Kann man Russlanddeutsche zu Russen zählen?

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Fuer mich sind die jetzigen Russlanddeutschen eindeutig Russen. Nur weil vor sehr vielen Generationen mal Deutsche in russischen Gebieten siedelten, ueber die Jahrhunderte Russen heirateten und schon lange kein Deutsch mehr sprachen / sprechen, bezeichneten sie sich als Deutsche, weil das die einzige Moeglichkeit war, Russland Richtung Westen verlassen zu koennen.

Ich bin Deutsche und keine Niederlaender-Deutsche, nur weil meine Oma aus den Niederlanden kam. Wer weiss, welche Nationalitaeten ich noch in mir trage........ Mein Mann kommt aus einem asiatischen Land, hat einige Generationen zurueck einen europaeischen Vorfahren. Haette er damit Anspruch auf Einbuergerung in einem europaeischen Land gehabt? Nein.

letatlin  21.01.2023, 01:08

Sorry, aber niemand hat da über Jahrhunderte Russen geheiratet, wie kommst du denn darauf? Das waren geschlossene deutsche Siedlungsgebiete, flächenmäßig zum Teil von der Größe Belgiens an der Wolga zum Beispiel aber auch in der Ukraine, mit deutschen Dörfern, Städten, Kirchen, Schulen, Universitäten, Buch- und Zeitungsverlagen, Bibliotheken, Theatern usw. Die komplette Infrastrukur. Alles deutsch. Da kam kaum ein Russe vorbei und hat einen geheiratet. Heiraten ging gar nicht. Allein schon wegen der unterschiedlichen Religion, und weil keiner Russisch sprach. Meine Mutter ist fast ohne Russischkenntnisse eingeschult worden und das 1961 bereits in der sibirischen Verbannung. Ich wurde mit 5 in den Kindergarten gesteckt, damit ich vor der Schule noch ordentliches Russisch lerne, weil ich so ein Kauderwelsch aus beiden Sprachen sprach. Das war 1981. Wir sind nicht aus Spaß hier, sondern weil durch den zweiten Weltkrieg unsere Lebensgrundlage dort komplett zerstört wurde. Etwa ein Drittel von uns hat den Gulag nicht überlebt, wo wir einzig und allein wegen unserer deutschen Nationalität gelandet sind. Nur weil jetzt ein paar angeheiratete Russen, Kasachen oder Kalmücken mitgekommen sind und ihre Kinder hier verwirrt sind und Identitätsprobleme haben, heißt das lange noch nicht, dass das alle betrifft. Meine Großeltern sind beleidigt, wenn man sie Russen nennt, aber nicht etwa weil sie etwas gegen die Russen haben, sondern weil sie wegen ihrer deutschen Nationalität so viel Leid erfahren mussten. Ich bitte Dich, irgendwann mal muss das doch mal ein Ende haben.

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haugen  21.01.2023, 10:46
@letatlin

Deswegen habe ich geschrieben "fuer mich sind die jetzigen Russlanddeutschen eindeutig Russen." Je nach Sichtweise, je nach Erlebtem, je nach Familiengeschichte hat jeder seine eigene Meinung. Ich habe meine, du hast deine. Im uebrigen sind im und nach WW2 Millionen von Menschen die Lebensgrundlage nicht nur in diversen Laendern Osteuropas genommen worden und im Gulag sind nicht nur Russlanddeutsche gelandet.

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letatlin  21.01.2023, 18:25
@haugen

Na gut, da bin ich ja froh, dass wir in einer Demokratie und in einem Rechtsstaat leben, wo Entscheidungen die Millionen von Menschenleben betreffen können, nicht aufgrund von willkürlichen und persönlichen Einzelmeinungen getroffen werden. Auch ein Grund, warum ich sehr gern hier lebe.

Wobei, meine Großeltern wurden hier im Krieg 1943 als Flüchtlinge ganz amtlich eingebürgert, bevor die Rote Armee kam, und sie zurück in den Gulag verfrachtete. Die Behörden hier schienen auch damals kein Problem damit gehabt zu haben, sie als Deutsche anzuerkennen. Und so eine Staatsangehörigkeit verfällt nicht und wird automatisch an die direkten Nachkommen weitergegeben. Ich hatte also sowieso das Recht darauf herzukommen, ganz unabhängig von irgendwelchen persönlichen Befindlichkeiten oder Meinungen. Gesetz ist Gesetz.

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MargoRuss590  24.11.2023, 15:13

So ein Blödsinn. Wolgadeutsche haben 200 Jahre nur unter sich gelebt, deutsch gesprochen, deutsch gegessen, deutsche Schulen besucht. Da gab es keine Mischungen.

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Wenn sie noch die russische Staatsangehörigkeit besitzen, dann im Grunde ja. Zumindest offiziell. Sonst, meine Großeltern wären beleidigt, dafür haben sie nicht den Gulag überlebt. Ich wäre jetzt nicht beleidigt, binde es aber nicht jedem gleich auf die Nase. Dort wurde ich als Deutscher beschimpft, hier als Russe. Irgendwann mal muss Schluss sein. Man sieht es mir nicht an, man hört es mir nicht an, ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte mal Russisch gesprochen habe. Für meine Kinder hat das Ganze keine Bedeutung mehr. Und das ist gut so.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Sofern sie die russische Staatsbuergerschaft haben werden sie vermutlich zu den Russen gezaehlt.

Im Grunde kann man auch als Russlanddeutscher ein Russe sein, man muss ja nicht zwangslaeufig ein Slawe sein um Russe zu sein. Da gibt es ja auch weitaus mehr Ethnien die zu Russland gehoeren.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin Russe :)
Musika170  19.01.2023, 17:56

Russlanddeutsche, die zu Zeiten Katharinas der Großen nach Russland gegangen sind, werden in Russland nicht vollständig anerkannt. Das erzählte mir ein Russlanddeutscher, der in Russland aufgewachsen ist. Er musste russischen Wehrdienst machen, in seinem Pass stand aber der Vermerk "deutsch". Er lebte in einem Dorf, das von deutschen bewohnt war, sprach aber russisch dort. So wie ich das verstanden habe, hatten die Russlanddeutschen dort nicht alle Rechte, die Russen hatten. Ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. Wie beantwortet man nun also diese Frage?

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Horrorchild  19.01.2023, 17:58
@Musika170

Dein Freund hat aber den russischen Pass und hat auch den Wehrdienst in Russland absolviert. Was braucht man mehr um als Russe zu zaehlen?

Ein Tartare, Jakute, Aware ist genauso Russe wie ein "slawischer" Russe.

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Musika170  19.01.2023, 18:46
@Horrorchild

Das ist richtig, aber fühlte sich nicht willkommen und insofern fühlt er sich nicht als Russe. Die Frage ist ja irgendwie vielschichtig. Der Pass ist das eine die Identifikation das andere. Heute hat er einen deutschen pass.

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Horrorchild  19.01.2023, 18:54
@Musika170

Verstehe schon was du meinst. Aber wenn du jetzt nach Italien Auswanderer und deine Kinder, deren Kinder und deren Kinder in Italien auf die Welt kommen aufwachsen und italienisch sprechen.

Sind sie am Ende auch wenn kein "italienisches Blut" vorhanden doch mehr italienisch als deutsch.

Russlanddeutsche sind ja meist nicht erst seit 5 Jahren in Russland sondern seit mindestens mehr als 2-3 Generationen.

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Musika170  19.01.2023, 19:23
@Horrorchild

Richtig, aber sie haben unter sich gelebt und viele haben Jahrzehntelang Anträge gestellt, nach deutschland zurück zu gehen. Das war aber erst unter Gorbatschow möglich. Integration ist anders. Und darauf kommt es ja an. Kannst du dichvintegrieren und wirst du integriert werden die Nachkommen sich dem Land verbunden fühlen indem sie geboren sind.

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letatlin  21.01.2023, 01:21
@Horrorchild

Ein Tatare, Jakute, Aware ist nach russischem Selbstverständnis ein "Russländer" und kein Russe. Nur ethnische Russen sind in Russland Russen. Hier sieht man das etwas anders, weil alle, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, automatisch Deutsche sind, egal welche ethnische Herkunft sie haben, und nur Würstchen eines gewissen Würstchenherrstellers "Deutschländer" genannt werden. Das sorgt manchmal für Missverständnisse.

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Margoshaaa  27.06.2023, 10:25

Russe sein muss nicht zwingend was mit der Ethnie zu tun haben, da Russland ein Vielvölkerstaat ist. Meine Freundin ist beispielsweise Ossetin und bezeichnet sich immer als Russin und fühlt sich russisch. Wir sind einfach alle eine Familie

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Es gibt Deutsche (steht so im Pass) und Russen (steht auch im Pass).

Wenn man die vielen russischen Demonstranten hier gegen den Ukraine Krieg sieht: ja . Es sind Russen . Haben russische Freunde usw.