Mutation und Gendrift?

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Als Mutation bezeichnet die Neuentstehung von Genvarianten, so genannten Allelen im Genpool einer Population, und ist neben der Rekombination der Hauptgrund für die Variabilität. Mutationen treten als Veränderungen im genetischen Code in der DNA auf. Als Punktmutationen bezeichnet man die Veränderung einer einzelnen DNA-Base. Sie kann verdoppelt (Duplikation), entfernt (Deletion), eine andere Base hinzugefügt (Insertion) oder die ursprüngliche Base durch eine andere ausgetauscht (Substitutaion) werden (Transition: eine Purin- wird gegen eine andere Purinbase bzw. eine Pyrimidin- gegen eine Pyrimidinbase getauscht, Transversion: Austausch einer Purin- gegen eine Pyrimidinbase oder umgekehrt). Auch ganze Gene oder Genabschnitte können mutieren, hier kann ein DNA-Abschnitt zusätzlich beispielsweise auch verkehrt herum wieder eingesetzt werden (Inversion). Und schließlich können auch Chromosomenabschnitte ihren Platz verändern (Translokation), Chromosomen vollständig miteinander verschmelzen (Robertsonsche Translokation), entfernt werden oder verdoppelt werden. Ursachen für Mutationen sind zum einen Kopierfehler beim Verfielfältigen der DNA (Replikation). Wenn das innerhalb der Keimbahn erfolgt, können die Mutationen vererbt werden. Zum anderen führen auch UV-Strahlung, ionisierende Strahlung, verschiedene Umweltgifte zu Mutationen.
Es gibt verschiedene Formen von Mutationen. Man kann sie z. B. danach unterteilen, welche Auswirkungen sie für ihren Träger haben. Es gibt vorteilhafte Mutationen, Mutationen mit neutraler Wirkung und nachteilig wirkende Mutationen. Die natürliche Selektion erfasst nur Mutationen mit negativer Wirkung. Positive und neutrale Mutationen werden von der natürlichen Selektion nicht aussortiert.

Als Gendrift bezeichnet man das Wirken des Zufalls auf die Evolution. Damit sind Veränderungen in der Allelfrequenz einer Population gemeint, die nicht durch die natürliche Selektion und nicht durch die sexuelle Selektion hervorgerufen werden. Es wird also der Zufall zu einer weiteren selektiven Kraft. Wie oben schon erwähnt, haben manche Mutationen keinen Einfluss auf den Phänotyp - sie sind neutral. Der genetische Code ist in Form von Tripletts organisiert. Immer drei hintereinander liegende Basen auf der DNA stehen für eine Aminosäure, die bei der Proteinbiosynthese an den Ribosomen in ein Protein eingebaut werden soll. Der genetische Code ist dabei degeneriert, d. h. es gibt mehr mögliche Triplett-Kombinationen als Aminosäuren. Manche Aminosäuren werden also durch verschiedene Tripletts codiert. Weil sie alle die gleiche Aminosäure codieren, also die gleiche Botschaft haben, bezeichnet man sie als synonym. Oft unterscheiden sie sich nur an der dritten Stelle. Ein Beispiel dafür: die Aminosäure Leucin wird an den ersten beiden Stellen von den Basen Cytosin (C) und Uracil (U) codiert. Bei der dritten Stelle ist es vollkommen egal, welche Base hier steht - es wird immer ein Leucin eingebaut. Nehmen wir an, die ursprüngliche Sequenz für ein Gen lautete CUA (A steht für Adenin), so wird an dieser Stelle ein Leucin ins Protein eingebaut. Nun kommt es zu einer Mutation und A wird gegen ein G (Guanin) ausgetauscht. Weil die Tripletts CUA und CUG synonym sind, wird der Phänotyp nicht verändert - es wird ja trotzdem die richtige Aminosäure, nämlich Leucin, verbaut. Solche Mutationen sind daher neutral und können von der natürlichen Selektion nicht erfasst werden.
Der Zufall kann aber dafür sorgen, dass solche neutralen Mutationen häufiger oder seltener als andere auftreten. Und wenn das geschieht, dann spricht man von Gendrift.

Dabei unterscheidet man zwischen zwei Formen der genetischen Drift: dem Gründereffekt und dem genetischen Flaschenhals.

Der Genpool einer Population ist die Gesamtheit der in ihr vorhandenen Allele. Jedes Allel kommt im Genpool mit einer bestimmten Häufigkeit vor. Diese Häufigkeit wird Allelfrequenz bezeichnet. Zum Gründereffekt kommt es, wenn ein kleiner Teil der Ausgangspopulation zum Begründer einer neuen Population wird, z. B. wenn einige Vögel vom Wind auf eine Insel verdriftet werden. Die dortige Population unterscheidet sich von der ursprünglichen auf dem Festland deutlich. Insgesamt ist ihr Genpool kleiner und nicht so vielfältig - da nicht alle Tiere auf die Insel verweht wurden, sind manche Allele gar nicht mehr vertreten. Andere Allele sind dagegen womöglich viel häufiger als in der Ursprungspopulation. Ihre Frequenz ist also viel höher geworden und das ursprünglich seltene Allel kann nun in der Population fixiert werden. Das ist sogar dann möglich, wenn es eigentlich ein schädliches Allel gewesen ist.

Vom genetischen Flaschenhals spricht man, wenn eine Population durch ein zufälliges Ereignis (eine Naturkatastrophe wie ein Erdbeben, ein Vulkanausbruch, ein starker Sturm, eine Flutwelle oder aber auch eine Krankheit) bis auf wenige Individuen ausgelöscht wird. Das Resultat ist ähnlich wie beim Gründereffekt: es bleiben nur einige Allele übrig, diese treten dafür mit höherer Frequenz auf.

Der genetische Flaschenhals sorgt deshalb in der Regel dafür, dass die genetische Diversität einer Population abnimmt. Begünstigt wird dies dadurch, dass sich infolge von Inzucht in kleinen Populationen stets die gleichen Allele miteinander kombinieren. Das führt zu einem Anstieg von Homozygoten in der Population, mit mitunter schlechten Folgen, denn viele Erbkrankheiten treten homozygot auf. Nur durch die Anhäufung neuer Mutationen oder die Einwanderung von Individuen aus anderen Populationen kann die genetische Vielfalt wieder zunehmen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig