Ist die asiatische Mentalität in puncto Trauer und der Annahme von Hilfe anders als die europäische und wie kann ich meiner Freundin helfen?
Meine beste Freundin ist Thailänderin. Sie ist mit einem deutschen Mann verheiratet und sie haben einen 11jährigen Sohn.
Sie leben in einer kleinen Wohnung im Haus seiner Eltern zur Miete und werden das Mehrfamilienhaus irgendwann erben.
Sie ist auf seinen Wunsch hin lange Zeit nicht berufstätig gewesen, obwohl sie in Thailand eine technische Ausbildung absolviert und Berufserfshrung gesammelt hat.
Stattdessen ist sie sehr engagiert im Ehrenamt, in der Schule, bei Dorffesten und bietet überall ihre Hilfe an. Ein sehr liebenswerter, engagierter und beliebter Mensch.
Seit ihr Sohn an der weiterführenden Schule ist, arbeitet sie in 2 Minijobs als private Reinigungskraft.
Nun ist ihr Mann, der lange Zeit Alleinverdiener war, 2018 schwer an der Lunge erkrankt und musste mehrfach operiert werden.
Obwohl ich mit ihr eng befreundet bin (wir sehen uns wegen Corona nur nicht oft), erzählt sie erst auf Nachfrage, dass ihr Mann so schwer krank ist und sie Angst hat, dass er stirbt.
Ich sende ihr beispielsweise Grüße und frage, ob alle gesund sind und erfahre erst dann, dass ihr Mann schon länger im Krankenhaus ist. Erst dann berichtet sie von ihren Zukunftsängsten, von ihren Plänen, Vollzeit arbeiten zu gehen, um ihn zu entlasten.
An ihrem Geburtstag habe ich beide besucht und ich saß mit ihr draußen im Gartenhaus und sagte ihr, sie solle sich melden, wenn sie Hilfe braucht. Sie bedankte sich, meldete sich aber nicht. Ich würde sie gerne unterstützen, ihren Sohn mal abnehmen, sie begleiten oder zuhören, aber sie meldet sich nicht.
Sagt nur Danke und schickt mir Herzchen.
Da ich beruflich mit Japanern zu tun habe, weiss ich, dass die Mentalität teils anders ist als bei uns, deshalb bin ich unsicher, ob ich sie jetzt in Ruhe lassen soll, weil sie sich nicht meldet oder ob das mentalitätsbedingt eine Einstellung von ihr ist, anderen nicht zur Last fallen zu wollen.
Sie selbst ist nämlich extrem engagiert, hütet andere Kinder, backt, bastelt und steht sich für wohltätige Zwecke die Beine in den Bauch.
An Verwandten hat sie hier nur ihre Schwiegereltern, die beide auch in dem Haus wohnen und gebrechlich sind. Sowie die Schwester ihres Mannes mit Familie 1km entfernt.
Ihre Mutter und Schwestern leben in Thailand und sie kann diese nur besuchen, weil ihr Mann dafür das Geld gibt. Die Familie macht die Jahresurlaube immer in Thailand.
Sie senden ihrer Mutter auch Geld zum Leben.
Sollte ihrem Mann etwas passieren, ist das alles in Gefahr, die Miete, das Auskommen, die Besuche bei ihrer Mutter, die Unterstützung.
Sie überlegt nun, wieder zu arbeiten, da ihr Mann mittlerweile an der Beatmung hängt.
Ich würde ihr gerne helfen, aber weiß ihr Verhalten nicht zu deuten. Möchte sie keine Hilfe? Ist sie zu stolz, schämt sie sich?
Vielleicht könnten andere Asiaten mal einen Tipp geben, ob ich mich da mal blicken lassen soll.
Sie ist Buddhistin.
Lieben Dank.
2 Antworten
Ich versuche eine Erklärung aus buddhistischer Sicht.
Sicher schätzt Deine Freundin Dein Engagement und ist nicht der Meinung, es ginge Dich nichts an. Doch aus Dankbarkeit darüber gibt sie Dir etwas zurück - Deine Freiheit, Dich nicht mit anderer Leute Probleme zu belasten zu müssen.
Das ist ehrenvoll und stürzt sie gleichzeitig in einen Konflikt. Der Volksbuddhismus trägt ihr auf, dass das Leben wertvoll und der Tod nicht zu betrauern ist. Der Gedanke von Wiedergeburt und Befreiung davon könnte in eine Art Fatalismus münden, da jedes Wesen nunmal für sein eigenes Karma verantwortlich ist. Der Konflikt ist, dass sie Angst und Trauer verspürt, wo sie eigentlich loslassen müsste. Das könnte sie als eigene Unzulänglichkeit auffassen, auf dem Weg der Befreiung ein Hindernis zu sein. Das wird kompensiert durch dāna, freimütiges Geben (materiell wie auch durch hilfreiches Handeln), das die eigene Egoanhaftung reduziert und eine demütige Haltung fördert.
So ist es schwierig, ihr die Möglichkeit für dāna zu nehmen, indem Du selber diese Aufgaben übernimmst. Ich hoffe, Du verstehst?
Neben der "asiatischen Zwickmühle" aus der anderen (sehr schönen) Antwort besteht zunächst die Möglichkeit, von Dir selber zu sprechen: mir geht es nicht gut, weil ich Dich leiden sehe. Ich verstehe, dass Du Dir Sorgen machst und möchte Dir etwas davon abnehmen, damit Du Dich mit voller Kraft Deinem Mann widmen kannst. Und wäre es nicht hilfreich, wenn Dein Sohn tagsüber bei mir wäre, während Du wieder arbeitest? Wir könnten auch nach einer Hausaufgabenbetreuung für ihn suchen. Ich würde auch gerne einige Fahrten übernehmen, wenn Dir die Zeit fehlt. Du tust so viel für andere, lass mich auch helfen!
Das sind Beispiele und Du kennst die Punkte besser, an denen Du ansetzen kannst. Doch ist es ebenso ehrenvoll, anderen die Möglichkeit freimütigen Gebens zu ermöglichen. Der Wunsch, Dein Leiden zu verringern und konkret zu handeln wird vielleicht ihre Motivation sein, das zuzulassen. Im Ergebnis ist sie aber entlastet. So kommt die Hilfe durch die Hintertür.
Wenn ich Dir noch ein Buch vorschlagen darf: https://thai-ticker.com/2019/03/buchvorstellung-die-thailaendische-bestattungskultur-im-wandel-der-zeit/
Hier werden neben Hintergrundwissen auch Vorschläge angerissen, mit der Situation umzugehen. Als pdf erhältlich.
Alles Gute!
Danke für den Einblick, das wusste ich alles nicht. Sehr interessant.
Vergiss es, von einer asiatischen Mentalitaet zu sprechen. Asien ist der groesste Erdteil und die kulturellen Unterschiede der einzelnen Laender sind wesentlich groesser als die in Europa. Ich kann ueber Thailand im Detail berichten, weil ich das Land seit ca. 20 Jahren kenne und seit ca. 14 Jahren hier fest lebe.
Sicherlich praegt in der Verhaltensweise der Buddhismus die Menschen. So sind die Moenche keine "Bettelmoenche", sondern er gibt sich die Ehre, eine Spende anzunehmen. Also bettelt eine Thailaenderin nie. Sie wird nie bei einer Fremden um eine Hilfe betteln. Wenn du ihr helfen willst, beginne einfach ihr etwas Geld in die Hand zu druecken, dann wirst du ihre Reaktion erkennen, um sich danach zu verhalten.
Liebe Rosenmary: SO abwegig ist der Gedanke pluggys nicht: Thais haben auch zu Geld ein anderes - klar "entspannteres" Verhältnis, was Geben und Nehmen anbelangt!
Aber sie hat aktuell Geld. Er bekomme Krankengeld und sie arbeitet. Wieso sollte ich ihr da Geld andrehen? Sie würde das nie annehmen und wäre mir sehr böse.
Das wusste pluggy wohl nicht - Unter den Umständen ist Geldgeben natürlich die falsche Idee!
Sie hat ja aktuell noch kein Geldproblem. Der Mann lebt ja und es sind noch Einkommen da. Das steht aber auch in der Frage. Sie sitzt zu Hause und bangt um seine Gesundheit und ich fahre da mit Geld hin? Was denkt sie dann?
Nun: Sie könnte denken, Du denkst vorausschauend - das Problem könnte ja künftig eines werden, auch wenn es heute noch keines ist - Es gibt viele Asiaten, die weit in die Zukunft planen oder zumindest denken.
Generell fühlen sich Asiaten (wenn sie nicht sehr deutsch akkulturiert sind) von Geldgeschenken weit weniger pikiert als typische Deutsche.
Sie würde denken, ich habe ihren Mann schon abgeschrieben. Sie ist sehr gut integriert und hat viel mit Europäern zu tun.
Sag mal spinnst Du? Sorry für die harten Worte. Wofür sollte ich einer Frau mit Stolz, die zudem verheiratet ist und selbst über ein Einkommen verfügt, GELD in die Hand drücken? Du scheinst mir, sorry, über gar kein Taktgefühl zu verfügen und möchtest wohl, dass sie die Freundschaft zu mir abbricht.
Was hat Geld da jetzt zu suchen??