Lösung Nautilus Biologie 12?

2 Antworten

Darwin geht erstens davon aus, dass die Individuen einer Art nicht gleich, sondern in ihren Merkmalen variabel sind, es sieht z. B. nicht jeder Mensch exakt wie der andere aus. Manche haben braune Augen, andere grüne oder blaue oder graue. Manche haben eine große Nase, andere eine kleine, manche sind größer und andere kleiner usw. Man nennt diese Vielgestaltigkeit Variabilität.

Als zweites hat Darwin beobachtet, dass die Variabilität nicht zufällig verteilt ist, sondern es bei Verwandten eine größere Ähnlichkeit gibt. Viele Kinder sehen ihren Eltern wie aus dem Gesicht geschnitten, vielleicht hast du selbst schon mal so etwas gehört wie: "Die Nase hast du von deinem Papa" oder: "Die Augen sind von der Mutter" usw. Daraus lässt sich schließen, dass Merkmale vererbt werden.

Was Darwin noch nicht wusste, war, was (die Gene in der DNA) da eigentlich vererbt wurde, nach welchen Gesetzmäßigkeiten (Mendelsche Vererbungslehre) und wie die Variabilität zustande kommt (Mutation und Rekombination). Dieses Wissen hat erst die Genetik der Evolutionsbiologie hinzufügen können. Heute wissen wir, dass Gene in verschiedenen Varianten (Allelen) vorkommen und unterschiedliche Allele einen unterschiedlichen Phänotyp hervorbringen. Es gibt z. B. bei Katzen ein Allel für schwarzes und eines für rotes oder blaues Fell.

Die nächste Beobachtung, die Darwin machte, war, dass immer mehr Nachkommen geboren werden als durch das verfügbare Nahrungsangebot eigentlich ernährt werden können. Die Individuen müssten deshalb miteinander in einen Wettstreit um die begrenzten Ressourcen treten. Das nannte er struggle for life oder den Kampf ums Dasein.

Nicht alle Individuen werden in diesem Überlebenswettkampf gleich erfolgreich sein. Einige Individuen werden mit ihren Merkmalen zufällig erfolgreicher sein als andere. Sie haben einen Überlebensvorteil. Wenn es in einem Gebiet z. B. viele Nüsse gibt, sind Vögel im Vorteil, die einen großen Schnabel haben, während Artgenossen mit kleineren Schnabel die Nüsse nicht knacken können und verhungern müssen. Es überleben also immer diejenigen Individuen im Kampf ums Dasein, die an ihre Unwelt zufällig am besten überleben können. Man nennt dies das Überleben des Angepasstesten oder survival of the fittest. Der Prozess der Auslese der am besten Angepassten durch die äußeren Umweltbedingungen nennen wir natürliche Selektion.

Die am besten angepassten Individuen leben länger. Wer länger lebt, hat natûrlich auch mehr Zeit sich fortzupflanzen, zeugt also mehr Nachkommen, die mit großer Wahrscheinlichkeit das vorteilhafte Merkmal von ihrem Elter erben werden. Biologen nennen das Maximierung der biologischen Fitness, wobei Fitness hier nichts mit körperlicher Kraft zu tun hat, sondern meint, wie erfolgreich ein Individuum seine eigenen Gene im Genpool (das ist die Gesamtheit aller Allele in einer Population) der Folgegeneration verbreiten kann.

Nun sind aber unter den Nachkommen wieder nicht alle gleich. Auch hier kommt es wieder zur natürlichen Auslese der am besten Angepassten und auf diese Weise verändern sich die Arten von einer Generation zur nächsten immer ein kleines bisschen und passen sich dabei immer an die Umwelt an.

Lamarck ging ebenfalls von einer Vererblichkeit der Merkmale aus. Anders als Darwin ging er aber davon aus, dass Merkmale, die im Laufe des Lebens erworben werden, vererbt werden. Wenn eine Giraffe ihren Hals in die Höhe streckt, so Lamarck, würde der Hals durch dieses Strecken länger und länger. Diese Eigenschaft würde sie dann vererben, ihre Nachkommen würden folglich schon mit einem langen Hals geboren werden. Dem Lamarckismus zufolge würden Unwelteinflüsse also auf die Merkmale einwirken und über sie vererbt werden.

Der Lamarckismus gilt für die biologische Evolution heute als widerlegt. Stell dir mal einen Bodybuilder vor, der jahrelang trainiert, bis er richtig dicke Muskelpakete hat. Wenn Lamarck recht hätte, würde das bedeuten, dass sein Sohn bereits mit solchen Muskelpaketen auf die Welt käme! Das ist natürlich nicht der Fall. Will der Sohn Muskeln wie sein Vater haben, muss er schon selbst trainieren.

Wie sieht das aber bei der kulturellen Evolution aus?

In der biologischen Evution werden, wie oben beschrieben, Informationen ausschließlich über die Gene weitergegeben. Das kann, von einigen Ausnahmen abgesehen (horizontaler Gentransfer bei Bakterien) immer nur in einer Richtung erfolgen, von den Eltern auf die Kinder.

Für kulturelle Informationen gilt das nicht. Richard Dawkins prägte für die kulturell weitergegebenen Informationseinheiten angelehnt an den Genbegriff das Wort "Mem". Ein Mem kann eine Idee sein, ein Lied oder ein Gedicht, eben alles, was wir kulturell weitergeben können. Anders als Gene werden Meme aber nicht über die Fortpflanzung weitergegeben und die Weitergabe ist daher nicht auf eine Richtung beschränkt. Durch Sprache, Texte oder durch Nachahmung können Meme sich auch innerhalb der selben Generation ausbreiten und sogar von der Kinder- auf die Elterngeneration. Das ist einer der Gründe dafür, weshalb kulturelle Evolution viel schneller ist als biologische.

Aber so wie Gene sich verändern, mutieren auch Meme. Ein Beispiel: früher glaubten die Menschen an viele Götter (Polytheismus). Irgendwann begannen die Menschen im nahen Osten plötzlich nur noch einen einzigen Gott anzubeten. Aus dem "polytheistischen" Gen war ein neues "monotheistisches" entstanden. Heute wiederum gibt es immer mehr und mehr Atheisten.

Genau wie Gene unterliegen auch die Meme einer Selektion, einige Meme sind also erfolgreicher als andere. Das "monotheistische" Mem war z. B. so erfolgreich, dass es in weiten Teilen der Welt das "polytheiytische" fast komplett verdrängt hat, die drei größten Weltreligionen, Christentum, Judentum, Islam) sind allesamt monotheistische Religionen (streng genommen sind sie das aber nicht wirklich, im Christentum wird ja z. B. auch die Jungfrau Maria angebetet, ist also streng genommen auch eine Göttin. Aber, pst!, die Christen hören das nicht so gern). Das heißt, dass auch der Mempool sich verändert, neue Meme kommen hinzu und breiten sich sehr schnell aus (vor nicht einmal 15 Jahren wusste niemand, was ein "Smartphone" ist!), andere sterben aus (kaum jemand beherrscht heute noch die Kunst des Telegraphierens oder des Buchstabensetzens).

Die Weitergabe kultureller Informationen kann durchaus auch den Prinzipien Lamarcks folgen. Wir stehen vor einem Problem, tüfteln daran herum, finden eine Lösung und können die Lösung anderen mitteilen. Im Lauf unseres Lebens erworbenes Wissen kann also auf kulturellem Weg weitergegeben werden, genau das funktioniert über biologische Evolution nicht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
luxuryslayzz 
Fragesteller
 17.01.2022, 19:40

Vielen vielen lieben Dank!!!
Du hast mir unglaublich weitergeholfen und mich das Thema auch nochmal von einer anderen Seite sehen lassen.

Du kannst unglaublich gut und verständlich erklären, danke danke danke :)

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Die A11 am Rand meinst du?

Nunja... das ist wirklich schwer in Worte zu fassen.

Bei der Vererbung nach Darwin geht alles nach der Genetik. Was also vererbt werden soll, muss in den Genen der Eltern stecken. Neue Merkmale, abweichend von den Erbanlagen, ergeben sich durch Mutationen im Erbgut und der Mischung von Erbgut zweier Individuen bei der sexuellen Fortpflanzung. Bezogen auf den Menschen heißt das, dass wir nicht bewusst Merkmale an uns ändern können und das dann weitervererben. (Von der Genschere mal abgesehen :) )

Nach Lamarck können Individuen Merkmale durch "Gebrauch" verändern und im veränderten Zustand auch vererben. Das berühmte Beispiel mit der Giraffe, deren Hals im Laufe der Zeit mit den Bäumen in die Länge wächst, weil sich die Tiere zum Fressen immer strecken müssen. Das funktioniert aber, im Bezug auf körperliche Merkmale und vererbbare Fähigkeiten nicht.

Die Theorie der Aufgabe ist gar nicht so doof. Klar, die körperliche Entwicklung folgt den Theorien Darwins - der Mensch ist in der Evolution keine Ausnahme. Auch wir werden bis heute von deren Mechanismen gesteuert und beeinflusst. Deshalb haben wir immer noch den gleichen Körper wie auch die Menschen Jahrtausende vor uns - obwohl wir viele Funktionen in unserem Luxusdasein heute gar nicht mehr brauchen. Wir können nicht bewusst eingreifen und nicht mehr benötigte, vll. sogar problematische Reste in uns einfach abschaffen. Siehe Blinddarm und Weisheitszähne. Wir folgen Darwins Theorien und müssen auf die Mutation warten, mit der es auf einmal keinen Blinddarm mehr gibt :D Dass unsere biologische Evolution nach Darwin abläuft, ist glaube ich verständlich, oder?

Kulturell aber haben wir unabhängig vom Individuum eine Art "Wissenscloud". Das heißt, wir werden nicht unbedingt mit dem Wissen und den Fähigkeiten geboren, das unsere aktuelle Umwelt uns abverlangt, aber die Gesellschaft hat dieses Wissen. Und so lernen wir innerhalb kürzester Zeit genau das, was wir aktuell brauchen. Ein Baby kommt exakt genauso dumm auf die Welt wie schon vor tausenden Jahren - mit den gleichen Instinkten. Die Welt ist heute aber eine andere, stellt andere Anforderungen an das Kind - und dieses Wissen wird dem Kind von der Gesellschaft (Eltern, Schule, Umfeld) beigebracht.

Diese "Cloud" voller Wissen, wie ich sie jetzt umschreibe, ist in ihrer Entwicklung nicht von Darwin abhängig. Das Wissen wird ja nicht vererbt, es ist in keinem Erbgut gespeichert. Es existiert in den Gehirnen der Menschen der Gesellschaft und wird den Kindern wieder beigebracht, bevor die älteren Mitglieder mitsamt ihres Wissens wieder sterben. Dazu gehören Daten, Erinnerungen, Fähigkeiten, Anleitungen, Rezepte, Bilder und so weiter. Mit jedem alten Menschen geht aber wieder Wissen verloren - in der Regel Wissen, das für die aktuelle Gesellschaft nicht mehr von Bedeutung ist, weil man moderner geworden ist. Mit jedem Menschen, der irgendwas neues entdeckt und publiziert, entwickelt sich das Weltwissen weiter. Wir forschen da, wo Bedarf ist und lassen das Wissen fallen, was wir nicht mehr brauchen. Das entspricht der Evolutionstheorie nach Lamarck: Ich entwickle ein Merkmal (bzw. in dem Fall eine Fähigkeit, ein Wissen), weil ich es zum Überleben brauche - und entwickle ein anderes zurück, weil ich es nicht mehr brauche. Man muss aber um die Ecke denken, um diesen Bezug herzustellen. Lamarck hat das eben auf körperliche Merkmale bezogen (siehe Giraffenhals), wir reden hier von Wissen, also etwas nicht-materiellem. Das macht es schwieriger vorstellbar.

So jetzt hab ich einen Aufsatz geschrieben - ich hoffe, dass du verstehst, was ich meine. Das ist nicht grade leicht und erfordert einige Gedankenspiele. Nicht unbedingt die biologische Entwicklung, das ist selbstverständlich. Aber das Spielchen mit Lamarck und unserer soziokulturellen Entwicklung ist schwerer zu verstehen.

luxuryslayzz 
Fragesteller
 12.01.2022, 22:45

Ich bin dir UNGLAUBLICH dankbar!!!

Ich glaub das war die beste Erklärung, die ich jemals zu irgendeinem biologischen Thema erhalten habe!

Du solltest umbedingt Lehrer werden, wenn du es nicht schon bist. Andere können sehr viel von dir lernen :)

Danke Danke Danke!

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ichbinich2000  13.01.2022, 00:59
@luxuryslayzz

Freut mich, wenn es dir hilft 😅

Ich bin tatsächlich kein Lehrer geworden 😅Nur war Bio im Abi damals mein Lieblingsfach. Aber es freut mich außerordentlich, wie du dich freust 😃

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