Es würde ja mal reichen, in den Ländern mit gleicher Spurweite die gleiche Zugsicherung zu haben, um immerhin diese Hürde wegzunehmen. Die Fläche aller Länder mit Normalspur zu einem Netz mit gleicher Sicherungstechnik zu vereinen, wäre schon mal ein ordentlicher Erfolg. Momentan haben wir da eine bunte Mischung.
Das Problem verschiedener Stromnetze haben wir mit Mehrsystemfahrzeugen ja immerhin einigermaßen in den Griff bekommen. Für verschiedene Länderzulassungen braucht es aber eben auch immer die jeweilige Zugsicherung mit eingebaut. Würde ETCS so funktionieren, wie geplant, wäre das alles hinfällig und es bedürfte nur noch einem einzigen System.
Problem ist aber, wie hier auch schon angesprochen wurde, dass jedes Land selbst an dem System bastelt. Die ersten Strecken sind schon voll mit ETCS ausgerüstet, dann wird weiter munter an der Programmierung gebastelt - aber eben national, nicht europaweit einheitlich. Genau das, was man eigentlich nicht haben wollte.
Die Spurweite eines Landes wird sich nicht ändern, seien wir ehrlich. Ebenso wie das Stromsystem. Was aber am "einfachsten" veränderbar ist, ist die Sicherungstechnik. Denn das bedarf lediglich eine Anpassung des Rollmaterials, ohne gleich flächendeckend Neufahrzeuge zu brauchen, wie das etwa eine Änderung der Normspurweite im Land zur Folge hätte. Selbst dreißig Jahre alte ICE1 sind mit ETCS nachgerüstet. Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen: Wir finden in Deutschland Lokomotiven aus der Zeit der Einheitsloks im Betrieb, die mit LZB ausgerüstet wurden, z.B. die Baureihen 151 oder 139.
Der innereuropäische Schienenverkehr läuft sehr gut, nur eben aktuell mit der großen Hürde der nationalen Zugbeeinflussungen, kaum aber mit der Hürde variable Spurweiten. Wir haben ICEs auch schon in London stehen sehen oder TGVs in Warschau. Wir haben fahrplanmäßige Verbindungen von München und Frankfurt nach Paris oder von Amsterdam nach Berlin und rüber nach Wien. Es gibt Direktzüge von Malmö nach Salzburg und Innsbruck.
Der Güterverkehr kann Genua mit Hamburg verbinden oder die osteuropäischen Länder mit Rotterdam.
Und all diese Strecken quer durch Europa haben die gleiche Spurweite.
Gleichzeitig sind andere Spurweiten auch kein unüberwindbares Hindernis. Auch damit kommt man seit langer Zeit klar, entweder man tauscht an der Grenze den Radsatz der Fahrzeuge oder man spurt im laufenden Betrieb um. Es gibt Umspuranlagen, die den Radabstand des Radsatzes bei der Durchfahrt verändern, somit ist der Grenzverkehr auch dort kein Problem mehr.
Es bleibt also das Fazit: ETCS wegen variabler Spurweiten als nutzlos zu deklarieren, macht keinen Sinn. Denn das Problem der Spurweiten existiert in weiten Teilen Europas nicht oder wurde bereits gelöst. Viel mehr sind die nationalen Spielereien und der mangelhafte Ausbauzustand von ETCS ein Problem.