Utilitarismus -Glück nur an Anzahl der Beteiligten messen?

3 Antworten

Das ist nicht wirklich relevant. Erstens ist „Glück“ für jeden etwas anderes, und zweitens ist diese Hypothese einfach zu widerlegen: Angenommen ich hätte 1 Milliarde Euro. Nun verteile ich das das Ganze an 1 Million Leute, jeder kriegt 1000 EUR. Wäre ich dann glücklich, oder die vielen Leute, die das bekommen hätten? Sie würden sich mal wundern und kurz freuen, oder kurz glücklich sein, ansonsten bliebe alles beim Alten.

Lenaanika 
Fragesteller
 25.04.2020, 17:54

Danke :) das Beispiel hat mir weitergeholfen! Und ja also sehr Relevant fand ich die Frage jtz auch nicht aber ich brauchte des für die Schule 🤓

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Der »klassische« Utilitarismus wurde im 19. Jahrhundert von Jeremy Bentham begründet und enthält als Grundsätze:

a) Konsequentialismus: Die Beurteilung, was in ethischer Hinsicht richtig und gut ist, hängt von den Folgen (Konsequenzen) einer Handlung ab.

b) Nützlichkeitsprinzip: Handlungen werden nach ihrer Nützlichkeit beurteilt. Es geht um gute Folgen, aber das Nützliche ist eine Zweck-Mittel-Beziehung und bedarf zu einer inhaltlichen Bestimmung eines Kriteriums/eines Maßstabes. Inhaltlich aufgefüllt wird das Nützlichkeitsprinzip mit einer Theorie des Guten: Eine Handlung ist moralisch richtig, wenn sie das Glück fördert/vermehrt (die Tendenz dazu hat, also in diese Richtung geht) und falsch, wenn sie in der Summe ihrer Folgen überwiegend Unglück hervorruft.

c) Eudaimonismus: Glück (griechisch: εὐδαιμονία [eudaimonia] = Glückseligkeit) ist das höchste Lebensziel.

d) Hedonismus (griechisch: ἡδονή [hedone] = Lust, Freude, Vergnügen, Genuß): Der Nutzen wird als Glück bestimmt und dieses als Lust bzw. Freude, Vergnügen, Annehmlichkeit, Gefälliges oder Ähnliches.

e) Universalismus/Universalität (ein Prinzip der Allgemeinheit): Alle Betroffenen sind zu berücksichtigen, das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl ist anzustreben.

Jeremy Bentham nimmt als Ausgangspunkt: Menschen streben Glück/Lust/Befriedigung an und möchten Unangenehmes/Schmerz/Leid vermeiden. Die Menschen sind grundsätzlich gleichberechtigt („Jeder zählt für einen und keiner mehr als für einen.“). Die grundlegende Orientierung und das Motiv ist für die einzelnen Individuen die eigene Befriedigung/das eigene Wohlbefinden.

Auch die Interessen anderer Menschen werden berücksichtigt (Wohlwollen und eine Art Sozialprinzip), aufgrund der Vernunft (wohlverstandenes Eigeninteresse) und gegebenenfalls durch Sanktionen (Strafen bei Nichtbeachtung) nahegelegt.

Glück wird als ein Empfindungsglück verstanden. Maßstab in der Ethik ist die Menge dieses Glücks. Damit ist ein quantitatives Kriterium aufgestellt. In einem hedonistischen Kalkül (das einer rationalen Wahl dient) wird nach Bentham zusammengerechnet/abgewogen, was von einer Handlung an Glück zu erwarten ist. Empfindungen der Lust/Freude werden dabei als positiver Wert hinzugefügt, Empfindungen der Unlust/des Schmerzes/des Leides als negativer Wert abgezogen. In der theoretischen Annahme ist die Berechnung quantitativ. Die Handlungsalternative mit dem höchsten Wert ist die richtige. Bentham verwendet quantitative (bzw. nach seiner Meinung quantifizierbare) Gesichtspunkte. Der Vorgang wird bei allen, deren Interessen betroffen sind, wiederholt und die Tendenz für die ganze Anzahl der Gemeinschaft der betroffenen Individuen ermittelt.

Als Kriterien/relevante Faktoren/Gesichtspunkte nennt er bestimmte Umstände (circumstances) bzw. Elemente/Bestandteile (elements):

1) Intensität (intensity)

2) Dauer (duration)

3) Gewissheit/Ungewissheit (certainty/incertainty), also Wahrscheinlichkeit des Eintretens der Folge

4) (zeitliche) Nähe/Ferne (propinquity/remoteness)

5) Fruchtbarkeit/Erfolgsträchtigkeit (fecundity): Möglichkeit, daß eine Lust/Freude weitere Lust/Freude nach sich zieht

6) Reinheit (purity): Möglichkeit, daß die Freude durch ein damit verbundenes Leid getrübt wird

7) Ausmaß/Verbreitung/Wirkungsradius (extent): Anzahl der Betroffenen, auf die sich die Handlung erstreckt/die von ihr betroffen sind

Beurteilung, ob das größtmögliche Glück sich nur an der Anzahl der beteiligten Menschen messen lässt

Die Aussage halte ich in dieser Ausschließlichkeit für nicht zutreffend. Beim Utilitarismus spielt allerdings auch die Menge an Glück für die einzelnen Betroffenen eine Rolle, diese wird ja in die berechnete Gesamtbilanz (hedonistisches Kalkül) einbezogen (die Formulierung der utilitaristischen These in der Fragebeschreibung ist daher etwas ungenau). Ein Argument, dem Utilitarismus eine teilweise Zustimmungsfähigkeit und eine vorteilhafte Seite zuzubilligen: Grundsätzlich ist ein Utilitarismus mit einem Streben nach dem größtmöglichen Glück der größtmöglichen Zahl keine abwegige ethische Orientierung.

Im Rahmen des Utilitarismus kann der Kreis der von einer Handlung und ihren Folgen Betroffenen, deren Wohlbefinden zu berücksichtigen ist, auch über die Menschen hinaus auf die Tierwelt ausgedehnt werden.

Praktisch kann die Quantität von Glück nicht genau gemessen werden, weil es für subjektive Empfindungen keine genauen Instrumente und verrechenbare Einheiten gibt. Außerdem kann die Zukunft nicht genau vorhergesehen werden. Es sind also in der Praxis nicht mehr als bestenfalls annäherungsweise Einschätzungen möglich.

Einwände gibt es gegen den Glückbegriff/das Glücksverständnis Utilitarismus: Wie in vielen modernen ethischen Theorien wird Glück als ein eher kurzzeitiges und subjektives Empfindungsglück verstanden. Der Glückbegriff kann aber erweitert werden, indem auch ein Glück der Dauer und eines guten Lebens/Wohlergehens, bei dem eine gute Entfaltung von Anlagen/Fähigkeiten eine Rolle spielt, einbezogen wird. Empfindungsglück wäre ein dabei eingeschlossener Teil.

Lust/Freude ist ein Glücksbestandteil. Das Lustvolle kann aber nicht einfach mit dem Guten gleichgesetzt werden. Was in einem Augenblick als gut erscheint, ist dies nicht unbedingt in Wirklichkeit (z. B. wegen in dem Augenblick ausgeblendeter schädlicher Folgen, irriger Überlegungen, kurzfristig orientierter Selbstsucht unter Außerachtlassen der anderen).

Wünsche enthalten nicht unbedingt etwas wirklich Gutes. Nicht alles, woran empirisch gesehen subjektives Interesse von irgendjemand bestehen kann, verdient auf einleuchtende Art, gleichermaßen in die Berechnung Eingang zu erhalten. Wünsche, Herrschsucht oder Eitelkeit zu befriedigen, Neid auszuleben, Aggressionen hemmungslos Raum zu geben, Gewaltvorstellungen umzusetzen, zu zerstören und zu quälen, müssten mit gleicher Gewichtung berücksichtigt werden, wenn unterschiedslos alles als Interesse Geltung erhält, unsoziale Interessen ebenso wie soziale (sozial akzeptable Interessen; für die Gemeinschaft eintretende Interessen) Interessen. Wenn jemand besonders starke Lust/Freude an Grausamkeiten bzw. jemand intensive Wünsche dazu hat, würde dies einen hohen Wert in der Nutzenberechnung bedeuten. Wünsche und Interesse als auftretende Erscheinungen sind alleingenommen keine ausreichende Grundlage. Allgemeines Wohlergehen soll ja erreicht werden und unsoziale Interesse sind dabei schädlich. Nötig ist eine Theorie zur kritischen Unterscheidung zwischen scheinbaren/vermeintlichen und tatsächlichen/echten/wahrhaften Interessen, zwischen beliebigen Möglichkeiten menschlichen Verhaltens und einem Verhalten, das Anlagen zu individueller Selbstverwirklichung und Leben in einer Gemeinschaft zu Entfaltung und Erfüllung bringt, um wirklich eine vernünftige Bestimmung des Glücks vorzunehmen.

Im Utilitarismus gibt es keine Sicherung indivdueller Rechte durch klare Grenzziehung, die etwas als ethisch nicht erlaubt verbietet. Im Utilitarismus kann zwar für Grundrechte (Menschen- und Bürgerrechte) ein großer Nutzen dargelegt werden, aber es gibt keine Prinzipien, die eine klare Grenze festsetzen, deren Überschreitung ethisch nicht erlaubt ist. Was als gut und richtig gilt, bleibt von der Gesamtbilanz des Nutzens abhängig. Freiheiten einzelner Personen können unter Berufung auf einen Gesamtnutzen weggenommen werden. Tötungen Unschuldiger können als erlaubt erklärt werden, wenn dadurch die Rettung einer größeren Anzahl erwartet wird. Wenn z. B. ein Flugzeug mitsamt Passagieren entführt wird und damit ein Anschlag ausgeführt zu werden droht, kann ein Abschießen befürwortet werden. Folter kann für zulässig erklärt werden, um an eine Information zu gelangen, die mutmaßlich sehr nützlich ist. Es gibt kein striktes Folterverbot als Verstoß gegen die Menschenwürde.

Eine nicht wirklich lösbare Schwierigkeit ist für einen reinen Utilitarismus die Frage der Gerechtigkeit, weil bei der Verteilung des Gesamtnutzens auf Individuen keine Gerechtigkeit gewährleistet ist. Bei der Verteilung des Gesamtnutzens auf Individuen ist eine offensichtlich faire Verteilung nicht gewährleistet. Beim reinen Utilitarismus können individuelle Rechte, wenn Betroffene in der Minderheit sind, auf der Strecke bleiben. Denn wie die durch eine Handlung ausgelöste Menge an Freude/Lust und Leid/Schmerz/Unlust auf alle von einer Handlung betroffenen Individuen verteilt wird, ist für den Gesamtnutzen oft in beträchtlichem Umfang unerheblich. Eine sehr ungleiche Vermögensverteilung könnte erlaubt erscheinen, wenn die Gutgestellten starken Nutzen davon haben und sich sehr freuen, völlig unabhängig, wie fair es dabei zugeht. Ob eine einzelne Person es mehr als andere verdient hat, etwas zugeteilt zu bekommen, ist für die Bilanz des Gesamtnutzens unerheblich.

Nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität des Glückes spielt bei Bentham eine Rolle glaube ich.

Das Problem ist einfach das es meistens nicht umsetzbar ist. Wie will man denn wissen wer mehr Glück oder weniger Leid empfindet. Es ist so subjektiv, dass das nur in den simplesten Fällen wirklich funktioniert.

Albrecht  26.04.2020, 15:10

Nein, bei Jeremy Bentham spielt in der Ethik nur die Quantität des Glücks eine Rolle. Zusätzliche Überlegungen zu unterschiedlicher Qualität von Lust/Freude gibt es bei John Stuart Mill.

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