Sehnt ihr euch auch nach "den alten Zeiten"?
Heyjo! Eigentlich bin ich ein sehr lebhafter Mensch, ich liebe es als Frau in einer Zeit und einem Land zu leben wo ich mein eigener Chef bin und mein Leben alleine von mir abhängt. Ich gehe gerne mal feiern, liebe mein Handy und meinen Laptop und bin froh über die Existenz einer Spülmaschine. Ich bin dafür, dass Frauen studieren können, dass in einer Ehe beide Partner die gleichen Rechte haben und dass wir alle unseren Geist bilden sollten.
Aber trotzdem ist in mir schon immer, seit ich klein bin, so eine tiefe Sehnsucht nach früher... Ich sehne mich irgendwie nach einem kleinen Bauernhäuschen mit Blumen und Ziegeldach, einer schönen Holzküche, fünf Kindern und einem einfachen Leben als Hausfrau. Ein Haus, zwei Kilometer entfernt vom nächsten Dorf, mit einem eigenen Acker, einem Kuhstall und einer Dorfgemeinschaft wo jeder jeden kennt. Wo ich an den Fluss runtergehe um meine Wäsche zu waschen, für meine Kinder koche und einen großen, stämmigen, fleißigen Ehemann habe der abends von der Arbeit heimkommt und sich vor dem Kamin ausruht während ich die Kinder ins Bett bringe.
Ich weiß das klingt zu romantisch, ich kenne die ganzen Verklärungen und ich hab auch schon mal auf einem Bauernhof gearbeitet und ich weiß dass es kein Zuckerschlecken ist einen Haushalt zu führen, vor allem damals wo es nicht einmal einen Mixer gab. Aber trotzdem wünsche ich mir das tief in meinem Herzen mehr als zu studieren oder erst mit Mitte dreißig Kinder zu kriegen. Ehrlich gesagt, ich bin 18, wünschte ich mir ich könnte jetzt schon heiraten, Kinder haben und in mein eigenes Häuschen ziehen.
Geht es euch manchmal auch so? Bitte nicht falsch verstehen, ich bin in KEINER WEISE gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter oder dass irgendwer nicht selbst bestimmen kann wer er ist und was er tut. Aber mir fehlen die Zeiten von früher auf dem Dorf wo Männer noch ihre eigenen Möbel gebaut haben und einen Pflug lenken konnten, mit sonntäglichem Kirchgang und ab und zu einem kleinen Fest.
Wie gesagt nicht falsch verstehen, ich weiß dass ich dann früher beim Schmied meine Zähne hätte ziehen lassen müssen, vielleicht mit acht bereits gestorben wäre an Masern und all das. Mich interessiert nur ob es anderen ebenso geht, ich meine nicht dass das jeder muss, jeder soll tun was ihn glücklich macht.
Ach ja, und findet ihr diesen Wunsch eigentlich feministisch? Oder als das Gegenteil? Und woran könnte es liegen, dass ich das so unbedingt will?
6 Antworten
Ich verstehe deine Sehnsucht sehr gut. Auch ich bin froh, in einer Gesellschaft zu leben, in der Männer und Frauen gleichberechtigt sind, man seinen Beruf und Lebensweg selbst wählen kann und auch entscheiden darf, ob und wie viele Kinder man in seinem Leben bekommt. Trotzdem träume ich manchmal davon, ein Leben zu führen, in dem alles geregelt ist und jeder seine vorbestimmten Aufgaben hat und seine Rolle erfüllt.
Das Fernsehen und kitschige Romane vermitteln uns gerne das romantische Bild eines idyllischen Familienlebens, in dem der Mann den Tag damit verbringt, Scheunen zu reparieren, Bäume zu fällen, Holz zu spalten und die Tiere zu versorgen, während sich die Frau um die Kinder kümmert, das Haus putzt und das Essen kocht.
Damit werden ganz gezielt Sehnsüchte angesprochen, die aus Konflikten der Gegenwart resultieren. Von Frauen wird heute erwartet, sich um die Kinder zu kümmern und Karriere zu machen. (Wenn ein Vater sein Baby wickelt, sind alle begeistert, wie toll er sich um das Kind kümmert, wenn die Mutter dasselbe tut, gilt das auch heute noch als selbstverständlich. Wenn das Kind in der Schule krank wird, erwartet man eher von der Mutter, dass sie es abholt, auch wenn sie eigentlich bei der Arbeit ist). Wenn die Doppelbelastung zu groß ist und die Frau sich dafür entscheidet, Zuhause zu bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern, riskiert sie Einbußen in der Altersvorsorge und eine Lücke im Lebenslauf, die sie in der Karriere zurück wirft.
Auch Männer müssen sich heute mehr Gedanken darüber machen, wie sie ihre Männlichkeit definieren. Das Bild des Ernährers und Beschützers gilt als überholt. Die Rollen zu tauschen und sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern, ist für manche Männer für eine gewisse Zeit okay, auf Dauer riskieren sie damit aber genauso viel wie Frauen und für andere ist es gar nicht attraktiv.
Bei all diesen Unsicherheiten können altmodische Rollenbilder die Illusion erwecken, dass früher alles einfacher war. Jeder hätte seine Aufgabe gehabt, die von niemandem in Frage gestellt worden wäre. Die Realität sah natürlich anders aus. Jahrhunderte lang haben die meisten Männer und Frauen in Europa gemeinsam als Leibeigene auf Feldern gearbeitet und die Kinder dabei mitgenommen. Das, was wir unter "Hausfrau" verstehen, wurde erst viel später erfunden. Trotzdem wird oft so getan, als hätte dieses Familienbild eine uralte Tradition, die durch die Emanzipation bedroht würde.
Insbesondere in den USA werden traditionelle Rollenbilder aggressiv beworben. Es präsentieren sich Männer und Frauen, die nach einem Modell leben, bei dem die Frau Zuhause bleibt, sich um die Kinder und den Haushalt kümmert und ihrem Mann gehorcht. Auf diese Leute stößt man, wenn man im Internet nach Begriffen wie "traditional gender roles", "submissive wife", "barefoot in the kitchen", "traditional marriage", "tradwife", etc. sucht.
Diese Begriffe beschreiben einen Lebensstil, der auf sozialen Medien wie Instagram und Youtube angepriesen wird. Die moderne Gesellschaft wird einseitig negativ dargestellt und das eigene Lebensmodell als Ausweg aus all dem Unheil präsentiert. Das Versprechen lautet, dass man die "scheinbare" Freiheit des modernen Lebens eintauscht und dafür die Freiheit bekommt, nach einem "vorbstimmten" Weg zu leben.
Ich finde es sehr gut, dass du diese Sehnsucht ansprichst und gleichzeitig zu wissen scheinst, dass es eine Illusion ist.
Und diesen Wunsch zu haben ist sicher nicht antifeministisch. Antifeministisch wäre es aus meiner Sicht eher, Gleichberechtigung zu verdammen und traditionelle Rollenbilder unreflektiert für allgemeingültig zu erklären. Davon bist du aus meiner Sicht weit entfernt.
Ganz liebe Grüße :)
Du bist einfach an einem konservativem Lebensstil interessert. Das ist auch gar nicht so ungewöhnlich. Viele Frauen wollen das. In anderen Ländern, z.B. Russland ist das auch das vorherrschende Frauenbild.
Ich möchte nicht im Mittelalter leben. Ich lebe gerne in der aktuellen Zeit und wir haben auch viel erreicht. Also im Westen. Leider entwickelt sich das seit einigen Jahren schon in eine nicht mehr so schöne Richtung und ich habe ein bisschen Angst, was uns hier noch bevorsteht.
Davon ab sollte jeder leben wie er möchte. Du bist ja noch jung und wirst sicher auch jemanden finden, der ähnlich tickt und mit dem Du Deine Wünsche umsetzen annst. Ich finde es toll, dass Du diese in einem so jungen Alter so klare Wünsche definieren kannst und trotz der chaotischen Gesellschaft Lust auf Kinder und Arbeit hast.
Ich wünsche Dir jedenfalls alles Gute und hoffe, dass Du Deine Ziele erreichst.
„Leider entwickelt sich das seit einigen Jahren schon in eine nicht mehr so schöne Richtung“ was soll das denn bedeuten?
Nein nicht wirklich. Vergangenheit ist eine Fantasie im Augenblick. Wenn ich schlecht träume, kann auch die Zeit nichts dafür. Sie wird sich nur mir anpassen.
Ich verstehe dich sehr gut. Als ich ein Kind war, ist meine Familie immer zwei Wochen im Mecklenburgischen bei Verwandtschaft im Sommer im Urlaub gewesen.
Einen schöneren Ort gab es für mich damals nicht. Ein kleines Dorf mit kleinen Häuschen, wo die Fenster so tief waren, dass man rausklettern konnte. Auf dem einen Hof meiner Tante ein Sägebetrieb, wo es immer nach frischem Holz roch. Hinterm Haus meiner anderen Tante ein Pferdestall. Wer mich suchte, wusste, wo er mich finden würde.
Naschgärten vorm Haus, Gänse, Hühner, die ihr freies Leben lebten. Ringsum Wälder und Felder.
Der Konsum an der Dorfkirche war der Tante Emma - Laden. Dort wurde immer ein kleines Schwätzchen und etwas Dorftratsch abgehalten.
Und wenn ich nicht gerade im Stall war oder auch mal reiten durfte, war das andere Tollste immer eine Fahrt über die Dörfer auf dem alten EMW-Motorrad meines Onkels. Seitdem liebe ich auch Motorräder.
Diese Zeiten dort trage ich immer im Herzen. Ich würde sie jederzeit gegen irgendwelche großen Hotels und überlaufenen Urlaubsorte eintauschen.
Das einfache Leben war einfach entschleunigter, auch wenn es viele Haushaltsgeräte noch nicht gab. Irgendwie war auch mehr Zeit vorhanden. Das Gehetze von heute und das Streben nach immer mehr und immer besser macht die Menschheit nur bekloppt im Kopf.
Ich habe in meinem Haushalt nur das Nötigste an Gerätschaften und was ich habe, hat schon drei Jahrzehnte auf dem Buckel. Ich lebe nachhaltig und sehr bodenständig.
Pferde gehören immer noch zu meinem Leben, wenn auch nur auf der Koppel. Aber ich habe rings um meinen Garten, der ländlich liegt, viele Pferdefreunde.
Das hektische Leben von heute ist nichts für eine hochsensible Frau wie mich. Mein Indianerherz schlägt für das Einfache im Leben und für Entschleunigung.
Das finde ich auch, ich habe einfach das Gefühl dass ein Leben als Bauer wo man sein eigenes Gemüse anpflanzt, einen Teil verkauft und einen für sich behält zum Essen, wo man seine eigenen Tiere hat und all das irgendwie das ehrlichste von allen ist. Ich hab nichts gegen den Fortschritt eigentlich, aber viel kommt mir heute wie eine Lüge vor, allein der Gedanke wieviel Kinderarbeit in dem T-Shirt steckt das ich trage nervt mich. Ich will eines Tages ohne Blut an meinen Händen leben
Nein, Früher war nicht alles besser, sondern es war einfach Früher. Klar gibt es schöne Erinnerungen, aber wenn man mal so darum herum denkt um die schönen Erinnerungen, dann war es das auch meistens schon.
Heute ist alles viel besser finde ich!
Nein, sage ich ja auch nicht. Heute ist alles besser finde ich!
Heute ist definitiv nicht alles besser. Da muss man sich nur anschauen, dass ernsthaft darüber diskutiert werden muss, welche „Gender“ es gibt oder ob wir ein „Gender-Sternchen“ in Texten brauchen.
Früher war RAF, kalter Krieg, Ölkrise, Tschernobyl und es gab so nüchtern ausgestattete Autos mit kaum Sicherheit drin ... da nehme ich das mit dem Genern gerne hin :)
War das besser?
Richtig, inzwischen entwickelt man sich vom dualen Weltbild weg und erkennt, dass Menschen viel individueller sind als männlich und weiblich. Und so entstehen diese Fragen, wie man Formulierungen findet, die möglichst wenig Menschen ausschließen. Dass man mehr und mehr Probleme auch von Minderheiten und nicht nur der breiten Masse erkennt, ist ein Phänomen des Informationszeitalters. Wir lernen unsere Umgebung besser kennen und verstehen, dass es nicht nur unser eindimensionales Weltbild gibt. Irgendwann fiel uns auf, dass man Menschen, die nicht laufen können, auch die Möglichkeit zur Teilnahme an der Gesellschaft geben muss. Also wurden Rollstühle erfunden, barrierefreie Häuser und Fortbewegungsmittel geschaffen, sodass man diese Menschen mehr und mehr inkludiert (bisher noch viel zu wenig). Natürlich kann man aus unserer Sicht einfach mal über die „absurden“ Gendersternchen herziehen, aber wir sind ja auch nicht diejenigen, die unter der vorherrschenden dualen Anschauung leiden.
„Leiden“. Na wenn du das so siehst. Leiden würde ich deutlich anders interpretieren. Solche Individuen werden einfach nicht akzeptiert. Das ist schlimm, aber das ist unsere Gesellschaft. Die einen sind dafür offen, die anderen eher konservativ gehalten. Das war, ist und bleibt auch immer so. Da lässt sich nicht mehr machen als solchen Individuen beizustehen und ihnen einen respektvollen Umgang geben.
Außerdem: nur weil man solchen „Gender-Themen“ nicht wirklich an Beachtung schenkt, heißt das nicht, dass es man mit diesen Personen respektlos umgehen sollte.
Ich finde nicht dass früher alles besser war 😅
Aber danke 👍