Relativistische Geschwindigkeitsaddition logisch herleiten (keine exakte Formel)?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Jakob835,

ich würde nicht mit der Lichtuhr argumentieren, denn das wäre sehr abstrakt,¹) sondern ich würde den optischen DOPPLER- Effekt (DE) benutzen.

Stell Dir vor, Du befindest Dich auf einem Raumfahrzeug S₂ genau zwischen zwei Raumfahrzeugen S₁ und S₃, die sich in einer Linie zu Dir bewegen, und zwar mit −v₁ und v₂ (das Minuszeichen zeigt an, dass die Richtung Deiner Bewegungsrichtung relativ zu S₁ entgegengesetzt ist).

Messung via Radar

Diese Geschwindigkeiten kennst Du vielleicht nicht. Du kannst sir aber per Radar messen. Du schickst je ein Signal zu jedem und fängst das Echo wieder auf. Grundsätzlich misst Du das Tempo v eines Körpers (z.B. ein Raumfahrzeug, in dem ich sitze, über das Verhältnis f₂⁄f₀, wobei f₀ die Frequenz ist, mit der Du ein Signal losschickst, und f₂ die Frequenz, mit der Du das Echo auffängst.

Anfangs hat es die Wellenlänge λ₀ = c⁄f₀. Dein Signal erreicht nicht mit der Differenzgeschwindigkeit c + v = c∙(1 + β), sollte mich also mit

(1.1) f₁ = (c + v)/λ₀ = (1 + β)∙f₀

erreichen. Es verlässt mich mit der Differenzgeschwindigkeit c − v und daher der Wellenlänge

(1.2) λ₂ = (c − v)⁄f₁ = λ₀∙(1 − β)/(1 + β)

und kommt schließlich mit der Frequenz

(1.3) f₂ = c⁄λ₂ = f₀∙(1 + β)/(1 − β) =: f₀∙K²

bei Dir an. Das "K" ist übrigens gerade der BONDI- Faktor, den zalto erwähnt hat.

GALILEI meets MAXWELL

GALILEIs Relativitätsprinzip (RP) sagt aus, dass wir ebensogut mich als stationär und Dich als mit −v = −0,6∙c bewegt ansehen kann, ohne dass dies an den grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) ändert.

Das sind aber nicht nur die Gesetze der Mechanik, sondern auch MAXWELLs Grundgleichungen der Elektrodynamik und damit auch seine elektromagnetische Wellengleichung. Das heißt:

Was sich relativ zu Dir mit c bewegt, das bewegt sich auch relativ zu mir mit c und umgekehrt. Deshalb muss der DE symmetrisch sein.

Deshalb würde ich nicht f₁ messen, sondern

(1.4) f'₁ = K∙f₀ = f₀∙√{(1 + β)/(1 − β)}.

Die Frequenz wäre also um den Faktor

(2) γ = 1/√{1 − β²}

  • um γ höher als erwartet, wenn ich Dich als stationär ansehe (⇒ meine Uhr muss um γ langsamer gehen), und
  • um 1⁄γ niedriger als erwartet, wenn ich mich als stationär ansehe (⇒ Deine Uhr muss um γ langsamer gehen).

Natürlich hast Du f₂ und damit K², β musst Du ausrechnen:

(3) β = (K² − 1)/(K² + 1).

Dieser Wert bleibt immer unter 1, egal wie groß K ist. Damit bleibt v unter c.

Einfache Zahlenbeispiele

Wenn etwa K = 2 ist, muss β = ⅗ = 0,6 sein, d.h., ich komme mit 60% der Lichtgeschwindigkeit auf Dich zu. Das Zahlenbeispiel mag ich besonders, weil 3, 4 und 5 ein Primitives Pythagoreisches Tripel bilden, d.h. 3² + 4² = 5².

Damit wäre natürlich 1 + β = 1,6, 1/(1 − β) = 2,5, das Geometrische Mittel von beiden K = 2, um den Faktor γ = 1,25 größer als die kleinere Zahl und um 1⁄γ = 0,8 kleiner als die größere.

Ist K = 3, so kommt β = 0,8 heraus, also 80% der Lichtgeschwindigkeit. In dem Fall ergibt sich γ = 5⁄3.

Wie schnell kommen nun S₁ und S₃ aufeinander zu?

Wendest Du das Ganze auf S₁ und S₃ an, so erhältst Du 2 K- Faktoren K₁ und K₂. Nun würde sich die Frequenz jedes Signals von S₃ zu S₂ ver-K₂-fachen und käme bei S₁ noch einmal ver-K₁-facht an. Daher ist die Geschwindigkeit von S₃ relativ zu S₁ durch

(4) β₃ = (K₁²K₂² − 1)/(K₁²K₂² + 1)

gegeben. Ist z.B. v₁ = 0,6c und v₂ = 0,8c, ergibt sich v₃ = (35⁄37)∙c ≈ 0,946∙c als Relativgeschwindigkeit von S₃ in Bezug auf S₁, wenn man S₁ als ruhend betrachtet. Die Differenzgeschwindigkeit zwischen S₁ und S₃ im Ruhesystem von S₂ (also Deinem) beträgt hingegen 1,4∙c.

Diesen Unterschied machen wir gewöhnlich nicht, da sich nach der NEWTONschen Mechanik (NM) Geschwindigkeiten einfach addieren und subtrahieren und Relativgeschwindigkeit und Differenzgeschwindigkeit dasselbe sind.

________________

¹) Abgesehen davon, dass wahrscheinlich noch nie jemand eine gebaut hat, kann man sie natürlich auch nicht in Echtzeit ticken sehen, wenn sie sich relativ zu Dir bewegt. Schließlich siehst Du alles mit Verzögerung, mit schrumpfender, wenn es sich nähert und mit wachsender, wenn es sich entfernt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Jakob835 
Fragesteller
 26.08.2021, 09:42

Ausversehen auf nicht hilfreich (kann man das zurückziehen?) geklickt sorry :D War aber eine sehr gute und ausführliche Antwort! Vielen Vielen Dank

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SlowPhil  26.08.2021, 10:16
@Jakob835

Du kannst es probieren. Wenn's nicht klappt, gibt es immer noch eine Möglichkeit, die Antwort zu honorieren. 😉

Mehrmals lesen lohnt sich bei mir übrigens oft; seit man unbegrenzt editieren kann, tu' ich das auch oft.

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SlowPhil  26.08.2021, 23:08

Vielen Dank für den Stern!

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was meinst du mit dem wort "logisch" herleiten? was wäre denn eine "nicht logische" herleitung?

wie leitest du denn "logsich" die geschwindigkeitsaddition in der Newtonschen physik her? hast du dafür ein beispiel?

denn alles was du machen kannst ist eine annahme zu treffen wie die koordinaten unter einem wechsel des inertialsystems transformieren, und daraus ausrechnen was das für die geschwindigkeit bedeutet.

das ist in der Newtonschen physik nicht anders als in der relativistischen. also wenn du ein beispiel dafür hättest, was du unter "logisch" vs "nicht logisch" für die herleitung der geschwindigkeitsaddition der Newtonschenphysik

hast, dann kann ich dir vielleicht helfen das äquivalente für den relativistischen fall zu machen. aber so verstehe ich leider nicht was für dich "logisch" und was für dich "nicht logisch" bedeutet.

weil ganz allgemein gilt (ohne jede annahme über die konkrete koordinatentransformation)

soweit ist das noch 100% logsich, weil das ist 100% mathematik.

und jetzt erst kommt die physik ins spiel. denn welche jetzt die korrekte koordinatentransformation zwischen zwei inertialsystemen darstellt, das kann dir keine logik der welt sagen. man kann aus sehr fundamentalen grundannahmen (homogenität und isotropie des raums) ableiten dass es entweder eine Lorentz-transformation oder (als grenzfall davon) eine Galilei-transformation ist. was davon zutrifft kann dir letzendlich nur das experiment sagen. es ist keines davon "logischer" oder "unlogischer", es ist einfach nur ein experimenteller befund.

für einen Galilei-boost

erhältst du die formel für die klassische geschwindigkeitsaddition, für den Lorentz-boost

erhältst du die relativistsche geschwindigkeitsaddition.

wenn die herleitung der einen für dich "logisch" ist, dann sollte die der anderen es eigentlich auch sein.

denn keine "logik" der welt kann dir sagen, warum die eine und nicht die andere. es einfach nur ein experimentelles resultat dass es zweiteres ist (und zwar ein sehr sehr eindeutiges)

Jakob835 
Fragesteller
 26.08.2021, 15:34

Sorry der Begriff logisch war wohl etwas unglücklich gewählt. Ich wollte eigentlich zum Ausdruck bringen, dass ich nach einem Weg suche die Geschwindigkeitsaddition rational ohne Mathematik herzuleiten. Es geht mir nicht um genaue Zahlen, sondern um das simple Wahrnehmen einer Kausalität, welche mir vermittelt, dass aus diesem Grund relativistische Geschwindigkeiten sich verhalten wie sie es tun. Vielleicht ist das aber auch einfach etwas, was ich für mich ausmachen muss.

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Anschaulich-geometrisch - zumindest für die Bewegung in einer Dimension - ist die Geschwindigkeitsaddition mit "Bondis k-Kalkül" herleitbar.

https://homepage.univie.ac.at/franz.embacher/SRT/k-Kalkuel.html

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Abschluss als Diplom-Physiker

Ist es nicht seltsam das sich normalerweise alle "Experten " hier sofort auf Relativitätstheorie Fragen stürzen , um ihr wikipedia Wissen los zu werden, aber bei dieser Frage , die seit 9 Stunden hier steht, kein einziger Antwortet. ......

Deine Frage ist wie man sie LOGISCH herleiten kann.

Logisch betrachtet macht sie Wiedersprűche.

☆Dort kann man argumentieren das das Photon einer Lichtuhr im bewegten Objekt eine längere Strecke mit gleicher Geschwindigkeit zurücklegen muss. ☆

Das kann man argumentieren, ist aber nicht so .

Ein Photon das senkrecht nach oben fliegt wird vom Zug nicht beeinflusst.

Es hat keine Masse um in Fahrtrichung mitgerissen zu werden. (Wie etwa ein Ball)

Es wird auch nicht schräg vom Spiegel reflektiert, wenn es senkrecht auftrifft.

Die Lichtuhr beschreibt einen optischen Effekt, genau das ist auch die Zeitdilatation.

Ein Effekt aufgrund der Laufzeit des Lichtes.

Bei der Geschwindigkeitsaddition wird angenommen das sich 2 Objekte, die zb je mit 75% Lichtgeschwindigkeit in Gegenrichtung fliegen, sich nicht mit 150% Lichtgeschwindigkeit entfernten, sonder laut dieser addition, nur mit 100% Lichtgeschwindigkeit

Das kann man leicht wiederlegen

Die 2 Objekte fliegen von Planet M fort

Eines nach links zu Planet L , in 0,75 Lichtjahr Entfernung

Das andere nach rechts zu Planet R , in 0,75 Lichtjahr entfernung

Mit 75 % Lichtgeschwindigkeit sind beide nach 1 Jahr Flugzeit an den Planten L und R angekommen, die 1,5 Lichtjahre voneinander entfernt sind.

Und nicht 1 Lichtjahr. .....

Wenn nun jemand sagt das die Länge kontrahiert, dann soll er erklären was dann die Gravitation zwischen den Planeten macht .....,

SlowPhil  26.08.2021, 08:06
Ist es nicht seltsam das sich normalerweise alle "Experten " hier sofort auf Relativitätstheorie Fragen stürzen , um ihr wikipedia Wissen los zu werden, aber bei dieser Frage , die seit 9 Stunden hier steht, kein einziger Antwortet. ......

Angesichts der Uhrzeit nicht. Ich hab' geschlafen. Wird man jawohl auch mal dürfen ...

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