Kann mir jemand eine BWL Frage beantworten?

4 Antworten

Hallo EDEBoy,

wenn Du bereits seit 4 Jahren im Unternehmen 2 Filialen erfolgreich geführt hast, dann hast Du dort aus einer "nicht so gut laufenden Filiale" eine "merklich besser laufende Filiale" gemacht. Ich vermute, so ist es und das ist der Grund, warum Du nun eine neue Aufgabe erhalten hast.

Bei der neuen Filiale war der Umsatz bis zu Deinem Eintreffen von dem früher mal besten Umsatzwert (= 100%) eingebrochen, also z.B. auf 90% oder weniger zurückgegangen. Gleichzeitig kam es zu einer sehr schlechten Personalsituation.

Du hast nun aus der schlechten Personalsituation ein erträglich bessere oder gar eine gute Personalsituation gemacht und die "alte Umsatzhöhe" von 100% erreicht.

Ist das so richtig?

Wir gehen im Vergleich immer von einer Umsatzhöhe aus, die wir konstant 100% nennen. An diesem Wert werden Umsatzsteigerungen oder Umsatzrückgang gemessen. Ein zweiter, eigentlich der wichtigere Vergleichswert, ist der Gewinn vor Steuern. So kannst Du theoretisch den Umsatz von 100% erreichen und sogar übersteigen und trotzdem in die Verlustzone kommen, wenn Du Produkte nimmst, an denen wenig bis nichts verdient wird. Um das klar zu erkennen, greifst Du auf die G+V vom Vergleichsjahr und auf die vom Jahr 2019 zurück und nimmst die Finanzierungskosten (Zinsen, Gebühren) raus. So stehen in der G+V nur noch die Kosten, die direkt mit der Filiale und dem wirtschaftlichen Handeln zu tun haben.

Umsatz ./. Einkauf = Rohgewinn

Rohgewinn ./. Personalkosten = Deckungsbeitrag (==> Gewinn vor Steuern)

==> habe ich das klar genug erklärt? Weißt Du, was ich meine?

Ich unterstelle mal, dass Du nicht nur die "alte" Umsatzhöhe von 100% erreicht hast, sondern dass auch der zweite, wichtigere Wert, "Gewinn vor Steuern" oder auch Deckungsbeitrag genannt, die alte Höhe des Vergleichsjahres ebenfalls erreicht haben.

Wenn hier in etwa Gleichheit herrscht, vor allem beim Deckungsbeitrag, dann gratuliere ich Dir. Wenn der "alte" Deckungsbeitrag erreicht wurde, jedoch die alte Umsatzhöhe nicht, dann liegt darin der Grund, warum Dein Vorgesetzter unzufrieden ist. Er geht davon aus, dass der Gewinn durchaus noch steigen kann, wenn man nur den Umsatz steigert.

Ich würde Umsatz und Gewinn pro pro 1€ Personalkosten ermitteln. So könntest Du zu dem folgenden Ergebnis kommen:

Im Vergleichsjahr (z.B. 2016) lagen

Umsatz pro 1€ Personalkosten bei 8,50 Euro. Also mit 1 Euro Personalkosten wurde damals 8,50 Euro Umsatz gemacht.

Der Gewinn lag pro 1 € Personalkosten bei 1,25 €. Also jeder Euro, der für Personalkosten ausgegeben wurde, erzielte die Filiale im Vergleichsjahr 1,25 € Gewinn vor Steuern (Deckungsbeitrag).

Diese Werte aus dem Vergleichsjahr vergleichst Du mit den Werten aus 2019. Und jetzt hast Du den Durchblick.

Immer dann, wenn der Gewinn pro Personalkosten-Euro zurückgeht, ist zu überlegen, ob die Einstellung der letzten eingestellten Personen ggf. falsch war. Irgendwo ist das Maximum erreicht, welches Du mit einem Mehr an Personal erreichen kannst. Ab dem Punkt geht der Deckungsbeitrag rückwärts und die Filiale könnte sogar bei steigenden Umsätzen Verluste einfahren.

Nehmen wir mal an, dass aber alle Vergleichswerte aus 2019 so gut sind wie die aus dem Vergleichsjahr 2016, dann ist wirklich alles bestens. Du kannst durchaus nachweisen, dass nur eine Person mehr auch ein Mehr an Gewinn (=Deckungsbeitrag) bringt. Solange es dieses Mehr gibt, auch dauerhaft, ist es betriebswirtschaftlich gerechtfertigt, mehr Pesonal einzustellen.

Mit diesen Zahlenvergleichen und mit Deiner Leistung stehst Du auf der sicheren Seite und keiner kann dann besser beurteilen, was in der Filiale zu tun oder zu lassen ist, also Du. Jeder Druck von oben ist nicht gerechtfertigt und das würde ich dann an mir abtropfen lassen. ==> Dann solltest Du Deine guten Zahlen auch verkaufen. ==> Du weißt, was damit gemeint ist?


EDEBoy 
Fragesteller
 04.01.2020, 12:42

Also erst mal, tolle Antwort! Ok die rein rechnerische Seite ist mir klar. DB 1 und DB 2 sind gestiegen, ebenso wie die Leistung. Vorrangig geht es um die reine Optik des Ladens offensichtlich. Aber ohne mehr MA kann aus meiner Sicht die Optik nicht besser werden. (Optik bedeutet: Regale immer voll, vorgezogen, sauber, etc.). Wenn der DB steigt und die Leistung zugenommen hat. Gibt es einen BWL technischen Grund nicht mehr MA einzustellen?

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Nordlicht979  04.01.2020, 13:32
@EDEBoy

Ja. der wichtige Grund, keine Mitarbeiter mehr einzustellen, sehe ich darin: Dass kein einziger Vorteil erwartet wird.

Die Verbesserung der Optik ist gut für das Image. Das schlägt sich langfristig positiv nieder. Dafür sollte man etwas Geld in die Hand nehmen.

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Denk es von der anderen Seite her! Mehr Mitarbeiter wird es nicht geben. Also musst du mit den vorhandenen Mitteln mehr erreichen. Nennt sich auch Maximalprinzip in der BWL - mit vorgegebenen Mitteln das bestmögliche Ergebnis erreichen!

Um das zu schaffen, solltest du ganz genau sämtliche Prozesse und Abläufe in dem Markt genau anschauen und nach Optimierungsmöglichkeiten suchen. Und zwar dahingehend, dass deine vorhandenen Mitarbeiter mehr Arbeit auf leichtere Weise in der gleichen Zeit schaffen.

Mal so als Beispiel: wenn die Getränke weit weg vom Lager stehen, kostet es viel Zeit und Energie, sie vom Lager an den Verkaufsplatz zu bringen, weil Getränke sperrig und schwer sind. Also wäre es sinnvoll, hier die Anordnung zu überdenken. Eventuell auch nur innerhalb der Getränkeabteilung. Steht das meistverkaufte Getränk so, dass man mit dem Hubwagen drei mal um Ecken muss? Kann man es an einen praktischeren Platz stellen?

Denk und analysier das wirklich bis in's Klein-Klein! Selbst ein paar Sekunden pro Handgriff oder Kunde, die man spart, läppern sich da ganz schnell auf Stunden und Tage auf's Jahr hochgerechnet. Zeit, die sonst entweder in Überstunden endet oder eben in massiven Engpässen.

Frag dazu auch deine Mitarbeiter, lass sie mitdenken, welche Arbeitsabläufe für sie Zeitfresser sind und hör dir an, ob sie nicht bereits ein paar Verbesserungsideen dort hätten.

Und vergiss dann auch das Thema Automatisierung nicht. Selbstzahlerkassen, Pfandautomat, Obst und Gemüse durch Kunden selber wiegen lassen statt an der Kasse - einmalige Investitionen in solche Systeme lassen sich auf der nächsthöheren Etage oft wesentlich leichter durchsetzen als die dauerhaften, oft mit der Zeit steigenden Kosten für mehr Personal...

Naja, und dann wäre halt noch die Frage, inwiefern du das Sortiment selbst mitbestimmen kannst und ob es da noch Spielraum gäbe. Wenn du dort Spielraum hast, dann analysier auch hier das Sortiment und das Kundenverhalten ganz genau und schau, ob sich dort auch noch Optionen befinden, die Umsätze durch ein besser zum Klientel passendes Sortiment zu steigern.

Wenn du bloß den Umsatz steigern möchtest, brauchst du ein hochpreisiges Angebot. Mit H-Milch wird das schwierig.

Ganz einfach: Wenn der nötige Umsatz nicht erreicht wird, kann die Filiale auch nicht mehr Mitarbeiter finanzieren. Erst muss der Umsatz steigen, dann gibt es mehr Mitarbeiter.


EDEBoy 
Fragesteller
 04.01.2020, 08:57

Das ist mir soweit klar. Leider verfügen wir meiner Meinung nach nicht über die notwendige Menpower um den bestehenden Umsatz zu halten. Geschweige denn eine Steigerung zu erzielen. Der Umsatz ist zum Vorjahr nicht wirklich gefallen (bis jetzt) nur die geplante Steigerung wurde nicht erreicht. Also weniger Mitarbeiter (25-30%) bei gleichem Umsatz sind im Raum.

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miezepussi  04.01.2020, 09:00
@EDEBoy

Ich verstehe Dein Problem, das ändert aber nix an der Situation.

stell dir vor, es handelt sich nicht um eine Kette, sondern um ein einzelnes vom Inhaber geführtes Geschäft. Dieser Inhaber muss von dem erzielten Gewinn, seine Mitarbeiter bezahlen und den Gewinn steigern wenn er mehr Mitarbeiter einsetzen will.

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EDEBoy 
Fragesteller
 04.01.2020, 09:25
@miezepussi

Dann muss ich wohl akzeptieren, dass der Markt unhaltbar ist. (Was ich eigentlich nicht glaube) eine Mehrleistung der vorhandenen Mitarbeiter ist nicht möglich. Meine MA schieben Überstunden im 100er Bereich vor sich her. Und ich habe zwischen 70 und 90 Stunden die Woche. Also wäre die Konsequenz, dass der Markt seine Leistungsgrenze erreicht hat, was natürlich nicht akzeptabel ist.

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miezepussi  04.01.2020, 11:28
@EDEBoy

Vielleicht andere Produkte dem Sortiment hinzufügen?

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EDEBoy 
Fragesteller
 04.01.2020, 12:38
@miezepussi

Filialisierter Einzelhandel... Keine große Wahlmöglichkeit. Leider

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miezepussi  04.01.2020, 13:13
@EDEBoy

mh... verstehe. das ist blöd.

Habe unter anderem eine Ausbildung im Einzelhandel gemacht. Auch diverse Filialen. Es gab aber schon Filialen die ein größeres Sortiment hatten. Somit gab es dann auch eine Möglichkeit (in einer kleineren Filiale) etwas anderes aufzumehen, musste nur mit "oben" abgesprochen werden.

HappyMe hat noch tolle ideen. Lies das mal.

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