Groß oder klein?

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Hallo,

es wird großgeschrieben.

Hier handelt es sich um die Rheinische Verlaufsform, siehe:

http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/zwiebelfisch-wie-die-sprache-am-rhein-am-verlaufen-ist-a-350958.html

Unsere Deutschlehrerin hat immer gesagt, "Am Dran, am Sein, am Tun, ist man nicht". Von einer anderen Deutschlehrerin stammt: "Ich bin die Kuh am Schwanz, am Stall, am Haus am Ziehen und bin darauf am Rum am Trampeln." Hierfür gilt mein Dank meiner Freundin hier, der Deichgöttin.

AstridDerPu

martrud 
Fragesteller
 21.07.2022, 19:58

Danke. Mir ist natürlich klar, dass diese "rheinische" Wendung, die allerdings auch weit über das Rheinland hinaus gängig ist, kein regelrechtes Standarddeutsch ist.

Nach meiner Ansicht weist aber die Wendung "am Schälen" ("an dem Schälen") klar darauf hin, dass hier das "Schälen" als Substantiv und also nicht als Verb zu verstehen ist. Deshalb Großschreibung. Allerdings gibt es zu dieser Sichtweise auch manche z.B. von Duden sanktionierte Ausnahmen.

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Hallo martrud!

Die angefragte Konstruktion wird seit längerem wissenschaftlich untersucht.

Für den deutschsprachigen Raum ist zum Beispiel die Dissertation von Christian Ramelli zu nennen: "Die Rheinische Verlaufsform im rheinfränkischen Dialekt".

https://publishup.uni-potsdam.de/opus4-ubp/files/10279/ramelli_diss.pdf!

Sein Ergebnis:"...die Grammatikalisierung der RV in Richtung einer analytischen Verbform verläuft entlang eines genau nachvollziehbaren Grammatikalisierungspfades,..."

Und weiter: "...wurden auf Grundlage der Parameter aus Lehmann (2002) im 3. Kapitel Indikatoren erarbeitet, die von der RV bei der Entwicklung von am+NP+sein zu einer analytischen Verbform mit einem neuen infiniten Status (am-Infinitiv) sukzessive erfüllt werden."

Zum Schluß: "Die in dieser Arbeit vertretene Annahme einer dreischrittigen Entwicklung von am aus Klise aus Präposition und Artikel über den Kopf einer funktionalen (Aspekt)projektion zu einem verbalen Flexiv lässt sich hingegen mit den Daten der Sprecherbefragung in Übereinklang bringen."

(RV - Rheinische Verlaufsform; Hervorhebungen von mir)

In Schweizer Untersuchungen wird auch vom "am-Progressiv" gesprochen.

http://www.sardis.uni-saarland.de/abstracts/19kempf.pdf

Das bedeutet für die Schreibung, dass im Laufe des zu erwartenden weiteren Sprachwandels die zweite Möglichkeit angemessen sein wird: "Ich bin Kartoffeln am schälen."

LG

gufrastella

Die Frage kommt interessanterweise letztens öfter auf. Aus Zeitgründen kopiere ich mal eine Antwort von mir aus den letzten Tagen hier rein:

"Am S/spielen sein" ist der sog. Rheinische Progressiv. Im Standarddeutschen ist diese Form noch nicht wirklich verankert, daher nehmen auch die amtlichen Rechtschreibregeln nicht ausdrücklich dazu Stellung. Die Schreibung ist also nicht zu 100 % geregelt.

Viele wählen, wenn sie so etwas schreiben, die Großschreibung, da "am" ursprünglich eine Verbindung aus Präposition und bestimmtem Artikel "an + dem"; und Artikel zeigen oft eine Substantivierung an.

Viele wählen allerdings auch die Kleinschreibung. Das sieht man, wenn man informelle, private Texte untersucht, bei denen die Schreibenden sich keine Gedanken über Regeln machen und auf ihr Bauchgefühl vertrauen. Dann sieht man diesen Progressiv als normale Form im Verbparadigma; also als auch nichts anderes als z.B. einen Konjunktiv oder dergleichen. Nur die ungewöhnliche Konstruktion mit angesprochenem "am" spricht dagegen.

Meiner Meinung gibt es für beide Schreibungen gute Gründe, aber ehrlich gesagt: Die meisten werden sich nie Gedanken über das Verbparadigma gemacht haben und daher, wenn man sie nach Regeln fragt, eigentlich immer auf die Substantivierung verweisen. Mit der Großschreibung ist man dann wohl auf der "sicher(er)en Seite".

Ich schäle Kartoffeln.

Wenn du besonders betonen willst, dass du das just in diesem Moment tust:

Ich schäle gerade Kartoffeln.

Meiner Meinung nach müsste es „Ich bin am Kartoffelschälen“ heißen, und schöner noch „Ich schäle gerade Kartoffeln“.

spanferkel14  28.12.2022, 18:58

Im Rheinland und im Pott mögen im Dialekt auch gewagtere "Konstruktionen" möglich sein. Umgangssprachlich würde ich aber nur deine Version "Ich bin am Kartoffelschälen" akzeptieren. Standardsprachlich korrekt ist "Ich bin beim Kartoffelschälen" oder eben "Ich schäle gerade Kartoffeln".

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