Nachteile an einem reinen nadelwald?

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Die Nadeln der Bäume sorgen für einen niedrigeren und damit sauereren pH-Wert im Boden, was die Artenvielfalt im Boden stark einschränkt. Außerdem sind Bäume als Nacktsamer auf die Windbestäubung angewiesen, statt auf eine Bestäubersymbiose. Bienen finden hier weitaus weniger Nahrung als in Laubwäldern.

Ist der Wald eine Monokultur, so können sich artspezifische Krankheiten und Schädlinge (Borkenkäfer) recht schnell asubreiten und einen ganzen Wald zu Tode richten.

Da von Nadelbäumen weitaus weniger der Blätter (--> Nadeln) abfallen, ist die Humusschicht am Boden vermutlich geringer ausgebildet als in Laubwäldern, wo die Blätter viel Material für Humusbildung abgeben.

Einige Nadelbäume, wie die Fichte, wachsen relativ schnell und gerade, was die Stabilität und Festigkeit des Holzes stark herabsetzt. Während Laubbäume wie Eiche oder Buche langsam wachsen und dafür dick und stabil werden, schießen die Fichten im Vergleich dazu geradezu in die Höhe. Das Eichenholz ist deshalb dichter und stabiler und schwerer als das Fichtenholz und deshalb auch mehr wert, sollte man einen so erhabenen Baum zu Verkaufszwecken fällen.

Meines Wissens ist auch die Photosyntheseleistung von Laubbäumen weitaus höher als die der Nadelbäume. Denn die Blätter der Laubbäume sind größer.

Angeblich sind einige Nadelbäume wie die Tanne und die Fichte bei uns nicht mehr lange präsent, da aufgrund des Klimawandels den Bäumen mehr und mehr Schaden zugefügt wird. Im Kommen sind entweder Douglasien oder Laubbäume. Auch die Forstwirtschaft ist dabei, aus reinen Nadelwäldern, die meist vom Menschen so gepflanzt wurden, wieder Mischwäler zu machen.

SedOwl  10.12.2017, 18:40

Hi - dennoch haben strukturierte Nadelwälder (vorrangig mit hohem Fichtenanteil) durchaus ihre Berechtigung, da sich eine Vielzahl von Arten diesen spezifischen Bedingungen angepasst haben. Auch darf nicht verdrängt werden, dass die Ursachen der bei vielen Arten (z. B. Greifvögel, Kleineulen, bis hin zu Kleinvogelarten) feststellbaren und eklatanten Rückgänge im anthropogen (!) bedingten Schwinden der Fichte (und Tanne) zu suchen sind.

Nicht zuletzt hat die forstliche Fokussierung auf die Fichte (mit ihrer angeblichen Unverträglichkeit in puncto Klimawandel) völlig andere Gründe, stellt sie doch das "Brotholz" der Forstwirtschaft dar. Der zunehmende Raubbau insbesondere in den höheren Altersklassen (einschließlich mit der damit einhergehenden Destrukturierung, die sich in nur noch zweischichtigen Schirmschlagflächen äußert, also ohne gesicherte Vorausverjüngung) muss gegenüber den am Wald noch Interessierten irgendwie vernebelt werden...

Der Umbau in Mischwälder ist de facto eher Suggestion. Derzeit ist eine exzessive Einbringung der Rotbuche - örtlich auch der Eiche - zu verzeichnen, ohne ökologische Dringlichkeit und mit absehbar ähnlichen Folgen, wie sie in monotonen / destrukturierten Beständen zu finden sind. Andere - ökonomisch weniger attraktive, aber ebenso waldtypische Baumarten - werden im Regelfall nur unzureichend berücksichtigt.

Zudem ist die Begründung ökologisch wertvoller Waldbestände ohne hinreichende Einbeziehung von Fichte und Tanne kaum als sinnvoll zu betrachten - sofern der Artenschutzaspekt nicht völlig negiert werden soll. Auch vor diesem Hintergrund scheint es angebracht, relevante (!) ökologische Zusammenhänge im Blick zu behalten, statt den Einflüsterungen der Forstwirtschaft blind zu folgen.

Wobei einigen der von dir genannten Aspekte zuzustimmen ist (z. B. ph-Wert, Monokultur). Aber eher ökonomische Betrachtungen (z. B. zur Holzstabilität) den Kausalitäten gegenüberzustellen, welche sich über Jahrtausende (auch in reinen Nadelwäldern) bewährt haben, scheint mir denn doch etwas gewagt.  LG.

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ichbinich2000  10.12.2017, 19:13
@SedOwl

Natürlich haben sie eine Berechtigung, das ist klar. Und auch klar ist, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten seit der Einführung der Monokulturen zumindest bei mir im Bayerischen Wald sich viele Arten angesiedelt haben, die ebendiese Bedingungen mögen.

Natürlich ist die Fichte ein äußerst wichtiger Baum für die Forstwirtschaft, da sie schneller wächst und nicht so empfindlich ist wie die Tanne. Bei Subventionen wird die Tanne wegen ihrer Empfindlichkeit schon bei den Laubbäumen eingeordnet.

Dass Fichten mit dem Klimawandel nicht zurecht kommen sieht man schon heute. Die Bäume sind im Sommer in vielen Lagen mit hoher Sonneneinstrahlung recht geschwächt. Was natürlich fatal ist, ist dieser Kahlschlag, der praktiziert wird. Da wir selbst einen Wald haben, weiß ich auch, was da abgeht. Gerade bei uns in der Nähe wurde dieses Jahr eine Fläche per Hawester vollkommen vernichtet. Seitdem liegt sie brach. Brombeeren kommen langsam, die Äste der Bäume wurden als Unterlage für die Rückegasse verwendet und machen das Land noch trostloser. Aber da wird auch nichts angepflanzt. Das Holz, alles gesunde Fichten, wurde verkauft. Etwas entfernt wurden in einem Waldgrundstück zwei Borkenkäferbäume entdeckt - und gleich alles abgeholzt. Das Waldgrundstück am Waldrand ist jetzt Wüste. Das ist die Art von Waldwirtschaft, die ich verabscheue. Mein Berufswunsch ist Förster, aber nicht bei einem arbeitgeber, der nur darauf aus ist, aus dem Wald Profit zu schlagen.

Natürlich sollte man auch vorsichtig sein, diese Umkrempelung vom reinen Nadelwald zum Mischwald auf einen Schlag durchzuführen. Für die ansässigen Populationen wäre es eine Katastrophe, die die meisten wohl nicht überleben würden. Aber langsam aber sicher kann man da auch langsamer vorgehen. Monokulturen sind keine Lösung, der Borkenkäfer greift zumindest hier bei uns jedes Jahr stärker um sich. Aber als Folge der Borkenkäfer- und Sturmschäden sollte die Umstrukturierung langsam aber sicher möglich sein. Denn für den Waldboden ist nichts schlimmer, als brach zu liegen.

Man muss ein gutes Gleichgewicht finden, denke ich. Auch wenn ich jetzt wenig praktische Erfahrung damit habe, ein Gebiet neu aufzuforsten. Aber ich weiß zumindest, was es bedeutet, Waldpflege zu betreiben.

Natürlich ist es keine Lösung, nur weil gesagt wird, dass Fichten bis in hundert Jahren deutlich schlechtere Lebenschancen haben als heute, den ganzen Wald abzuholzen und neu anzupflanzen, da gebe ich dir vollkommen recht. Aber es schadet nicht, sich langsam danach zu richten. Das Forstamt hat Karten, die über Boden und klimatische Bedingungen Auskunft erteilen und so auch sagen können, welche Baumarten für ein Gebiet besser oder weniger geeignet sind. So ist es zum Beispiel eine Strategie, nach kleinen Sturmschäden die Lücken mit geeigneten anderen Baumarten wieder zu füllen. Kommt halt auf die Region an.

Ich würde allerdings die Holzstabilität nicht nur als ökonomischen Faktor sehen, sondern durchaus auch als ökologischen Faktor. Das langsame Wachstum einer Buche hat ja auch den Vorteil, dass inzwischen die Elterngeneration weichen kann, um der jungen Buche darunter die Möglichkeit zu geben, nun sich voll auszubreiten. Wenn ich in unseren Fichtenwald schaue, sind da viele lange, dünne Fichten, die dann nach einigen Metern Höhe aus Lichtmangel absterben. Die Holzstabilität ist für die Wirtschaft zwar wichtig und auch preisgebend, aber hat eben auch ihren Vorteil in der Natur. Nicht umsonst gibt es Laubbäume, die verdreht wachsen und noch stabiler sind. In der Wirtschaft nicht erwünscht, in der Natur verdammt praktisch.

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SedOwl  10.12.2017, 19:25
@ichbinich2000

Hi, schöner Kommentar - werde nachher gesondert darauf eingehen (bin derzeit etwas unter Zeitdruck), bis dann - LG!

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SedOwl  11.12.2017, 01:19
@ichbinich2000

Hi, ichbinich2000 - habe grade in deinem Profil gestöbert, Respekt!! Deine Vorliebe für die Dire Straits teile ich übrigens ebenfalls...

Vorab: Den Bayerischen Wald (d. h. die Waldgebiete um Haidmühle, bis ins ehemalige Grenzgebiet der Kalten Moldau, Böhmerwald und in den Regionen Freyung, Grafenau) kenne ich ganz gut, war einige Zeit dort beruflich unterwegs (Standorterkundung, Forsteinrichtung), daher sind mir auch die Sorgen der Waldler noch geläufig...

Nun zu deinem Kommentar:

Die Tanne ist im Grunde gar nicht soo empfindlich - sie bedarf einer je nach Standort gesonderten Begründung, meist mit Gatterung, da sehe ich die Problematik eher in zu kleinflächiger Ausbringung (und dem dann zwangsläufigen Wildverbiss). Hier in der Frankenalb das gleiche Problem - auch hier fühlt sich das Wild innerhalb der Zäune recht wohl...

Deine Schilderung der forstlichen Vorgehensweisen beschränkt sich leider nicht nur auf die Staatsforsten, auch viele Privatwaldler neigen mehr und mehr zu derartiger Praxis (unter fachlicher Beratung durch die Staatsforsten, versteht sich). Der gängigen Meinung, die Fichte würde dem Klimawandel nichts entgegensetzen können, stelle ich gern entgegen, dass dies die derzeit forcierten Baumarten (Buche, Eiche) möglicherweise ebenso wenig vermögen. Was mich stört, ist die Tatsache, dass die bei der Fichte erkennbaren und mit großer Klage diskutierten Schäden vordergründig nicht dem Borkenkäfer zuzuschreiben sind, sondern der forstlichen Behandlung, welche die Ausbreitung von Typographus & Co. letztlich erst begünstigt. Jeder, der sich mit der Fichte beschäftigt, weiß, dass sie für Kronenschluss sorgt (Wasserhaushalt, Bestandesinnenklima). Die derzeitige Praxis mit wiederholten "Durchforstungen" innerhalb weniger Jahre mit Entnahmesätzen von 20-30% (örtlich deutlich darüber) orientiert sich also kaum an wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern ist meiner Erfahrung nach rein ökonomischen Aspekten "geschuldet". Dass auf den als "Aufwuchs-" und / oder "Schirmschlagflächen" abgetarnten Kahlschlägen die somit provozierten Schäden nicht ausbleiben, ist nur eine Frage der Zeit (bzw. der nächsten Hitzeperiode).

Doch das ist nicht einmal das schlimmste Problem. Dass über viele Jahrhunderte gewachsene Ökosysteme samt des hier angepassten "Inventars" im Zuge des sogenannten "Waldumbaus" innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten völlig umgekrempelt werden, halte ich für eines der größten Verbrechen derzeitiger Forstwirtschaft. Ich selbst bearbeite seit 1996 eine Fläche von drei Staatsforstbetrieben, erlebe das stille Sterben also täglich mit...

Dass man die nach natürlichen Ereignissen entstandenen Lücken mit standortsgerechten Baumarten bestockt, ist eher folgerichtig. Nur auf diese Weise gelangt man wieder zu ökologisch wertvollen, weil abwechslungsreichen Strukturen. Allerdings stehen diese wieder der ökonomisch orientierten Waldbehandlung (Harvesterung auf großer Fläche) entgegen.

Was die Bewertung der Holzstabilität angeht - da hast du völlig recht. Dieser Aspekt lässt sich nicht auf eine rein ökonomische Sichtweise begrenzen. Das kann ich hier mal am Beispiel des Schwarzspechts verdeutlichen: In den Staatsforsten der Frankenalb ist seit etwa 2005 eine (bezogen auf die Höhlenanlage des Schwarzspechts) deutliche Abkehr von langjährigen Traditionen erkennbar. Die bei den häufigen Durchforstungen gängige Praxis des gezielten Potential-Aushiebs (also Bäumen mit typischen Anfangsstadien) führt dazu, dass die Zahl von Höhlenzentren exorbitant gesunken ist, während auch keine weiteren mehr entstehen (dies hat auch noch andere Ursachen, wie erhöhter Eingriffs- und Störungspegel während der Brutzeit u. a. m.). Auf Grund des aus der Behandlungsmethodik resultierenden Mangels an Grünholz-Potential (z. B. geeigneten Überhältern mit notwendigen Schadsymptomen) ergibt sich eine erzwungene, atypische Nutzung von schwachdimensioniertem Totholz auf Schirmschlagflächen (mit entsprechender Bruchanfälligkeit). Die von mir statistisch errechnete  durchschnittliche Standdauer von Totholz-Höhlenbäumen beträgt hier nicht einmal 2,6 Jahre. Und hier kommt die Buche ins Spiel - d. h. der Fakt der Holzstabilität. Der bei der Buche nicht unerhebliche Nachteil hoher Wasserläufigkeit (ergo auch der Höhlen) wird dadurch mehr als ausgeglichen, dass der Höhlenbau einerseits bereits ab einem Alter von ca. 80 Jahren einsetzen kann, zum anderen diese Höhlen Jahrzehnte überdauern können - die Bruchgefahr ist eben wesentlich geringer. Somit ist die Ausbildung von Höhlenzentren mit gleichzeitig mehreren, intakten Höhlen nicht - wie erwartet - in der Kiefer, sondern derzeit ausschließlich in Buchenbeständen zu verzeichnen. Hier soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass sich die ökologisch erforderliche Höhlenbaum-Dichte aus einer hinreichenden Verteilung sehr vieler Einzelhöhlenbäume (wegen geringer Wasserläufigkeit vorzugsweise Nadelholz) rekrutieren muss.

Da die Zahl verfügbarer Zeichen begrenzt ist - der Nachtrag kommt später.  LG!

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ichbinich2000  11.12.2017, 02:25
@SedOwl

So, Guten Morgen ;)

Freut mich, dass du auch Fan der Dire Straits bist! Ebenso freut mich, dass du dich in der Gegend hier unten bei uns ein bisschen auskennst!

Ich hab mal ein Schülerpraktikum in einem Forstamt bei uns in der Nähe gemacht. Daraus ist dann auch der Berufswunsch Förster entstanden... weißt du, was mir der Revierföster geraten hat? "Geh in den Praxissemestern im Studium nach Franken. Die haben die interessantesten Wälder". Das finde ich aber auch, auch wenn ich die Wälder Frankens nicht so gut kenne, wie die bei uns in der Nähe, also Straubing-Bogen, Regensburg, Deggendorf. Und auch die Gebiete um Finsterau und Bodenmais sind mir recht gut bekannt.

Die Sache mit dem Wildverbiss ist als kleiner Waldbesitzer recht einfach auf natürliche Weise zu regeln, ich denke, du kennst den Trick mit der Schafwolle, oder? In großen Gebieten zu aufwändig. Aber viel natürlicher als Zäune, finde ich.

Dass die Privatwaldbesitzer von den Staatsforsten beraten werden und deshalb auch viele der Strategien übernehmen, stimmt schon, aber es kommt natürlich immer auf den beratenden Förster an. Der, bei dem ich mein Praktikum absolvierte, war gegen Kahlschlag, außer es war dringend nötig, zum Beispiel ein flächendeckender Borkenkäferbefall. Seit das Gebiet nicht mehr zu seinem Revier gehört, kommt es immer wieder mal zu Kahlschlägen. Tja...

Harvesterbearbeitung ist für mich ein absoluter Frevel am Wald. Denn diese Riesendinger hinterlassen eine Schneise oder Fläche der Zerstörung, machen den Boden kaputt und sehen Bäume nicht als erhabene Pflanzen, die seit Jahrzehnten da draußen im Wald stehen, sondern eher als Unkraut, das schnell abgeknickt werden muss. Wenn wir bei uns im Wald einen Baum umschneiden müssen, habe ich Respekt vor diesem mächtigen Stück Natur. Und diesen respekt sollte jeder haben, der im Wald arbeitet. Ich weiß nicht, jeder einzelne Baum hat eine Faszination für sich. Wir Menschen sind daneben nur was ganz kleines...

Die Sache mit dem Schwarzspecht, die du ansprichst, ist interessant! Bei uns ist der Specht, wenngleich auch kein Schwarzspecht, wohl am liebsten in Nussbäumen unterwegs, ich seh ihn selten woanders...

Was mich an Fichten noch stört oder stören würde, würde ich sie verkaufen wollen, ist ihre Neigung zur Stockfäule. Denn da scheint sie um einiges empfindlicher als Buche oder Eiche.

Mein "Lieblingsbaum" ist die Buche. In einem Buchenwald hat man einen schönen Boden, ein hellgrünes Licht, angenehme Temperaturen und wunderschön glatte und oft auch total schnurgerade Bäume. Ich hab mal ein Buch gelesen, ich weiß nicht ob du es kennst, es heißt "Der Wald", geschrieben von Peter Wohlleben. Darin beschreibt er unter anderem auch, wie gut sich das langsame Wachstum der Buchen in den Generationenwechsel einfügt. Dass junge Buchen langsam in die Höhe wachsen, aber durchaus auch einige Jahre warten können, bis nach einigen Jahrzehnten mal der Elternbaum zugrunde geht und die junge Buche (solange sie nicht vom alten Baum erschlagen wurde ;) ) sich ausbreiten kann. Während Fichten schnell wachsen und dann irgendwann bei 7-9 Metern Höhe wegen Lichtmangel eingehen...

So, jetzt mach ich auch Schluss, ich muss morgen früh raus ;) Ich freu mich auf deinen Nachtrag!

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SedOwl  11.12.2017, 02:30
@ichbinich2000

Hi, dein letzter Absatz "zwingt" mich zu einem Nachtrag: Viele lange, dünne Fichten (mit im Regelfall zu kleiner Krone) zeigen eigentlich, dass in der Pflege etwas schiefgelaufen ist. Frühzeitig einsetzende, sich im Mindestabstand von zehn Jahren wiederholende, behutsame Durchforstung mit sorgsamer Auslese kann die Stabilität drastisch erhöhen, ohne ökologisch nachteilige Auswirkungen befürchten zu müssen. Die Gefahr von Wind- und / oder Schneebruch ist bei einer kontinuierlichen Pflege deutlich geringer.

Ja, ich weiß, was du meinst. Jedoch halte ich die aus verschiedenen Gründen verdreht wachsenden Bäume nicht unbedingt für wertvoll - da sie einen nur geringen ökologischen Nutzungsgrad aufweisen. Als stabilisierender Faktor im Bestandesgefüge sind sie ggf. bedeutsam, viel wichtiger ist m. E. aber die Altersspreitung anzusehen. So sind im Unter- und Zwischenstand heranwachsende Fichten oft stabiler, sofern sie keine Schäl- oder Rückeschäden (und damit Rotfäule) aufweisen. Du solltest dennoch einige Fichten mit Schälschaden und typischer Stammverdickung belassen, diese sind für den Buntspecht (und seine Nachnutzer, wie z. B. den Sperlingskauz) enorm wichtig, sofern ein arttypisches Habitat gegeben ist.

Übrigens, deinen Berufswunsch - Förster - solltest du noch gründlich überdenken. Vom ursprünglichen Berufsbild ist wenig übrig, der Weg auf die vordergründig ökonomische Schiene zwangsläufig. Ich denke, dass du mit deiner m. E. ungewohnt gesunden Einstellung zum Wald bei den Forstwissenschaften besser aufgehoben wärst (m. W. sind die Gestaltungsspielräume eines Forstingenieurs (im Staatsdienst!) eher begrenzt. Ist aber Ansichtssache, vielleicht ergeben sich ja auch Möglichkeiten im Kommunal- oder Privatwaldbereich.

Soviel dazu, wenn noch Fragen offen sind - gern!  LG.

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ichbinich2000  11.12.2017, 02:38
@SedOwl

Meinst du mit deinem Nachtrag dieses System der Zukunftsbäume?

Ach ja, da gibts ein kleines Missverständnis... ich will eben diesen Revierförster als Beruf haben. Also das Studium "Forstwissenschaft und Ressourcenmanagement" in Weihenstephan. Ist leider kein Ingenieurstudiengang mehr, der lief vor zwei Jahren aus.

Die Staatsforsten wären eben wegen des Konflikts zwischen dem Umgang mit dem Wald und meiner Meinung wohl eher nichts für mich. Deshalb habe ich mich damals auch fürs Praktikum beim Revierförster entschieden. Der ist doch noch mehr darum bemüht, den Wald zu schützen, statt ihn für Profit zu schädigen...

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SedOwl  11.12.2017, 03:12
@ichbinich2000

In gewissem Sinne ja - diese werden hier weiß gepunktet, und sollen als langfristige Grundbestockung dienen. Meine Erfahrung steht dem allerdings sehr skeptisch gegenüber...

Gleiches gilt für die Gilde aus Weihenstephan - die wirkt nach einiger Zeit sehr konform und hörig. Ich kann mich des Eindrucks leider nicht erwehren - kennt man einen, kennt man sie alle. Das ist auch vor Ort erkennbar, die waldbauliche Behandlung (früher trug sie die deutliche Handschrift des RL) ist heute überall gleich schlecht - Harvesterung, Linien-Kahlschläge (Rückegassen), Schirmschlag, die Verwandlung guter Strukturen in endlose Kiefernflächen innerhalb weniger Tage..., von den unterschwelligen ökologischen Desastern ganz abgesehen.

Dein Interessenkonflikt bezüglich der Staatsforsten lässt tief blicken und verdient höchste Achtung! Dein Praktikum halte ich für immens wichtig, bleib dabei, so lange du kannst; vielleicht hast du sogar das Glück, bei solch einem "alten Haudegen" zu lernen, wie ich sie z. B. aus Bischofsreuth und Neureichenau kenne - die wissen noch, was Waldbau ist, die ziehen dir den Zukunftswald auch im Bestand noch hoch (die hiesigen RL sind da überfordert), und von denen weiß im Regelfall auch jeder, was ein Rauhfußkauz an Habitat braucht...

So, auch ich horche jetzt in die Bettdecke hinein, vielleicht bis bald? LG!

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ichbinich2000  11.12.2017, 13:26
@SedOwl

Wir haben das im Praktikum auch einmal gemacht, er wollte mir zeigen, nach welchen Kriterien Zukunftsbäume ausgesucht werden und nach welchen Kriterien bestimmte andere entfernt werden sollen. Aber auch mir schien es damals, als wäre mein Revierleiter von der Zukunftsbaumidee nicht sonderlich begeistert.

Mein damaliger Praktikumsleiter befürwortete den Einsatz von Harvestern eigentlich auch nur bei großflächigen Aktionen, ich hatte das Praktikum drei Wochen nach einem relativ verheerenden Sturm. Alle Harvester waren ausgebucht. Er befürwortete deren Einsatz in großen Schneisen mit Windschaden, wo ohnehin kaum mehr ein Baum stand... Ansonsten war er wie ich der Meinung, dass Harvester in einem gesunden Wald nichts zu suchen haben. Offenbar sieht derjenige, der einen Teil seines alten Gebietes nun zugeteilt hat, das anders... kommt wohl auch darauf an, welche Generation da am Werke ist...

Dieser Revierförster, der mein Praktikumsleiter war, geht in einigen Jahren in Pension. Ich glaube er ist das, was du als einen dieser "alten Haudegen" bezeichnest ;-) Und er ist irgendwie auch mein Vorbild geworden...

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SedOwl  11.12.2017, 21:43
@ichbinich2000

Nun, die Idee, eine gewisse Zahl an "Zukunftsbäumen" auf der Fläche zu belassen, ist erst einmal nicht grundsätzlich abwegig - könnten so doch wichtige Natur- / Artenschutzaspekte (z. B. Gewährleistung von genügend künftigem, starkdimensioniertem Totholz, Nachhiebsreste / Überhälter als Höhlenpotential und Horstbäume, Strukturerhalt durch eine hinreichende Altersspreitung etc.) sichergestellt werden. Jedoch stellt sich mir die Frage, ob dieses System nicht einer Alibi-Mentalität unterliegt, bei wachsenden Begehrlichkeiten also ohnehin ausgehöhlt wird. Zumal ich bei den ausgezeichneten "Zukunftsbäumen" lediglich Wertholz, also ökonomische Faktoren berücksichtigt fand - insofern krankt dieses System wohl ebenfalls an der üblichen Halbherzigkeit.

Ja, der Harvester ist auf großen Wurfflächen sicher eine gute Sache. Nachteil: Da sie sich auch außerhalb von Sturmereignissen, letztlich also täglich amortisieren müssen, kommt es zu den wohlbekannten, kaum noch nachvollziehbaren "Begleiterscheinungen" - wobei auch fragwürdige Eingriffsstrategien eine tragende Rolle spielen. Was am Harvestereinsatz generell zu bemängeln wäre, ist die Tatsache, dass sich "behutsames Arbeiten" methodisch kaum realisieren lässt.

Die Rotfäule der Fichte begründet einen haarigen Interessenkonflikt. Ökonomisch ein Verlust, für die Abläufe im Ökosystem Wald jedoch segensreich (nahrungsökologischer Aspekt, Höhlenbäume etc). Ich sehe dies mit einem weinenden, aber auch einem lachenden Auge. Was mich in diesem Zusammenhang befremdet: Mein Vorschlag, den Fällschnitt bei rotfaulen Fichten generell höher anzusetzen, um die dann verbleibenden, höheren Stöcke dem Schwarzspecht "zur Verfügung zu stellen", stieß auf wenig Gegenliebe (wobei ich dieses Ansinnen mit meinen Erfahrungen aus Thüringen begründen konnte, wo die Siedlungsdichte des Schwarzspechts höher war als in den hier überpflegten Staatsforsten). Nun ja.

Wenn du dein Praktikum in Franken fortsetzen könntest, wäre dies sicher lehrreich, hier kannst du dich am ehesten mit ökonomischen Aspekten des "Waldbaus" vertraut machen. - Dann ergibt sich ggf. sogar die Möglichkeit, für ein paar Tage gemeinsam über die Hügel zu ziehen...

Über den ökologischen Wert der Rotbuche kann ich mich gesondert auslassen, wenn dir daran liegt - ist eine sehr interessante und eben extrem vielschichtige Thematik.

Soviel ganz kurz - LG!

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ichbinich2000  12.12.2017, 00:08
@SedOwl

Nur ganz kurz, ich muss ins Bett, hab morgen zwei Präsentationen vor mir - das mit der Rotbuche würde mich tatsächlich interessieren. Wenn du Lust hast, könnten wir das natürlich auch über Persönliche Nachrichten machen ;-)

Gute Nacht!

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SedOwl  12.12.2017, 00:18
@ichbinich2000

Ja, halte auch ich für die bessere Variante... ;-))

Viel Erfolg bei den Präsentationen - gute Nacht!  LG.

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Hallo! zusammenfassend wäre zuerst zu unterscheiden ob Du mit "Nadelwald" nur die "Firchtenforste im Flachland" meinst (dann sind die Antworten v. a. die Risiken einer Monokultur: Borkenkäfer, Windwurf etc.), oder Nadelwald allgemein - das wäre dann incl. den Kiefernforsten auf ärmsten Standorten, den Nadelwäldern im Boreal, den Kältenfichtenwäldern im Bayerwald oder den Latschenfeldern in den Alpen z. B. (da ist es schwierig mit Nachteilen: gegenüber was, weil dort wächst nix anderes :-))

Allgemein führt Nadelstreu zu saureren, sich langsamer zersetzenden (Roh-)humus - der aber für manche Arten (z. B. Pilze) und Ökosysteme wieder wichtig ist - "schwarz-weiss" gibt es halt auch hier nicht...

Wichtig bei so einer Frage ist also, erst mal einzugrenzen (sich selbst zu fragen), ob man Nadelwald als solchen meint oder naturferne Wälder (nicht standortheimische Baumarten etc.)... Gruss myotis

1. versauern so die Böden und 2. geht die Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen so zurück und 3. breiten sich so vermehrt Schädlinge aus, die den Nadelbäumen zusetzen.

Und was ist die Frage? In Brasilien würde ein reiner Nadelwald andere Nachteile haben wie bei uns in Mitteleuropa oder in Sibirien.

Woher ich das weiß:Hobby – Neben Chemie (Studium) ... jede ist mein Hobby.

Schädlinge wie der Borkenkäfer können sich rasend schnell ausbreiten. In einer Mischkultur ist das nicht so einfach.

PicaPica  13.12.2017, 11:03

Du sagst es - Mischkulturen sind das Wichtige.

Monokulturen sind, egal welche Baumart, nicht gut, siehe auch in einem der Kommentare von SedOwl. LG.

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