Von Notarzt abgewimmelt?


31.03.2022, 18:01

Hat sich geklärt

6 Antworten

Zunächsteinmal, man wird nicht vom "Notarzt abgewimmelt". Unter der Notrufnummer 112, erreicht man eine Rettungsleitstelle oder eine integrierte Leitstelle (ILS) für Feuerwehr und Rettungsdienst. Dort arbeiten Leitstellendisponenten, die eine rettungsdienstliche Ausbildung, in der Regel als Notfallsanitäter oder als Rettungsassistent absolviert haben, die in der Regel über eine mehrjährige Berufserfahrung im Rettungsdienst verfügen und zusätzlich an einer speziellen Zusatzausbildung zum Leitstellendisponenten teilgenommen haben. Disponenten in einer integrierten Leitstelle, müssen darüber hinaus auch noch eine feuerwehrtechnische Ausbildung absolviert haben, da sie auch die Einsätze der Feuerwehr koordinieren. Offensichtlich, hat der Disponent aus welchen Gründen auch immer im konkreten Fall keinen Anlass dazu gesehen, ein Rettungsmittel zu entsenden. Wenn sich die Person nun wirklich das Leben nimmt, dann kann er wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß §323c Strafgesetzbuch (StGB) und aufgrund von seiner Garantenstellung gemäß §13 StGB sogar auch wegen "Tötung durch Unterlassung" angeklagt und verurteilt werden.

Wenn ein Rettungswagen (RTW) kommt, dieser ist mit einem Notfallsanitäter oder je nach Bundesland aktuell übergangsweise auch noch mit einem Rettungsassistenten als verantwortlichem Transportführer und in der Regel mit einem Rettungssanitäter als zweiter Person und zugleich Fahrer besetzt, dann würde das nichtärztliche Rettungsfachpersonal zunächst versuchen, den Patienten von einem freiwilligen Transport in ein psychiatrisches Krankenhaus zu überzeugen. Scheitert dies, dann müsste ein Notarzt hinzugezogen werden, da die Einschätzung der Suizidalität eines Menschen eine ausschließlich ärztliche Aufgabe ist. Da der Notarzt selber jedoch kein Facharzt für Psychiatrie ist, möchte er in der Regel die Verantwortung nicht tragen und pocht daher allermeist auf die Vorstellung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Auch der Notarzt würde zunächst versuchen, den Patienten von einem freiwilligen Transport dorthin zu überzeugen und oftmals, wirkt bei uneinsichtigen Patienten alleine die Anwesenheit eines Notarztes schon Wunder und der Patient, stimmt einem freiwilligen Transport zu. Tut er dies jedoch nicht, so müsste im nächsten Schritt dann die Polizei hinzugezogen werden, denn ausschließlich dieser ist es rechtlich gestattet, unmittelbaren (körperlichen) Zwang anzuwenden. Die Polizei würde und müsste den Transport dann auch begleiten, da dieser Zwang nicht delegierbar (übertragbar) ist sondern nur von der Polizei höchstpersönlich ausgeübt werden darf.

Problematisch ist bei Suizid- Einsätzen jedoch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2020, denn danach, gibt es in Deutschland ein Recht auf Suizid. Im Kern lautet der Beschluss: "das im Grundgesetz verankerte, allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht ist nicht an das Vorliegen einer schwerwiegenden, unheilbaren Erkrankung gebunden sondern nur daran, dass der Betroffene nach seinen eigenen, individuellen Maßstäben sein Leben nicht mehr für lebenswert erachtet. Der Staat darf keine Gründe vorgeben, wann jemand Suizid begehen darf und wann nicht!". Das Bundesverfassungsgericht ließ dem Gesetzgeber allerdings offen, gesetzliche Regelungen zu schaffen, welche zum Beispiel die vorherige Untersuchung durch einen Psychiater vorschreiben. Gegenwärtig, existiert eine solche gesetzliche Regelung allerdings nicht. Dies bedeutet, sofern die Person "nur" von ihrem verfassungsgemäßen Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben Gebrauch macht, macht man sich strafbar, wenn man sie hieran hindert. Unter anderem, kann die Person dann im Nachgang Strafanzeige wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und ggf. auch wegen (gefährlicher) Körperverletzung gegen die Beteiligten erstatten. Auf der anderen Seite, macht man sich allerdings auch wieder strafbar, wenn die Person an einer psychischen Erkrankung litt und man ihr nicht geholfen hat. Rechtlich gesehen, sind solche Einsätze also ein sehr heikles Thema für die Beteiligten.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.

Bei einem Suizidversuch braucht man auch keinen Notarzt, sondern einen Psychologen.

Der Mann beim Notarzt hat dann aber 

Der was? Meinst du die Rettungsleitstelle? Dann hat die Rettungsleitstelle also keine Notfallindikation gesehen. Ohne den Inhalt des Gesprächs zu kennen, lässt die Reaktion nicht beurteilen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Seit über 10 Jahren RA/NFS beim DRK

Normal wendet man sich da an einen Psychologen. Bspw den Sozialpsychiatrischer Dienst.

Zeig ihn unbedingt wegen unterlassener Hilfeleistung an