Prinzipienethik und Nutzenethik?

2 Antworten

Nutzenethik schaut auf die Ergebnisse möglicher Handlungsalternativen, bewertet diese Ergebnisse nach gewissen Maßstäben und identifiziert dann "bessere" und "schlechtere" Ergebnisse, wobei dann das bessere Ergebnis angestrebt wird, indem die zugehörige Handlung ausgeführt wird.

Prinzipienethik schaut auf die möglichen Handlungsalternativen, bewertet diese Handlungen nach gewissen Maßstäben und identifiziert dann "bessere" und "schlechtere" Handlungen, wobei dann eine "bessere" Handlung angestrebt bzw. ausgeführt wird.

Um es an einem handfesten Beispiel zu verdeutlichen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Simon_Yates_%28Bergsteiger%29

https://en.wikipedia.org/wiki/Simon_Yates_%28mountaineer%29

2 Bergsteiger im einsamen kalten Hochgebirge; einer verletzt sich beim Abstieg schwer am Bein, kommt alleine praktisch kaum voran, der andere muss in regelmäßig über Steilstücke hinunterlassen, bis der den Boden drunter erreicht und dann selbst runterklettern.

Bei einem Hinunterlassen erreicht er aber keinen Boden, hängt über einer vermutlich tiefen Schlucht. Der gesunde hat keine Kraft ihn hinauf zu ziehen (ist viel leichter jemanden runter zu lassen als hinauf zu ziehen). Der Verletzte kann auch das Seil nicht hinaufklettern. Also hängt er da, während der Gesunde nur festhält.

Irgendwann wird er müde, sein Stand ist nicht mehr sicher und er hat Angst irgendwann ermüdet vorn über in die Schlucht gerissen zu werden. Aber er hat ein Messer dabei...

Nutzenethik:

Option 1: Er schneidet das Seil nicht durch, beide stürzen hinunter, beide tot, also in Summe 2 tote Menschen.

Option 2: Er schneidet das Seil durch, der Verletzte stürzt in den Tod, der Gesunde kann vermutlich (da zwar erschöpft aber unverletzt) sicher ins Basislager zurückkehren. In Summe also nur 1 toter Mensch.

Da Option 2 weniger tote Menschen zur Folge hat, ist Option 2 richtig, da "weniger tote Menschen = besser".

Prinzipienethik:

Handlung 1: Seil nicht durchschneiden, an dem ein Mensch und sein Leben hängt. Das geht voll in Ordnung, Seile nicht durchzuschneiden, an denen das Leben eines Menschen hängt, kann man guten Gewissens den lieben langen Tag tun (in Seilschaften im Gebirge macht man das ja wirklich ununterbrochen).

Handlung 2: Seil durchschneiden und DADURCH den Tod eines Menschen verursachen. Das ist nicht in Ordnung, Tötungshandlungen sind aus Prinzip zu unterlassen.

Da Handlung 2 aus Prinzip nicht ergriffen werden darf, ist Handlung 1 richtig.

Das gibts übrigens wirklich verschiedene Meinungen; denn z.b. hat der betreffende Verletzte unglaubliches Glück und ist nur wenige Meter unterhalb auf einem kleinen Steilstück liegen geblieben und konnte sich trotz offenen Bruch ins Basislager zurückkämpfen und hat seinen Kameraden dort mit den Worten "Du hast das richtige getan" begrüßt (bzw. englisch, da Briten). Er hat da sozusagen aus der Nutzenethik argumentiert (er meinte es übrigens so, dass es richtig war, auch wenn es sein Tod gewesen wäre).

Aber der Seildurchschneider wurde immer wieder auf folgenden Bergtouren von anderen Bergsteigern angefeindet, hat sogar einmal eine aufs Maul bekommen, weil die diesen Prinzipienbruch - Seil durchschneiden - einfach inakzeptabel fanden, völlig egal was die Konsequenzen. Das ist dann Prinzipienethik.

Ein anderes Beispiel ist Rettungsfolter, das ist allerdings nur theoretisch. Ein Attentäter hat eine tickende Bombe platziert, die Polizei schnappt ihn, weiß aber nicht wo die Bombe tickt. Da der Attentäter viele Menschen töten will, werden also möglicherweise dutzende Menschen in ein paar Stunden tot sein, wenn der Attentäter nicht redet. Er verweigert aber die Aussage.

Nutzenethik:

Option 1: Die Polizei sagt lieb bitte, bitte, der Attentäter lässt sich voraussichtlich nicht erweichen, 20 Tote.

Option 2: Zufälligerweise war ein Polizist Verhörspezialist beim CIA, weiß genau wie waterboarding geht und kann zu sichern, dass der innerhalb von 15 Minuten reden wird; selbst wenn er dann das falsche Bombenversteck verrät, ist das egal, wann dann hat man nochmal Zeit in zu foltern, die Bombe geht erst in Stunden hoch. Waterboarding, der Attentäter zerbricht geistig und sagt wo die Bombe ist, die wird entschärft, 0 Tote + 1 traumatisierter Attentäter, der sowieso lebenslang wegem dem versuchten Mord eingebuchtet werden wird.

Also Option 2 wählen (wenn denn der Waterboardingspezialist anwesend ist), denn 20 Tote sind ja wohl schlimmer als Traumatisierung, die ja behandelt werden kann.

Prinzipienethik:

Handlung 1: Den Verdächtigen nicht foltern. Das darf die Polizei nicht nur den lieben langen Tag machen, sie soll es gerade, also sie soll vor allem nicht foltern; siehe z.b. "Die Würde des Menschen ist unantastbar. usw.".

Handlung 2: Den Verdächtigen foltern. Das darf die Polizei nicht nur nicht, sondern da es aus der Menschenwürde folgt, darf sie es NIE, also wirklich, wirklich NIE (Details hierzu können in Erfahrung gebracht werden, indem der BT ein Foltergesetz beschliesst, was dann das BVerfG wieder kassiert, die Begründung wird das dann genau erläutern).

Da Handlung 2 aus Prinzip nicht ergriffen werden darf, ist Handlung 1 richtig.

(Anzumerken ist, dass es auch Nutzenethiker gibt, die Menschenwürde höher einschätzen als das Leben auch von dutzenden Menschen; die müssten dann auch nicht foltern wählen; aber nach welchen Maßstäben Nutzen- und Prinzipienethiken werten kann dann auch nochmal differenzieren)

carn112004  03.02.2016, 19:22

Ergänzen sollte ich noch, dass es auch die Ansicht gibt, dass Folter niemals etwas bringt.

Aber das ist eigentlich keine ethische Frage, sondern beeinflusst nur ob eben die Option 2 bei dem zweiten Nutenethikbeispiel existiert/realistisch ist oder nicht. Ändert nichts daran, dass wenn sie realistisch wäre und man von einer Nutzenethik ausgeht, die Würdeverletzungen jedenfalls nicht erheblich über Menschenleben einstuft, Option 2 ggf. die "bessere" wäre.

Aber dieses "Prognose"problem, also welche Handlungen stehen überhaupt zur Verfügung und was sind ihre folgen, ist immer da, im Beispiel 1 lag man ja auch über die Konsequenz des Seildurchschneidens daneben; in Rückschau wäre es auch nach Prinzipienethik richtig gewesen, denn ein Seil durchschneiden, um den eigenen Tod zu verhindern (der eingetreten wäre, da der Gesunde durch seinen Sturz den Verletzten von dem Steilstück vermutlich wieder runter gerissen hätte), und ein anderer fällt halt nur ein paar Meter runter, ist von Prinzipienethik auch in Ordnung, man tötet ja keinen.

Man muss also unterscheiden zwischen Nutzen- bzw. Prinzipienethik, der Frage, welcher Maßstab angelegt wird (z.b. Würdeverletzung vs. Rettung von Menschenleben) sowohl bei Prinzipien- wie Nutzenethik (wäre Foltern der Polizei erlaubt, wäre Fall 2 prinzipienethisch auch anders zu beantworten) und wie sicher eigentlich die Handlungsalternativen und die Folgen bekannt sind.

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carn112004  03.02.2016, 19:28
@carn112004

Ferner ist anzumerken, dass in vielen Fällen gar keiner strengen
Nutzen- oder Prinzipienethik gefolgt wird, sondern es Mischformen gibt
oder manchmal auch möglicherweise je nach Themengebiet die eine oder die
andere angewandt wird.

Ein Beispiel für eine Mischform
sind z.b. §§ 34 und 35 StGB bei denen in das eigentlich eher
prinzipienethisch strukturierte StGB (ist ja größtenteils eine Sammlung
von Ge- und Verboten, also auf Handlungen ausgerichtet) die Ergebnisse
eine gewisse Rolle spielen; z.b. wenn man den Verletzten jetzt ins
Krankenhaus bringen muss, dann darf man dafür nach § 34 StGB ein Auto
knacken, wenns nicht anders geht, da Leben erheblich höheres Rechtsgut als Eigentum und somit der
34 greifen kann. Aber anderseits können sich die folternden Polizisten auch im Erfolgsfall eher nicht auf § 34 StGB berufen, weil soweit die Nutzenethik eben doch nicht eine Rolle spielt.

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Erklären wil ich es Dir nicht, das ist Deine ureigene  Aufgabe , sich selbst darin zu vertiefen.Aber ich kann Dir ein paar Hinweise geben.

Nutzenethik - Utililtarismus/GB und USA

Prinzipienethik/Gesinnungsethik z.B. I.Kant.

Das dürfte reichen.