats, ob auch der Bauern, das lass ich mal dahingestellt, schließlich fehlte da die entsprechende Nagelprobe.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Innerhalb meines Studiums hatte ich viel mit Politik z utun