Karl der Große als Vater Europas?

4 Antworten

Karl der große Sachsenschlächter kann nicht der Vater Europas sein, weil Europa bis zum Ural reicht. Weder umfaßte sein Reich das heutige Polen, noch England, Spanien, Portugal, Nordeuropa usw.

Abgesehen davon weigere ich mich, einen zwangsmissionierenden Menschenschlächter als "Vater" zu bezeichnen. Das ist ethisch einfach nicht vertretbar. Ein normaler Vater massakriert seine Kinder nicht.

... Karl der Große.Ist er eurer Meinung auch der Vater Europas,

Karl war König der Franken - das war ihm zeitlebens wichtig. Durch seinen Kontakt zum Papst wurde er zum staatsrechtlichen Nachfolger der römischen Kaiser, erneuerte mit Hilfe des Papstes in Europa das weströmische Kaisertum. Aber mit "Europa" als politischem Begriff konnte Karl nichts anfangen. Insofern war er auf jeden Fall der "Vater" eines "Kindes", das er nicht bewusst "gezeugt" hat.

Aber Karl hat für Europa etwas geleistet, was ihm nicht bewusst war. Ich nenne ein paar Stichworte:

  • Anknüpfung an die römische Geschichte und den römischen Reichsgedanken;
  • Förderung und Ausbreitung des christlichen Glaubens römisch-katholischer Observanz;
  • durch Förderung der lateinischen Sprache und durch die Überlieferung der lateinischen Literatur, die sich seit der Spätantike erhalten hatte, legten Karl und seine gelehrten Berater den Grundstein für die Entwicklung der christlich-europäischen Kultur.

Wenn man also diese wegweisenden, bis in die Gegenwart wirkenden Entscheidungen und Leistungen Karls bedenkt, dann kann man ihn als "Vater Europas" sehen.

welche Unterschiede gibt es zwischen dem damaligen Imperium und dem heutigen Europa?

Karl hat Europa nicht geeint, sondern durch die Übernahme des weströmischen Kaisertums nur die Idee eines "römischen Reiches", das u. a. weite Teile Europas beherrschte, wiederbelebt. Zu Karls Reich gehörten vorallen Deutschland, Frankreich, Belgien und die Niederlande, dazu Norditalien und kleine Teile Spaniens. Allein vom Umfange her ist Europa, ist die EU bedeutend größer.

Karls "Imperium" oder Reich war eine Monarchie, die Länder, die er beherrschte, galten als sein Eigentum. Das heutige Europa ist eine Gemeinschaft freier, demokratischer Staaten und selbst wenigstens halbwegs demokratisch. Europa ist aber kein "Imperium".

Das mag genügen.

MfG

Arnold

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich arbeite als Historiker.
ma0714 
Fragesteller
 06.03.2018, 21:01

Vielen Dank für die super ausführliche und hilfreiche Antwort!

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Niconasbeznas  06.03.2018, 22:41

Karls Reich war ein Witz im Vergleich zu römischen Imperium. Die wahre Erbe Roms war übrigens Ostrom.

Übrigens! Nicht umsonst wird der Großvater französisch Martell genant.

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So ein "Titel" wie "Vater Europas" ist natürlich nur als ein Gleichnis aufzufassen. Einige Historiker können einem solchen Vergleich zustimmen, andere nicht.

Die Leistungen Karls des Großen, die ihm in kommenden Jahrhunderten diese Bezeichnung eingebracht haben, kannst du selber ergoogeln.

Das damalige Imperium und das heutige Europa (bzw. die EU) sind natürlich sehr unterschiedliche gesellschaftliche und politische Gebilde. Da könnte mich auch jemand nach den Gemeinsamkeiten und den Unterschieden zwischen einem Roggenbrot und einer Fertigpizza fragen ...

ma0714 
Fragesteller
 06.03.2018, 19:55

Die Frage war eine persönliche Meinung zu der aufgestellten These.Vielleicht denken Sie dass es zwei verschiedene Welten sind, aber andere denken das nicht, d.h. so selbstverständlich wie Sie das hier ausdrücken ist es wohl doch nicht.Ich kenne die Leistungen Karls aber das sollte mich nicht dran hindern andere nach ihrer Meinung zu fragen.Trotzdem danke für die Antwort.

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Vater Europas ist vielleicht übertrieben. Aber er hat die Grundlagen gelegt, indem er ein Reich erschaffen hat, aus dem sich nach der Vererbung an seine Söhne das heutige Gesicht Westeuropas herauskristalisiert hat.