Gewalt Einsatz Kräfte Feuerwehr?

MertIs  26.02.2024, 13:17

"Gewalt"/"Angriffe" umfasst hier nur körperliche oder auch verbale Attacken?

Romeldommel88 
Fragesteller
 26.02.2024, 13:25

umfasst alles körperlich sowie verbal

4 Antworten

Da gab es in den letzten 25 Jahren (leider) einige...

  • Unsere Wehr wurde zu einem (versuchten) Suizid einer Frau gerufen. Diese wurde gerade reanimiert, als der Ehemann an der Einsatzstelle eintraf. Ein Kamerad wollte diesen nicht zu ihr lassen (er war recht panisch und hätte die Rettungsarbeiten nur erschwert oder gar gestört), woraufhin er von diesem geschubst und zu Boden geworfen wurde.
  • Während der Absicherung einer Veranstaltung ist ein Kamerad mutwillig von einem Auto angefahren und dabei (glücklicherweise nur) leicht verletzt worden. Der Autofahrer wollte zu einem Fußballspiel und nicht einsehen, dass er aufgrund der Veranstaltung einen Umweg fahren sollte, ist dann nach kurzer Diskussion um die Absperrung herum gefahren und hat den Kameraden dabei am Bein erwischt. Auf dem Sportplatz soll er dann noch damit angegeben haben, dass er sich doch nicht sagen ließe, wo er fahren dürfe und wo nicht... bis dann die Polizei noch während des Spiels seinen Führerschein beschlagnahmt hat.
  • Während des Einsatzes einer Nachbarwehr in der Silvesternacht (Containerbrand) tauchte eine männliche Person auf und zielte mit einer Waffe auf einen Kameraden, der gerade als Maschinist die Pumpe des Fahrzeugs bediente. Einfach so, ohne Grund. Er flüchtete und wurde kurze Zeit später von der Polizei geschnappt. Die Waffe war nicht echt... das konnte der Kamerad aber morgens um 5 Uhr im Dunkeln im Scheinwerferlicht nicht erkennen. War wohl angetrunken und wollte sich "einen Scherz" erlauben...
  • Vor langer Zeit (mehr als 20 Jahre?) gab es hier in der Gegend einen Fall, wo ein wohl geistig verwirrter Mieter (der am Tag zuvor von Frau und Kind verlassen worden war) seine im selben Haus lebenden Vermieter als Geiseln genommen und das Haus dann angezündet hat. Vor dem nächst gelegenen Hydranten lag ein Karton, den der Feuerwehrmann, der den Hydranten für die Löschwasserentnahme vorbereiten wollte, mit einem Tritt dagegen zur Seite beförderte. Sekunden später gab es eine Explosion... im Karton befand sich eine selbst gebastelte Nagelbombe, die der Brandstifter dort deponiert hatte. Glücklicherweise hatte der Kamerad den Karton weggetreten... er ist zwar schwer verletzt worden (und andere leicht) - hätte er den Karton aber hoch gehoben und behutsam zur Seite gestellt, hätte er das wohl nicht überlebt. Soweit ich weiß, ist der Täter seiner Strafe entkommen, indem er sich vor der Stürmung des Hauses durch die Polizei selbst erschossen hat.
  • Verbale Attacken gibt es leider immer wieder. Vor allem dann, wenn man im Berufsverkehr die Straße aufgrund eines Einsatzes sperren muss. Vor allem dann, wenn die Menschen eh schon spät dran sind oder auch Berufskraftfahrer, deren Plan eng getaktet ist und die unter enormen Druck stehen. Da kann man sich dann so einiges anhören... gerne auch der Spruch: "Ihr werdet von meinen Steuergeldern bezahlt, also tut gefälligst dies und das...". Blöd nur, dass 95% aller Feuerwehrleute in Deutschland ehrenamtlich arbeiten und nicht bezahlt werden.
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Stv. Wehrführer und Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr

Ich kann nicht aus Sicht der Feuerwehr, sondern nur des Rwttubgsdienstes berichtek, wenn das ok ist. Die Antwort ist teilweise gar nicht so einfach:

Ein Mensch mit schwierigem sozialen Hintergrund, der um in eine psychiatrische Klinik zu kommen gern mal psychische Notlagen oder Suizidgedanken geäußert hat, wollte durch Einweisung in die Psychiatrie einer Vorführung vor Gericht entgehen und wählte den Notruf. Er kündigte seinen Selbstmord an. Der Rettungsdienst war zuerst da und ich unterhielt mich mit dem Mann, der zwar aufgeregt, aber zunehmend friedlich und kooperativ war. Eigentlich war alles ok. Dann fuhr vor dem Fenster ein Streifenwagen der Polizei vorbei, die routinemäßig zu angekündigten Suiziden hinzugerufen wird. Der Patient sah das Fahrzeug und rastete plötzlich komplett aus. Woher auch immer hatte er plötzlich ein großes Küchenmesser in der Hand, schroe mich an, ich hätte ihn verarscht und er würde nicht in den Knast gehen und rannte mit dem Messer auf mich zu. Ich hatte den Polizeiwagen nicht gesehen und war völlig unvorbereitet. Den Notfallsanitätern, die dabei waren und den Angreifer (klein und drahtig) mir vollem Körpereinsatz zu Boden rammten bin ich bis heute sehr dankbar. Der Patient wurde festgenommen...

Dieser Fall ist klar ein lebensbedrohlicher Angriff. Aber was steckt dahinter? In diesem Fall ein psychisch kranker Mann in einer scheinbar ausweglosen Situation. Macht ihn das zum bösen Straftäter? Ich weiß es nicht genau.

Wir werden verbal permanent angegangen. Insbesondere von unter Drogen stehenden und insbesondere alkoholisierten Menschen. Auch Respektlosigkeiten in Konfliktsituationen, bei der der Rettungsdienst der einen Seite vermeintlich "parteiisch" hilft, sind an der Tagesordnung. In dieser Situation kann es auch mal zu Handgreiflichkeiten kommen. Ein Beispiel:

Familienstreitigkeit, nach häuslicher Gewalt eines Mannes gegen seine trennungsbereite Frau kommt ein guter Freund der Dame samt einem weiteren Mann zur Wohnung und es kommt zu einer Körperverletzung gegen den prügelnden Partner. Dieser wird erheblich verletzt und muss logischerweise rettungsdienstlich betreut werden. Die beiden Schläger waren bereits in Polizeigewahrsam - aber tatsächlich griff uns/ mich plötzlich die noch anwesende Ehefrau mit erheblichem Maß an Brutalität (unter Verwendung einer Tischlampe) an - weil wir dem aus ihrer Sicht "Bösen" in dieser Szene helfen. Die Polizei schritt zum Glück ein und es ist nichts passiert. Natürlich war auch das eine sehr emotional aufgeladene Situation, aber wir helfen nun mal jedem, weil wir es müssen.

Aus meiner Sicht gibt es so gut wie keine Menschen, die den Rettungsdienst direkt angreifen, weil sie einfach böse Menschen sind. In der Regel wie gesagt stehen die Täter unter Substanzeinfluss. Dabei können sie sowohl Opfer sein, die behandelt werden müssen und sich dagegen zur Wehr setzen oder sie sind Angehörige oder auch völlig unbeteiligte. Natürlich gibt es Ausnahmen. So wurden bei uns im Landkreis die Radmuttern eines Rettungswagens gelöst - auch eine Form der gemeingefährlichen Gewalt, wenn du mich fragst. Auch sehr gern genommen sind Anzeigen gegen Rettungskräfte, nachdem man mit der Behandlung unzufrieden ist, was zunehmend oft vorkommt. Und immer wieder wird man beschimpft....

Ich hoffe, das hilft etwas

Ich habe zum Glück noch keine erlebt. Es wurde manchmal gemeckert wenn der RTW mit laufendem Motor die Einfahrt blockiert, aber irgendwie haben die Leute es immer kapiert und es gab nie etwas schlimmeres.

Gerade hier bei uns auf dem Land und in unser benachbarten Kleinstadt mit ca. 12.000 Einwohnern ist es eigentlich sehr friedlich, mir ist hier von keinen Übergriffen auf andere Einsatzkräfte bekannt.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäterin, Feuerwehrfrau, Rettungshundeführerin

Außer verbalen Attacken kaum. Das sind i.d.R. Autofahrer die jetzt unbedingt durch diese vollgesperrte Straße müssen.

Die Höhe war mal ein Passant, der „zufällig“ um 4:00 nachts genau durch die enge Straße musste, in der gerade ein Haus brannte. Dabei behinderte er aufgrund der engen Platzverhältnisse Einsatzkräfte, die Aufstellung der Drehleiter und begab sich selbst in Gefahr durch den Trümmerschatten. Seinen Fehler hat er im Gespräch nicht erkannt, sondern mit Beleidigungen reagiert und ist weiter durch die Einsatzstelle marschiert. Parallel zu der Straße verläuft übrigens eine exakt gleiche Straße, Umweg: zwei Hausbreiten.

Woher ich das weiß:Hobby – Freiwilliger Feuerwehrmann