Gibt es ein „lyrisches SIE oder ER“?

3 Antworten

Das lyrische ich kann man auch als Sprecher in einem Gedicht bezeichnen. Da muss kein besonderes ich vorkommen, einfach die Tatsache, dass jemand spricht, bedeutet schon, dass ein solches ich da ist.
Alles was im Gedicht steht, wird vom lyrischen ich gesagt. Es ist also eine Art Monolog.

Nicht jedes Gedicht ist lyrisch. In lyrischen Gedichten nennt man den Sprecher Lyrisches Ich.

Balladen z.B. enthalten auch erzählerische und dramatische Elemente.

So werden in Goethes Erlkönig die folgenden Worte nicht von einem lyrischen Ich gesprochen, sondern von Vater und Sohn

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –

Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? –

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –

Und die hier folgenden vom Erlkönig (auch wenn er nur in den Fieberphantasien des Sohnes vorkommt):

„Du liebes Kind, komm, geh mit mir!

Gar schöne Spiele spiel’ ich mit dir;

Manch’ bunte Blumen sind an dem Strand,

Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“ –

Dagegen spricht die ersten Zeilen der Ballade der Sprecher des Gedichts. Wenn du willst, kannst du ihn Erzähler nennen. Es ist aber ein untypischer Erzähler, denn er gebraucht das Präsens und vergegenwärtigt das Geschehen, in dem die Figuren sprechen:

"Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind; [...]"

Das hat er gemeinsam mit dem Sprecher von Hebbels lyrischem Gedicht Herbstbild:

"Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!"

Das hier ein lyrisches Ich spricht, erkennst vermutlich auch du. Wenn nicht, dann lass es dir bei nächster Gelegenheit erklären. Im Augenblick habe ich dafür keine Zeit mehr.

Was du suchst ist wahrscheinlich der sogenannte auktoriale Erzähler.

Also ein allwissender Erzähler der sozusagen über den Dingen steht und von Außen erzählt.