Wäre es rechtlich zulässig, wenn ein deutsches Bundesland aus der Bundesrepublik austreten möchte?

6 Antworten

Der Casus Knacksus:

Die Frage stellt sich erst, da das Grundgesetz weder einen Austritt eines Landes regelt, noch ihn ausdrücklich verbietet.

Da im Rahmen der Reform des Finanzausgleiches sowieso das Verhältnis zwischen Bund und Ländern im GG neu geregelt werden soll, könnte man dabei auch diesbezäglich Klarheit schaffen, indem man in Art. 29 GG auch das Prozedere eines eventuellen Ausscheidens eines Bundeslandes aus dem Bund (Volksabstimmung im Bundesland und Staatsverträge zwischen dem Bund und diesem Land) einvernehmlich und fair auf Augenhöhe regelt.



Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – und vor allem Lebenserfahrung

Die Bayernpartei will Bayern seit jeher von der BRD lösen. Wurde allerdings gerichtlich festgestellt, dass das nicht möglich ist

Nein.
Die alten Bundesländer sind Gründungsmitglieder des Grundetzes, sie können nicht austreten, auch nicht wenn sie Bayern heißen.
Darüber hat das BverfG bereits geurteilt.

Die neuen Bundesländer sind nur dem Grundgesetz beigetreten, sie könnten es ergo auch wieder verlassen, zumindest theoretisch.
So 'ne Art "New DDR", geht auch nur nicht, mangels einer anderen Verfassung.
Darüber hat de BverfG nicht geurteilt, mangels Klage.

soisses  01.02.2017, 18:13

Grundsätzlich gilt für die Bundesländer die "Bundestreue" so geregelt im Grundgesetz.
Ein eventueller Austritt wird im Grundgesetz gar nicht behandelt.

Völkerrechtlich wäre ein Austritt möglich, staatsrechtlich nicht.
Ausgenommen sind die fünf-neuen-Länder, die könnten theoretisch per Volksentscheid einen Austritt anstreben, soweit diese eine staatliche Autonomie errichten könnten.
Spätestens dann wäre das eine Sache für das Bundesverfassungsgericht, sich damit zu befassen.
Da Volksentscheid hin oder her, der Bund das betreffende Bundesland aus der Pflicht zur Bundestreue entlassen müsste.

Möglich wäre ebenso, das Grundgesetz um einen Austrittsartikel zu erweitern, wozu es eine 2/3 Mehrheit im Bundestag benötigen würde.
Auf eine Verfassungsänderung mehr käme es nicht an, da das Grundgesetz so um die 600x bereits geändert wurde.

Siehe im weiteren die Präambel des Grundgesetzes, sowie Artikel 29 und 79 des Grundgesetzes.

Entsprechende Austrittsbegehren versuchten bereits Bayern, NRW und Thüringen, jeweils erfolglos.

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vitus64  01.02.2017, 20:49

NRW hat versucht, aus der Bundesrepublik auszutreten?

Mit Sicherheit nicht.

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KinderTassilos  02.02.2017, 13:40

Art. 25 GG + Völkerrechtsgrundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker ?

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Der Austritt eines Bundeslandes ist in der Verfassung, dem Grundgesetz, nicht vorgesehen. Er wäre verfassungswidrig, weil er den Bestand der Bundesrepublik gefährden würde. Der Versuch allein müsste als Angriff auf die föderale Ordnung der Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz Artikel 20, 1 in Verbindung mit Artikel 79, 3) angesehen werden. In diesem Falle könnte der Bund Maßnahmen nach Artikel 37 des Grundgesetzes ergreifen, wenn die betroffene Landesregierung ihre polizeilichen Aufgaben nicht erfüllen kann oder will, also vielleicht sogar selbst in entsprechende Bestrebungen verwickelt ist.

Kurz: Herr Seehofer oder Herr Ramelow und ihre Kumpanen - als Themenstichworte wurden "Bayern" und "Thüringen" eingefügt! - würden abgesetzt und inhaftiert. Ob sie so dumm wären? Ich glaube es nicht.

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.
KinderTassilos  02.02.2017, 13:26

Übersehen Sie da nicht Artikel 25 GG ?

Dieser macht auch dass allgemeine Völkerrecht zum Bestandteil des Grundgesetzes. Das Grundgesetz regelt in der Tat nicht wörtlich den Austritt eines seiner Gliedstaaten (Bundesländer). Ein "Austrittswilliges Bundesland" könnte sich somit IMHO auf den Völkerrechtsgrundsatzes des "Selbstbestimmungsrechtes der Völker berufen" und eine entsprechende Volksabstimmung abhalten. Ob der Gerichtshof in Den Haag den Beschluss 2 BvR 349/16 des  BeVerfG vom 16.12.2016 (unter Vorsitz des Richters und CSU-Parteigängers Huber) mit seiner mehr als dürftigen und pauschalierenden Begründung folgen würde, möchte ich bezweifeln. Insbesondere wegen Art. 25 GG, den dieser fragliche Beschluss einfach "außen vor" lässt.
Ein weiterer Denkfehler ist, das Bayern erst mit einem Austritt aus dem Bund zum Staat würde. Der Freistaat Bayern hat zwar 1949 (auf aliierten Druck hin) das Grundgesetz trotz desssen Ablehnung durch den Landtag für rechtsverbindlich erklärt. Es hat aber nicht alle Souveränitätsrechte auf den Bund übertragen (z.B. Kulturhoheit, innere Sicherheit etc.). Der Landtag ist ein "Vollparlament" mit eigener (durch das GG jedoch eingeschränkter) Gestzgebungshoheit. Die Bayerische Verfassung von 1946 ist eine Vollverfassung und sieht z.B. auch in Art 6 die eigene Staatsbürgerschaft vor.

Das Bundesverfassungsgericht geht immer noch von einem ewigen Bund aus, der von den beigetretenen Staaten nicht mehr lösbar ist. Es bezieht sich letzendlich auf die Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1866 bzw. der Reichsverfassung von 1871.

Dass dieser "Norddeutsche Bund" bzw. die Verfassung von 1871 letztendlich erst durch den Bruch der Deutschen Bundesakte von 1815 durch Preußen (Art. XI durch den Preßisch-Italienischen Allianzvertrag), und den Anschließenden Krieg Preußens gegen die deutschen Bundestruppen mit der Anschließenden Zwangsauflösung des Deutschen Bundes, das Hinausdrängen Österreichs, die abgezwungenen Schutz- und Trutzbündniss, sowie den von Bismarck provozierten Französich-Deutschen Krieg von 1871 nicht durch das Volk in freier Abstimmung, sondern durch Bismarck mittels Vertragsbruch, Blut und Eisen" unter Zwang zustande kam, ist dem BVerfG schier egal.

Ein solcher "ewiger Bund" ist aber darüber hinaus IMHO eine äußerst undemokratische Angelegenheit, da er künftige Generationen in ihren Bürgerrechten diesbezüglich erheblich einschränkt, wiederspricht also IMHO selbst der demokratischen Grundordnung.

Es ist festzustellen, dass das Deutsche und das Bayerische Volk weder über die Reichsgründung 1871, noch über die Weimarer Reichsverfassung und auch nicht über das Grundgesetz abstimmen durften.
Bayern wurde 1871 ins Reich gezwungen (vgl. die Landtagsprotokolle der Redeschlacht im Bayerischen Landtag (Nachdruck unter dem Titel : "Wilder Kaiser und Reich" ISBN 3-7991-583-5, erschienen im Süddeutschen Verlag, 1977);

Bayern und den anderen Bundesstaaten wurden durch die WRV einseitig der meisten ihrer Hoheitsrechte beraubt, ohne dass die Landtage dieser Übertragung der Hoheitsrechte vorher zugestimmt hätten. Bayern wurden durch WRV zudem die Reservatrechte (eigene Post, eigene Bahn, eigene Armee und eigene Diplomatie) einfach abgesprochen und auf das Reich übertragen.

Wie schon oben erwähnt wurde auch der Beitritt zum Grundgesetz von den Aliierten Besatzungsmächten vorausgesetzt. 

So schön ist also die deutsche Verfassungstradition gar nicht, oder?

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KinderTassilos  02.02.2017, 14:54
@KinderTassilos

Und wieso ein Angriff auf die föderale Ordnung?


Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes sagt, dass die Bundesrepublik
föderal aufgebaut sein muß. D.h. sie muss aus mindestens mehreren Bundesländern bestehen, deren Mindestgröße und Mindestanzahl nicht bestimmt ist.

Theoretisch könnte sich die Bundesländer gemäß Art, 29 GG so lange vereinigen bis nur noch 2 übrig werden. Im Extemfall z.B. "Merkelland" mit 79 Millionen Einwohnern und das Saarland mit 1 Million.

Wollten sich auch diese Länder vereinigen schiebt Art. 20 GG den Riegel vor. Deutschland müsste sich dazu eine neue Verfassung geben.

Im Umkehrschluss ist die föderale Ordnung im Geltungsbereich des GG auch dann nicht gefährdet wenn die Anzahl der Bundesländer durch eine völkerrechtliche Sezession sinkt. Auch hier greift Art. 20 GG erst wenn keine 2 Länder mehr übrig blieben.

Wo wäre hier ein Versoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung, wenn sich ein Austrittsbegehren eines Bundeslandes aus Art. 25 GG i.V.m. dem allgemeinen Völkerrecht stützen würde?

Es ist ja nich so, dass dies die Auflösung der Bundesrepublik nach sich ziehen würde, sondern lediglich eine Korrektur der Präambel, in der heute ja auch nicht mehr Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern genannt sind, oder irre ich mich da?

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ArnoldBentheim  02.02.2017, 15:40
@KinderTassilos

Ein "Austrittswilliges Bundesland" könnte sich somit IMHO auf den Völkerrechtsgrundsatzes des "Selbstbestimmungsrechtes der Völker berufen" und eine entsprechende Volksabstimmung abhalten.

Dieser Völkerrechtsgrundsatz ist nicht anwendbar. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es nur ein Volk, das deutsche Volk, aber kein bayerisches, sächsisches, nordrhein-westfälisches usw. Volk (vgl. Grundgesetz Artikel 33)!

Außerdem ist Bayern kein souveräner Staat, sondern ein Bundesland, das zur Solidarität mit dem Bund als Gemeinschaft aller Bundesländern verpflichtet (vgl. Grundgesetz Art. 35) und grundsätzlich dem Bund untergeordnet ist. Bundesrecht bricht immer Landesrecht (Grundgesetz Art. 31)!

Insofern haben weder das Land Bayern noch ein vermeintliches bayerisches "Volk" das Recht, sich gegen den Bund und gegen das deutsche Volk zu stellen!

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KinderTassilos  02.02.2017, 16:26
@ArnoldBentheim


Und so müsste wohl der Internationale Gerichtshof in Den Haag darüber entscheiden, denn zumindest sah das der bayerische Verfassungsgeber (das Volk) 1946 aber anders:


Präambel der bayerischen Verfassung:


Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und
Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat, in dem festen Entschlusse, den kommenden deutschen Geschlechtern die Segnungen des Friedens, der Menschlichkeit und des Rechtes dauernd zu sichern, gibt sich das Bayerische Volk, eingedenk seiner mehr als tausendjährigen Geschichte, nachstehende demokratische Verfassung



Art. 6 BV:

(1) Die Staatsangehörigkeit wird erworben
1. durch Geburt;
2. durch Legitimation;
3. durch Eheschließung;4. durch Einbürgerung.

(2) Die Staatsangehörigkeit kann nicht aberkannt werden.
(3) Das Nähere regelt ein Gesetz über die Staatsangehörigkeit.

Art. 7 BV:

(1) Staatsbürger ist ohne Unterschied der Geburt, der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens und des Berufs jeder Staatsangehörige, der das 18. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Der Staatsbürger übt seine Rechte aus durch Teilnahme an Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sowie Volksbegehren und Volksentscheiden.
(3) Die Ausübung dieser Rechte kann von der Dauer eines Aufenthalts bis zu einem Jahr abhängig gemacht werden.
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ArnoldBentheim  02.02.2017, 16:32
@KinderTassilos

zumindest sah das der bayerische Verfassungsgeber (das Volk) 1946 aber anders

Wie es das sog. bayerische Volk auch immer sehen will: Bundesrecht steht über Landesrecht - und es gibt nur ein Volk in Deutschland: das deutsche! Da gibt es für Den Haag nichts zu entscheiden!

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KinderTassilos  02.02.2017, 16:49
@ArnoldBentheim

Der Rechtsgedanke des preußischen Hegemonialstaates:

Arrogant und nicht totzukriegen!

Aber Völkerrecht geht nationalem Recht, somit auch dem GG vor!

Zumindest, wenn das bayerische Volk sich in einer Volksabstimmung jemals dazu entscheiden sollte.

Sollte die zunehmend zentralistische und deutschnationale Politik des Bundes so weitergehen, würde mich das jedoch nicht wundern.

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ArnoldBentheim  02.02.2017, 16:53
@KinderTassilos

Aber Völkerrecht geht nationalem Recht, somit auch dem GG vor!

So ist es. Und da es nur ein deutsches, aber kein bayerisches Volk gibt, ist die Sache erledigt!

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ArnoldBentheim  02.02.2017, 17:36
@KinderTassilos

Ihr altbayerischen Nationalisten seid schon ein seltsames "Völkchen" - aber aus dieser meiner Bemerkung können keine weiteren rechtlichen Folgerungen gezogen werden.  :-))

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KinderTassilos  02.02.2017, 17:54
@ArnoldBentheim

Nicht Freiheits- und Heimatliebe mit Nationalismus verwechseln !   ;-))



"Bayern ist vielleicht das einzige deutsche Land, dem es durch
materielle Bedeutung, durch die bestimmt ausgeprägten Stammeseigentümlichkeiten
und durch die Begabung seiner Herrscher gelungen ist, ein wirkliches
und in sich selbst befriedigtes Nationalgefühl auszubilden."


(Bismarck an den preußischen Gesandten in München, 1865)


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ArnoldBentheim  02.02.2017, 18:06
@KinderTassilos

Interessant, auf wen sich preußenfeindliche Bayern gelegentlich als Gewährsmann berufen müssen. Aber über 150 Jahre später wäre ein wenig deutscher Patriotismus - nicht zu verwechseln mit Nationalismus! - durchaus angebracht.  :-))

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KinderTassilos  02.02.2017, 18:18
@ArnoldBentheim

2 Angriffskriege, 2 Diktaturen, Holocaust und Rassenlehre, sowie 1 Hyperinflation  in nicht mal 150 Jahren deutscher Nationalstaatsgeschichte machen einem dasaber nicht sonderlich leicht.

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ArnoldBentheim  02.02.2017, 18:27
@KinderTassilos

Die Aufzählung negativer historischer Erscheinungen steht im Zusammenhang mit vornehmlich nationalistischen und unpatriotischen Staatsformen in Deutschland.

Patriotismus beruht vornehmlich auf unserem Wertesystem, wie es im Grundgesetz beschrieben ist, und steht anderen Staatswesen nicht überheblich gegenüber, sondern befürwortet solidarische Gemeinsamkeit auf Augenhöhe.  

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KinderTassilos  02.02.2017, 19:03
@ArnoldBentheim

Da gebe ich ihnen recht. Leider werden diese Begriffe durch NPD und den rechten Flügel der AfD zu sehr missbraucht. Daher meine harrsche Gegenreaktion auf ihre Patriotismusaufforderung.  Sorry!

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mgrasek100  31.03.2017, 05:39
@KinderTassilos

Muss mich mal einschalten: Das von ihnen genannte Urteil ist schon richtig so, denn Art. 25 GG beschreibt VölkerGEWOHNheitsrecht, dass ist schon mal ihr erster Fehler, hinzu kommt, dass selbst dieses Völkergewohnheitsrecht UNTER dem GG steht, so (BVerfGE 37, 271, 279) in seiner Entscheidung, so dass die verfassungsmäßige Ordnung ÜBER Art. 25 GG angesiedelt ist, gewissermaßen hat also das GG hier das letzte Wort, um es mal vereinfacht zu erklären. 

Dann ist auch die Aussage der Bayernpartei bspw. falsch, dass ein Austritt möglich wäre, denn m.E geht das eben NICHT, zumal Bayern hier das GG zwar ablehnte 1949, es aber dann duldetet und alle anderen Ländern es akzeptierte, so dass die 2/3 Mehrheit entstanden ist. 

Auf das Völkerrecht würde ich mich hier an ihrer Stelle noch viel weniger verlassen, als auf das innerdeutsche GG, denn da holen sie sich dann eine blutige Nase, sie vergessen nämlich, dass eben genau dieses Völkerrecht KEINESFALLS eine Sezession zulässt, WENN die MINDERHEITEN, also in diesem Fall die Bayern ( falls sie überhaupt ein eigenes Volk sind) in einem Bundesstaat GEACHTET und RESPEKTIERT werden, dass ist un bleibt hier der Pferdefuß, dass heist, dass eine Abspaltung in Deutschland völkerrechtlich zu 99,999% unmwarhheinliuch ist, denn Deutschland ist ein Rechtsstaat, dass schon von Verfassungswegen seine Minderheiten penibel achtet. Ipsen u. a., Völkerrecht, S. 368 f.

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Natürlich können sie austreten. Sie müssen das nur politisch und vor allem militärisch durchsetzen.