Kann man reimen lernen?

4 Antworten

In einem Punkt möchte ich mich Entdeckung anschließen: Wenn du nur reimst, damit es sich reimt, wird kaum Gutes dabei herauskommen. Du solltest nicht versuchen, es um jeden Preis zu erzwingen.

Aber: es gibt das Dichten als Handwerk, das erlernt werden kann, man kann korrekte Metrik und reines Reimen lernen und üben. Ob dann das Gedicht gut ist, hängt noch dazu vom Talent ab, von Sinn und Emotion, das ändert aber nichts an der Erlernbarkeit des handwerklichen Teils. Rein handwerklich ist ein reiner Reim einer, bei dem bei zwei Wörtern der Teil ab der letzten betonten Silbe die gleiche Lautung aufweist. Die Schreibung ist dabei egal, sodass sich z.B. "Stör" auf "Malheur" reimt. Dagegen reimt sich "Zement" nicht auf "Engagement", weil man "Engagement" französisch ausspricht. Ein großer Wortschatz und das Wissen um die korrekte Betonung der Wörter helfen ungemein dabei, solche Kombinationen zu finden. Reimemaschinen im Internet vergleichen meist nur die Schreibung, nicht die Lautung, daher sind sie eher unzuverlässig und führen zu schlechten Reimen. Ein gutes Reimelexikon ist nach Lautung sortiert, enthält möglichst viele unterschiedliche Reimwörter, zählt aber nicht alle möglichen Komposita auf (sonst wird es schnell dick und unübersichtlich), es steht also nur "Schiff" drin und nicht "Donaudampfschiff". Ich verwende das Reimlexikon von Siegfried Rabe, schätze es sehr und empfehle es immer gerne weiter, weil es genau diese Vorteile hat (es ist sogar eine kleine Dichterschule dabei, könnte dir auch helfen).
Je besser deine Metrik ist, desto leichter wird dir korrektes Reimen fallen, weil dann über die Verteilung der Silbenbetonung weniger Zweifel bestehen.
Wenn du einen schönen Vers hast, der aber auf einem schlechten Reimwort endet, überlege, ob du den Satz nicht z.B. umstellen oder Synonyme verwenden kannst (hier hilft ein Synonym-Duden). Versteife dich aber nicht zu sehr darauf, den Reim hinzubiegen. Wenn der Vers toll ist, lass ihn eben reimlos herausstechen, das kann auch einen Zusatzeffekt geben.
Das Reimschema ist ein wichtiger Punkt beim Verfassen handwerklich korrekter Gedichte. Der Paarreim wirkt in den meisten Fällen dilletantisch, weil er relativ einfach ist und von den meisten Laien gerne (und schlecht) verwendet wird. Einem professionell geschriebenem Gedicht sieht man auch im Paarreim seine Professionalität an, aber komplexere Reimschemata bieten dem sich entwickelnden Anfänger die Möglichkeit zur Steigerung und Übung. Die nächste Stufe sind z.B. der Kreuzreim abab und der umarmende Reim abba. Alles was mehr als zwei Reime pro Strophe hat, geht eine Stufe weiter, also z.B. der Schweifreim aabccb. Interessant sind Schemata wie die Terzine, wo man quasi gar nicht zum Ende der Strophe kommt, weil der Reim immer wieder übernommen wird (aba bcb cdc). Es gibt natürlich noch etliche weitere, an denen du dich versuchen kannst. Wenn du etwas Übung hast, kannst du dir aber auch irgendein namenloses Schema in der ersten Strophe festlegen und den Rest danach richten, ich habe z.B. mal ein Gedicht mit dem Schema abacacb geschrieben.
Noch zum Thema unreine Reime: es gibt verschiedene Ebenen von unreinen Reimen. Manche hören sich sehr falsch an, bei manchen merkt der Laienzuhörer gar nicht, dass es ein unreiner Reim ist. Bestimmte Laute und Lautkombinationen wie "eu-ei", "nd-nt" oder "n-m" lassen sich gut zusammen verwenden, weil entsprechende Wörter ähnlich klingen (Freud-Leid, Ende-Ente, Reim-rein). Wenn man durchgehend reine Reime verwenden will, sollte man darauf achten, nicht auf solche Ähnlichkeiten hereinzufallen.
Je nach Publikum gilt es außerdem, bei der Lautung die korrekte, hochdeutsche Fassung zu verwenden, keine dialektisch eingefärbte Version (umgekehrt kann man dadurch z.B. die Herkunft von Gedichthandschriften herausfinden).
Das sind natürlich alles Hinweise dafür, falls du wirklich handwerklich korrekt im klassischen Sinne arbeiten willst, wozu dich keiner zwingt. Man hat heutzutage die künstlerische Freiheit, jeden Aspekt davon zu ignorieren, ich empfehle nur gerne, sie sich trotzdem anzueignen, um sich überhaupt absichtlich davon distanzieren zu können.

Naja ... wenn du Freude und Talent zum Reimen hast, dann kannst du deine Reimkünste verbessern.

Wenn du kein "Reimer" bist, dann lasse es besser. Denn Reime, die holprig daherkommen und nur um des Reimes willen geschrieben werden, die gibt es zur Genüge. Und alle sind - und das nicht nur für mich - verzichtbar!

Und, wenn du poetisch veranlagt bist, und Reimen nicht so dein "Ding" ist, so spielt das keine Rolle, denn gute Poesie kommt ohne jeden Reim aus.

Entdeckung  26.05.2013, 14:02

Gute Reime zu machen, das ist eine Kust ... und Kunst kann man nicht lernen, sondern nur bereits vorhandene Fähigkeiten auszubauen und zu trainieren.

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1988Ritter  26.05.2013, 14:19
@Entdeckung

Sitz ich hier in meinem Heime,

still vor mir und reime.

Es ist ne Kunst so sagt die Eule,

ich sitze und reibe meine Beule.

Trank ich des Nachts ne Flasche Bier,

wurd meine Frau doch gleich zum Tier.

Haut mir die Pfanne auf den Kopf,

seitdem reimt der kleine Tropf.

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Entdeckung  26.05.2013, 14:26
@1988Ritter

Uije ... und wer trägt die Schuld daran?

  1. die Eule

  2. das Bier

  3. die Ehefrau

  4. oder doch nur der kleine Tropf ... ;-)

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Klinghaus  26.05.2013, 23:03
@Entdeckung

Die Reime sind in Ordnung, aber das Beispiel zeigt, dass es in einem Gedicht auch auf das Versmaß, d.h. die Anzahl der Silben und die Verteilung der Betonungen ankommt. Die beiden ersten Zeilen könnten z.B. besser so lauten: "Sitz ich hier in meinem Heime / still vor mir und reim' und reime." Und wenn man z.B. an den Anfang der letzten Zeile ein "und" einfügt, stimmt das Versmaß auch dort.

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Ich finde schon, dass auch Talent eine Rolle spielt. Aber je mehr du reimst, desto besser kannst du es, das stimmt schon auch.

Man sollte auf die Silbenzahl achten und natürlich das letzte Wort. Dabei gibt es auch die Möglichkeit, dass die reimenden Wörter in Vers 1 + 3 bzw. 2 + 4 vorhanden sind.

Und hier ein witziges Lied über das Reimen:

RUDI CARRELL - "Goethe war gut" :-)