Spanier Latinas?

2 Antworten

Das ist eine sehr umstrittene Frage, die in Deutschland klar beantwortet ist, aber im Spanischen und in den USA, also dort wo Latinos i. d. R. leben, anders gehandhabt wird.

Vorgeschichte: Italiener, Spanier, Franzosen und Portugiesen bezeichneten sich als Latinos aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Latinum, der lateinischen Sprache, die z.B. in Spanien 1500 Jahre Amtssprache war (noch bevor Amerika entdeckt wurde), aber vor allem aufgrund ihrer römisch-katholischen "Latino"-Kultur (weshalb Rumänien nicht mehr dazugezählt wird, obwohl auch Rumänisch vom Latein abstammt).

Kolumbus entdeckte für die spanische Krone Amerika, es gingen viele Spanier, dann auch Portugiesen nach Amerika und besiedelten es. Sie vermischten sich mit den Einheimischen. Später kam es mit den Engländern, Iren und Holländern zum Krieg im Norden, worauf sich Amerika in zwei Teile teilte: einen eher evangelischen (USA, dann auch Kanada) und einen katholischen (Hispanoamerika, inkl. französische Anteile dann Lateinamerika).

Der spanisch-portugiesische Teil wurde zunächst Indien (Kolumbus nahm an, in Indien gelandet zu sein), dann Neuspanien und schließlich Hispanoamerika bzw. Iberoamerika genannt. Lateinamerika ist ein relativ neuer Begriff, der eingeführt wurde, um eine Abgrenzung zur protestantischen Zone der USA zu schaffen, die miteinander im Krieg lagen.

Frankreich, welche im Gegensatz zu Portugal und Spanien keine Hispanos oder Iberer waren, wurde so miteinbezogen. Denn Frankreich hatte auch karibische Inseln und Kleinstaaten in Südamerika und gerade seine nördlichen Teile an Kanada kriegerisch verloren. Deshalb ist Kanada, obwohl teilweise Französisch sprechend, kein Lateinamerika.

Spanier verstehen sich traditionell als Latnos. Der erste Vorgänger der Champions League war die Copa Latina, die unter den Latinoländern Spanien, Italien, Frankreich und Portugal auspespielt wurde. Man braucht nicht viel weiter zu gehen: Der Haus-des-Geldes-Autor betont auch immer die Latino-Kultur, welche seine Serie besonders macht oder Antonio Banderas (Málaga), Enrique Iglesias (Madrid) oder Alejandro Sanz (Cádiz) sind typische Latinos.

Lateinamerika konnte nur Lateinamerika heißen, weil es von Latinos erobert und bevölkert wurde. Sonst würde es nicht so heißen. Und diese Bevölkerung heißt mit Nachnamen Sánchez, Martínez, Rodriguez etc. Sie spricht Spanisch oder Portugiesisch, sie hat deren Werte und römisch-katholischen Glauben übernommen.

Jetzt kommen wir zu Deutschland. Dort wurde bis weit über die Mitte letzten Jahrhunderts zu Lateinamerika einfach Südamerika gesagt. Oft ist ja auch in Deutschland zu hören, dass Mexiko in Südamerika liegt. Der Begriff Lateinamerika stand bis in die 1960er Jahre, obwohl damals schon über 100 Jahre alt, nicht mal im Duden.

Jetzt kam man dann in Deutschland auf den Trichter, zu sagen Latino = Lateinamerikaner. Also die Umkehrung der zuvor gezeigten Verweigerung des Begriffs.

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Spanisch ist eine Sprache, bei der nicht alles ausgeschrieben wird. Tinto ist ein Rotwein (vino tinto), solo ein Kaffee (café solo), tele das Fernsehen (televisión), postal eine Postkarte (tarjeta postal).

So gibt es zwei Versionen von dem, was latino bedeutet:

  • Latino: aus Spanien, Portugal oder Italien oder einem von dort besiedelten Land Stammender.
  • Latinoamericano (abgekürzt Latino): ein aus Lateinamerika Stammender.

Heute ist es meist so, dass Spanier oder (in italien aufgewachsene) Italiener sagen, sie haben Latino-Blut. Lateinamerikaner sehen oft Latino als Lateinamerikaner an. Sie sind in Lateinamerika ja unter sich. Dort ist es in manchen Zonen eine Ignoranz, da sie nicht um ihre Herkunft wissen (dann einfach mal den Namen ansehen oder in den Spiegel sehen).

Erst in Europa oder mit Spaniern in Kontakt, wird differenziert und sie verwenden meist Latinoamericano.

Lt. US-Amerikanischer Definition sind Latinos sogar rein Spanischstämmige, d. h. Spanier und Lateinamerikaner spanischsprachiger Länder. Brazil werden dagegen Brasilaner bezeichnet. Die Amerikaner machen zwischen Latino und Hispano keinen Unterschied. Nicht mal zwischen Lateinamerikaner und Spanier. Es war früher Spanien und reichte sogar bis in die Hälfte der USA, bis die USA es kriegerisch den Spaniern und dem dortigen Nachfolgestaat Mexiko Teile Kaliforniens, Arizona, Nevada, Nueva México, Florida etc. abnahmen.

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Zurück zum Spanischen. Dort wird abgekürzt, aber auch definiert:

Bandas latinas = Lateinamerikanische Gang. Warum? Weil es sowas in Spanien nicht gibt. Dagegen zählt der spanische Paso Doble zur Latin-Musik.

Música latina = Musik, die aus Spanien oder Lateinamerika stammt und im gegenseitigen Austausch entstand. Latinmusik ist eine Mischung spanischer, indigener und afrikanischer Elemente. Spanien brachte die Harmonien, Melodien und Sprache, Afrika und indigene Bewohner den Rhytmus und Tanz, der dann mit spanischen Gesellschaftstänzen vermischt wurde, damit er als Paar getanzt werden konnte, in einer Zeit, in der Kuba noch zu Spanien gehörte.

Kurz: Flamenco ist keine Latinmusik, hat aber Salsa und Latin-Pop beeinflusst, der Salsavorgänger Son wurde vom spanischen Gesellschaftstänzen geprägt und mit afrikanischen Rhytmen vermischt. Eine indigener Stammestanz aus dem Amazonas ist aber auch keine Latinmusik. Erst im Kontakt mit der spanischen Kultur wird er es.

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Das was heute in Deutschland, aber auch im tropischen Teil Lateinamerikas als Latinos angesehen wird, sind Afrolatinos. Also die Mischung aus Latino (Spanier oder Portugiese) mit Nachkommen afrikanischer Sklaven.

Da gerade dort ein hohes Latino-Selbstverständnis herrscht, wird auch oft das Wort Eurolatino dann für Spanier genannt, um zwischen Lateinamerikanern und ursprüngliche Latinos zu unterscheiden.

Wenn du auch mal die erfolgreichsten Latino-Künstler ansiehst, stehen Spanier dort mit an erster Stelle. Sie haben den Stil mitgeprägt.

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Spanier sind also Latinos, aber keine Lateinamerikaner. Und Latino ist auch eine Abkürzung, wo man z. B. bandas latinas und nicht bandas latinoamericanas sagt, denn der Ursprung hier ist klar und das Wort wäre zu lang.

Zu sagen, dass Spanier keine Latinos seinen ist in etwa so, wie wenn du sagst die Römer waren früher überall in ihrem Reich, nur die aus Rom Stammenden sind keine mehr.

weil immerhin kommt die spanisch sprache von dort.

Nein. Die spanische Sprache kommt aus Spanien.

Als Latinas bezeichnet man Frauen südamerikanischer Herkunft.

Pfiati  24.09.2021, 08:23

Die aus Kuba?

Aus Mittelamerika?

Puerto Rico?

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elchocolatero  24.09.2021, 12:07

In einem Land, in dem Südamerika mit Lateinamerika verwechselt wird, braucht man über Latino/a gar nicht zu debatieren. Da fehlt jegliche Grundlage.

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Kristall08  24.09.2021, 12:39
@elchocolatero

Was heißt verwechselt?

Lateinamerika ist ein Teil von Südamerika.

Aber es stimmt, sogar auf Wikipedia steht lateinamerikanische Herkunft. Ich ändere das in meiner Antwort nicht ab, sonst würde das die Einwände ad absurdum führen.

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elchocolatero  24.09.2021, 13:05
@Kristall08

Latino als Latinoamericano ausgelegt ist Lateinamerikaner. Latino an sich ist vor allem Spanisch-, Portugiesisch- oder Italienischstämmig. Dazu gehören auch - und nur deshalb - Latinoamericanos. Sonst würde der Kontinent ethnisch gar nicht so heißen. Es bezeugt die Abstammung aus Spaniern, Portugiesen und Italiener.

Wie bereits gesagt: In Deutschland hatte man sich über mehr als ein Jahrhundert des Begriffs Lateinamerika verweigert (und verwendet heute noch fälschlicherweise generell Südamerika hierfür). Jetzt geht die Ignoranz in die andere Richtung und man verweigert den ursprünglichen Latinos ihren seit dem römischen Reich währenden Namen und bezieht das Wort nur auf dessen Abkürzung für Latino(americano) in von Latinos besiedelten Teilen Amerikas.

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