Ist "Ungläubiger" eine Beleidigung?

41 Antworten

Ohne abschließen zu können, das Wort ist zunächst das Gegenstück zu Gläubiger. Wenn man statt Un- ein Nicht- davor setzen würde, würde sich vermutlich niemand beleidigt fühlen. Denn es wäre nur eine gewisse Art der Zustandsbeschreibung zu jemanden, der nicht an Gott glaubt. Mancher sagt auch Gottloser. … Aber es ist immer so eine Sache mit Schlagwörtern. Gottloser ist insofern irreführend, weil niemand lebt ohne Gott, auch wenn er Ihn nicht sieht bzw. Nicht an Ihn glaubt. Am Ende kehren wir alle zu Ihm zurück. Da sind wir alle wieder gleich. … „Ungläubiger“ hat im Deutschen allerdings schon lange eine negative Konnotation, die dazu führt, dass es irgendwie als bedrohlich empfunden wird. Der Begriff ist allerdings kein muslimisches Privileg. Liest man Luther oder andere, kommt dort der Ungläubige ebenfalls vor. Auch in der Bibel, scheinbar aber nur im Neuen Testament. Heute sagt man‘s diplomatischer. Der Begriff ist schon lange belastet, was wohl auch so bleiben wird.

Der Begriff ist allerdings auch irreführend. Denn es gibt gar nicht so viele Ungläubige. Nahezu jeder Mensch glaubt in irgend einer Weise. Ich kenne etliche Leute, die an ein höheres Wesen glauben, nur sich keiner konkreten Religion zuordnen können oder wollen. Insofern ist das deutsche Wort im Grunde nicht nur unpräzise sondern nicht zutreffend. Es geht aber nichts über Schubfächer.

Schaut msn sich aber das arabische Wort „kāfir, Plural kuffār/kāfirūn“ an, welches regelmäßig mit Ungläubiger übersetzt wird, bedeutet es wörtlich eigentlich keineswegs, dass einer keinen Glauben hat. Es bedeutet lexikalisch „(die Wahrheit) Zudeckender“, was man auch mit „Leugner“ übersetzen könnte, genauer gesagt „Glaubensleugner“, eine Übersetzungsweise, die z.B. Ahmad von Denffer benutzt. Ich selber benutze lieber „Nichtmuslim“, was ich für neutral halte und nicht bestritten werden kann, weil es einfach jemanden allgemein benennt, der kein Muslim ist, dessen eigene Weltanschauung und einfach außen vor lässt, da dieses nur seine Sache ist. … Ich bin ein Nichtchrist und ein Nichtjude.

Aus der Perspektive eines gläubigen Muslims bzw. eines Gläubigen generell, ist es wohl eher beleidigend oder zumindest provozierend gemeint, für mich als Agnostikerin ist es jedoch eher ein Kompliment - und by the way: wer mich beleidigen kann, entscheide immer noch ich selbst ;-).


Machtnix53  25.10.2021, 20:46

Da kenne ich so einiges, was als Beleidigung verschickt und als Kompliment angekommen ist. Bei manchen sehe ich es schon als Kompliment, dass sie mich beleidigen wollen, ganz unabhängig vom Inhalt.

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Sternguckerin  26.10.2021, 00:57
@Machtnix53

Stimmt - Beifall aus der "falschen Ecke" wäre dann ja glatt beleidigend: da müsste man ja schon fast sein Selbstkonzept infrage stellen!

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Das hängt vom Adressaten ab. Ich bin irreligiös, also kommt mir „Ungläuber“ sach­lich zutreffend vor, auch wenn es vielleicht unfreundlich gemeint ist. Möglicherweise wür­de ich darauf ironisch antworten „Eh klar“, oder „Göttin sei Dank“ oder „Danke, daß du mich richtig ein­schätzt“, wohl wissend, daß das Gegenüber sich darüber nicht freuen wird.

Umgekehrt finde ich Alman nicht allzu schmeichlerisch und würde darauf vermutlich gereizt Ben avursturyalıyım, sen aptal mısın? antworten, obwohl ich mir zugegebener­maßen nicht sicher bin, ob das gutes Türkisch ist.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Da es meistens abwertend gemeint ist, wird es auch so aufgefasst.

Das mag als Beleidigung gemeint sein, egal ob Muslime oder Christen das sagen.

Mir wäre das aber völlig egal, ich glaube nicht, also bin ich ungläubig, das ist für mich keine Beleidigung.