Sind überhaupt noch Jugendliche in Jugendverbänden?

5 Antworten

Die Zahlen sind in der Tat stagnierend bis rückläufig, aber das betrifft seit Jahren die allgemeine Vereins-/Ehrenamtswelt auch im nichtpolitischen Sinne. Jugendfeuerwehren, Jugendrotkreuz, viele Jugendchöre und Musikvereine, Siedlerjugend vom Verband Wohneigentum, aber auch kirchliche Gruppen (Kolping- oder Schönstattjugend, KjG, CVJM usw.) haben chronische Nachwuchsprobleme. Sportvereine selbst im Fußball klagen ebenfalls: Vielerorts müssen Spielgemeinschaften gebildet werden, weil einst starke Vereine keine eigene Mannschaft mehr zustande bringen. Selbst Förderprogramme, Werbeabende usw. haben kaum den erhofften Erfolg - es ist schon ein Grund zur Freude, wenn man einen oder zwei Neue gewinnt an so einem Format.

Früher war es so, dass Mitgliedschaften oft "vererbt" wurden - so kam auch ich in die Kolping und indirekt auch in die CDU; in der JU war ich allerdings nie, die waren mir immer ein wenig zu konservativ-schnöselig gewesen; ich wollte nie großes Echo, aber was für die Leute machen und diese ganzen Jurastudenten und geschniegelten Bankkaufleute da in der JU mit ihren sehr konservativen Ansichten (die JU fischt meiner Meinung nach zumindest teilweise am rechten Rand der Union) waren mir zu anstrengend - und dass das Ehrenamt sowie das Engagement allgemein einen höheren Stellenwert in den Familien und Kommunen hatte. Viele Kinder wachsen heute schon so auf, dass Ehrenamt keine Rolle mehr spielt - so wird Interesse gar nicht aufgebaut.

Andererseits aber ist das Problem die Vereinswelt selbst. Ich war seit meiner Jugend bis 2018 ehrenamtlich auf vielerlei Ebene von Jugendhaus über diverse Vereine bis Gemeinderat tätig und bin davon abgekommen, irgendwas ehrenamtlich zu machen - man wird eher noch kritisiert und angepieft von Leuten, die mit nix zufrieden sind, alles sowieso besser können und besser wissen und gern den dicken Maxe markieren wollen, als dass sich jemand drüber freut. Keiner strengt sich gerne an, investiert Zeit und Geduld und Liebe und womöglich Geld und wird am Ende dafür noch von der Seite her angemacht, weil es einem nicht passt - es sei denn, er hat's nötig um sich ein "Image" aufzubauen. Viele Vereinsvorstände definieren Teamwork allzu oft nach dem Motto "Toll, Ein Anderer Macht's".

Zudem sind etliche Vereine bei Licht besehen mehr oder weniger Privatveranstaltungen alteingesessener Clans, die sich im Vorstand untereinander die Posten zuschachern, Nachwuchs eigentlich nicht wollen aber immer trotzdem weinen, dass niemand mehr nachkommt und oft erschreckend intolerant bis fremdenfeindlich sind - es ist schon mitunter ein Problem, wenn jemand von einer anderen Gemeinde kommt und zugezogen ist oder Ostdeutscher oder Nachkömmling einer Heimatvertriebene-Familie aus sudetendeutschen Gebieten oder Ostpreußen usw.! Solche verbohrten Vereinsmeier, die ein Fall für sich sind, kann man oft noch nicht mal durch Leistung beeindrucken. Selbst wenn man seine Arbeit toll macht, ist man für sie nur ein Typ von auswärts oder ein Ausländer, der einen komischen Namen hat und komisch aussieht und komisch redet.

Häufig sind die Vereine auch so generalstabsmäßig geführt, dass keine Freude aufkommt - ein Hoch auf die deutsche Satzungs- und Hierarchiekultur. Wer geht gerne wo hin, wo er argwöhnisch beäugt wird und die "Alten" einem nix zutrauen aber schimpfen, dass die Jugend nicht kommt?

Das betrifft auch Jugendorganisationen von Vereinen und Parteien durchaus - es gibt Clans und Dynastien, die den Takt angeben und alle anderen sind bestenfalls geduldet. Wenn die Eltern aktiv sind, ist es die Jugend meist auch und die Eltern sorgen da schon dafür, dass der Filius in den JU- oder Juso-Vorstand kommt, egal wie. So gibt eines das andere. Hat jemand eine andere Meinung, gibt man ihm solange den Rest, bis er den Schwanz einzieht - das ist auch nicht gerade unbekannt.

Zudem hat man in den meisten Vereinen keinerlei Gegenleistung - man setzt seine Arbeits- und Tatkraft ein, wird aber oftmals noch diffamiert und belästigt oder beschimpft. Vorteile hat man aber kaum, im Gegenteil: Man bezahlt Beiträge, setzt sich ein und wird dann noch irgendwo angepieft. Das ist einfach nichts, das man sich gerne antut.

Sachlich sprechen weniger Freizeit als früher, größere Mobilität (wer arbeitet heute noch am Wohnort?) und mehr auf der Straße verbrachte Zeit, die Existenz zahlreicher Freizeitangebote durch die sich Zusammenkünfte aller Art erübrigt haben dagegen - und auch dass typische ich sage mal "Nachkriegshobbys" wie Kleintierzucht zur Deckung des Nahrungsmittelbedarfs oder auch Brieftaubenzucht usw. einfach nicht mehr zeitgemäß sind und für die Jugend nicht attraktiv ist - es ist viel Arbeit und es kommt nichts dabei rum. Das sind halt auch sterbende Vereine, deren Ideale sich oft erübrigt haben, weil die Zeit sie überholt hat. Und viele Jugendliche haben gar nciht mehr die Zeit dazu neben Ganztagsschule, Ausbildung oder Studium.

Woher ich das weiß:Hobby
juliaaaaaaaan 
Fragesteller
 04.05.2022, 18:25

Puh, das war natürlich eine sehr lange, aber sehr gute Antwort. Bin mir nur jetzt unsicher ob man dann überhaupt bei solchen Jugendverbänden als Jugendlicher gern gesehen ist, wenn dort nur Typen rumhängen, die 20+ sind (bspw. bei Grüne oder linksjugend). Denke nämlich, dass man dann als "weniger reif" und deswegen etwas schlechter behandelt oder sogar etwas ausgegrenzt wird. Vielleicht ist das auch nur meine Ansicht, aber könnte es mir vorstellen.

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rotesand  04.05.2022, 18:42
@juliaaaaaaaan
Denke nämlich, dass man dann als "weniger reif" und deswegen etwas schlechter behandelt oder sogar etwas ausgegrenzt wird. 

Das habe ich jetzt weniger so erlebt, aber ich habe es von der JU zumindest in Teilen (ich hatte nicht viel mit denen am Hut) mitbekommen, dass die dort vertretenen Studenten nicht so nett mit denjenigen umgingen, die kein Abitur oder kein Studium hatten.

Einzig ein unreifer und uneinsichtiger Teenager, der nur feiern gehen und dummes Zeug machen will, dürfte da wirklich abgelehnt werden aufgrund seines Alters.. was nicht heißt, dass es diejenigen nicht gibt, die sich von Alters wegen überlegen halten als meinetwegen einer, der 17 Jahre alt ist.

Bei den Grünen sehe ich davon abgesehen ehrlich gesagt eher die Gefahr, dass gerade die Jugend fundamental und schwer verträglich ist, bzw. absolut realitätsfern. Auch die Jusos sind ein Fall für sich, in meiner Heimat waren sie unbeliebt und galten als Krachmacher und Unruhestifter, die u.a. Wahlplakate aller anderen Parteien zerstörten oder Wahlkampfstände der CDU und der FDP sabotierten. Wer in unserer Heimat Mitglied der Jusos war, hatte es aus dem Grund schwer bei der Lehrstellensuche - nicht weil man eine extrem schwarze Region wäre, sondern weil die Jusos verrufen waren.

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Ich denke schon!

Da wo es noch "Falkenheime" von den Falken gibt, ist auch meist noch was los. Fast jeder Jugendliche liebt doch Action und Party und geht dann da auch hin. Ist denen doch schnuppe, ob das SPD, Kirche oder Stadt ist. Hauptsache interessante Leute und Remmi Demmi. Das war schon immer so!

In der Partei DIE LINKE gibt es die Jugendorganisation "solid". Da sind alle unter 20.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
juliaaaaaaaan 
Fragesteller
 23.05.2022, 07:20

Ich weiß, darüber hab ich auch nachgedacht. In meiner Stadt sind aber in der linksjugend nur welche zwischen 20-30, weshalb auch meine Frage zustande kam.

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Winkler123  23.05.2022, 07:27
@juliaaaaaaaan

Achso, das wußte ich gar nicht. Wahrscheinlich sind die dort deshalb so alt, weil es wenig Interessierte gibt und wenn sie die Altersgrenze runtersetzen würden könnten sie dichtmachen.

Hier in Köln gibt es viele, die Interesse an sowas haben. Hier sind viele bei solid unter 20. - Die Älteren sind beim SDS.

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Für diese Altersgruppe sind die Jugendverbände der Parteien primär da. Jugend ist nicht gleichbedeutend mit "jugendlich". Die Jugend im Sinne von Parteisatzungen reicht i.d.R. bis 35, die nach den Fördergesetzen für Jugendhilfe bis 27.

Minderjährige waren in Parteijugendverbänden immer eine Minderheit, auch in den Hochzeiten der Politisierung in den 70ern waren die in erster Linie Studentenorganisationen.

klar sind da noch WELCHE

aber ja, seit jahrzehnten gehen die zahlen zurück. Junge Menschen engagieren sich dafür viel mehr in aktivistischen Bewegungen wie FFF.

juliaaaaaaaan 
Fragesteller
 04.05.2022, 17:27

okay haha wäre mir da jetzt nur unsicher hin zu gehen wenn da nur 20+ Leute sind & ich minderjährig lol

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jenssp4hn1312  04.05.2022, 17:34
@juliaaaaaaaan

hahhah kommt halt drauf an wo du bist, in irgend einer Stadt wird es da sicher auch ein paar Minderjährige geben :D Nur generell sind die Zahlen halt am sinken.

Und welche Partei natürlich, ich glaub bei der CSU wird schwierig viele junge Leute zu finden :D

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