Haben die Deutschen im 2. WK mit ihren Panzerabschüssen gelogen?

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Hierbei gibt es zwei Aspekte zu unterscheiden:

Zum einen wären da die individuellen Heldengeschichten, also Stories über einzelne Ereignisse.

Zum einen übertreibt Kriegspropaganda gewöhnlich und vor allem die US-amerikanische und sowjetische Propaganda hat ganz absurde Heldengeschichten ersonnen. So wurde z. B. 1944  von der US-Propaganda eine Story konstruiert, nach welcher ein amerikanischer GI einen Kampf gegen 250 SS-Leute bestanden und dabei mehrere getötet haben soll - tatsächlich aber haben ca. 150 Amerikaner ein Dorf gegen einen Angriff von 250 SS-Männern verteidigt und der besagte GI hat von dem Wrack eines vorher durch deutsche Artillerie zerstörten Panzers aus gefeuert, während die anderen 150 aus den Häusern des Dorfs aus den Angriff der Waffen-SS zurückgeschlagen haben - also ein Scharmützel, wie es dies in diesem Krieg zu Tausenden gegeben hatte ohne irgendein besonderes Heldentum.

Diese Propagandamärchen (das krasseste war das über die angeblichen Heldentaten eines Kanadiers, der später noch gegen die Chinesen gekämpft haben soll) haben im Krieg die Aufgabe, die Moral der eigenen Truppe zu stärken und durch die Inszenierung angeblicher Superhelden den eigenen Soldaten Vorbilder zu liefern, damit diese sich im Krieg bereitwillig verpulvern lassen.

Auch im jetzigen Ukrainekrieg hatten wir letztes Jahr mit dem ebenfalls fiktiven „Geist von Kiew“ eine solche Propagandageschichte im Umlauf, wo ein ukrainischer MiG-29-Pilot etwa zehn russische Kampfjets abgeschossen haben soll (obgleich die MiG-29 nur sechs Raketen trägt und im Regelfall mehrere auf einen Gegner abgefeuert werden, um überhaupt eine Trefferchance zu haben).

Auch auf deutscher Seite kursierten damals solche Geschichten wie die von Erwin Bachmann an der Westfront, der im Jänner 1945 alleine drei Sherman-Panzer abgeschossen, danach das restliche Bataillon von über 60 Mann gefangen genommen haben, dann noch zwölf Shermans erbeuten und schließlich sogar noch 20 deutsche Soldaten befreit haben soll – nun ja, wie realistisch Derartiges ist, soll jeder selbst entscheidend.

Zumindest einen wahren Kern scheint immerhin die Geschichte von Fritz Christen zu haben, der, nachdem sein Trupp aufgerieben wurde, sich in einer Stellung noch drei Tage lang gegen eine sowjetische Übermacht in Divisionsstärke verteidigte und dabei 13 Panzer vernichtet und über 100 Rotarmisten erlegt haben soll. Doch die Zahlen dürften hier wohl auch übertrieben sein wie faktisch immer bei solchen Stories.

Ich habe mich lange mit solchen Propagandastories beschäftigt. Man erkennt hier Strukturen: Besonders stark übertrieben oder gänzlich ausgedacht scheinen dabei die Geschichten zu sein, bei denen der „Held“ der eigenen Truppe riesige Zahlen an Gegnern gefangen nimmt. So kann er auch für Leute mit der Soldaten-sind-Mörder-Einstellung als „Held“ aufgebaut werden. Hier hat vor allem die US-amerikanische Heldenpropaganda eine Reihe hollywoodartiger Stories in Umlauf gebracht. Einige davon kann man sich bei YouTube anschauen und auch heute noch fallen nicht wenige darauf hinein.

Sowjetische Propagandastories hingegen stellen ihre „Helden“ eher als Killer mit möglichst viel Abschüssen dar, lieben aber auch Geschichten, wo der „Held“ dann auch noch Menschen (am besten unschuldige Zivilisten oder gar Kinder) rettet.

Am relativ nahesten an der Wirklichkeit scheinen insgesamt wohl noch die Geschichten der deutschen, britischen und japanischen Propaganda zu sein – was nicht heißt, dass auch hier in vielen Fällen massiv übertrieben wird.

Zum anderen aber haben wir die allgemeinen Abschusszahlen einzelner Soldaten über den gesamten Verlauf ihrer Tätigkeit im Kriege. Also bei Jagdfliegern die Luftsiege, bei U-Boot-Fahrern die versenkten Schiffe (bzw. Tonnage), die Panzerfahrern die Abschüsse von Feindpanzern und so weiter. Auch hier gab es immer wieder große Zweifel, weil einzelne Zahlen sehr phantastisch klingen (etwa die 352 Luftsiege des erfolgreichsten Jagdfliegers der Weltgeschichte Erich Hartmann, die Zahlen über vernichtetes feindliches Gerät des Schlachtfliegers Hans-Ulrich Rudel oder eben die Zahlen der Panzerabschüsse von Assen wie Kurt Knispel oder Michael Wittmann).

Nach eingehendem Studium diverser Quellen bin ich allerdings zu dem Urteil gekommen, dass diese Zahlen im Wesentlichen nicht nur seriös sein dürften, sondern in gar nicht wenigen Fällen sogar noch höher gelegen haben könnten. Kurt Knispel z. B. dürfte neben seinen 168 bestätigten Abschüssen noch eine Reihe weiterer Panzer vernichtet haben (einige sprechen von ca. 30).

Die Kritik von Neu-Historikern wie Roman Töppel oder Jens Wehner an diesen Zahlen enthält eine Reihe an methodischen Fehlern, die mich sehr an die von deutschen und französischen Forschern widerlegten Behauptungen eines Sowjethistorikers erinnern, der die Abschusszahlen von Erich Hartmann deutlich herunter korrigieren wollte. Da werden falsche Ortsangeben verwendet, um zu „beweisen“, dass Asse wie Hartmann oder Knispel zu dem Zeitpunkt ihres Abschusses gar nicht an dem besagten Ort waren. Manipulatoren wie Töppel oder Wehner setzen dann darauf, dass der Interessierte ohnehin nicht über den Ort jedes einzelnen Abschusses genau Bescheid weiß (wer weiß das schon bei solchen Zahlen) und dann wird gezeigt, dass das betreffende Jagdgeschwader bzw. die Panzergruppe an dem Tag gar nicht aktiv war – dabei war der tatsächliche Tag des Abschusses ein ganz anderer! Mit dieser simplen Lügen-Rabulistik könnte man theoretisch alles „widerlegen“ und am Ende behaupten, Erich Hartmann hätte nicht einen einzelnen Russen vom Himmel geholt! Ja theoretisch könnte ich sogar „widerlegen“, dass es während des Zweiten Weltkriegs überhaupt Gefechte gab! Töppel und Wehner sind keine Historiker, sondern simple Tatsachenleugner!

Ob Hartmann nun 352 Abschüsse erzielt hatte oder nur 340 ist für die Sache relativ irrelevant. Dasselbe gilt natürlich auch für die erfolgreichsten sowjetischen Asse. Iwan Koschedub war, egal ober er nun 60 oder 66 Flugzeuge heruntergeholt hat, der erfolgreichste Experte bei den Roten. Oder Marmaduke Pattle, der 51 oder 41 italienische und deutsche Flugzeuge abgeschossen hatte – der Südafrikaner englischer Abstammung war der erfolgreichste westalliierte Jagdflieger.

Bei den Panzer-Assen ist die Sache nur insofern etwas schwerer, als dass ein Panzer-Abschuss noch weniger leicht eindeutig als solcher erkennbar ist als ein Luftsieg. Ein Panzer kann nach Beschuss stehen bleiben und dennoch noch intakt sein. Umgekehrt aber kann ein Panzer, der nach Beschuss brennend weiterfährt, sehr wohl kampfunfähig sein, weil seine Besatzung schwerverletzt ist und / oder den Panzer verlassen muss. So können die Abschusszahlen etwas niedriger oder auch etwas höher sein als die offiziell angegebenen. Bei Kurt Knispel dürften sie eben höchstwahrscheinlich irgendwo zwischen 168 und 198 liegen.

Strixnet  26.09.2023, 01:06

Was sagst du zu der Darstellung über Fritz Klingenberg?

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Sagen wir mal so: Die Kriegstagebücher der Wehrmacht werden die korrekten "Abschüsse" von Flugzeugen und Panzern wiedergeben.

Die Propaganda wurde dann erst von Herrn Göbbels Propaganda-Ministerium drum herum gestrickt.

Du könntest Dich daher mal mit dem militärhistorischen Archiv in Freiburg im Breisgau in Verbindung setzen. Vielleicht wirst Du Dort noch Kriegstagebücher finden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Das Leben war eine harte Schule!

Hallo,

natürlich wurde die Anzahl der Abschüsse öffentlich anders dargestellt. Zerschlagene, zerstörte, vernichtete Panzer des Feindes waren etwas womit die Propaganda gut arbeiten konnte.

Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal für den Zweiten Weltkrieg, sondern in jedem Krieg der Fall.

Mit freundlichen Grüßen

In Kriegen wird immer gelogen