Findet ihr, die Deutschen sind nicht Stolz genug auf ihre imperialen Leistungen?

11 Antworten

Findet ihr, die Deutschen sind nicht Stolz genug auf ihre imperialen Leistungen?

Deutsche verbinden kaum noch etwas mit der Kolonialzeit, wohingegen Bürger der ehemaligen Kolonien, speziell Afrikaner stolz auf ihr deutsches Erbe sind.

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Das "koloniale Erbe" Deutschland ist ambivalent.

Einerseits wird Deutschland vorgeworfen sich der historischen Schuld und Sühne zu entziehen, andererseits würden speziell die ehemaligen afrikanischen Staaten gerne die Uhr zurück drehen um wieder " deutsch" zu sein, was fraglos für die Länder eine immense wirtschaftliche, gesellschaftliche und bürgerrechtliche Verbesserung ihrer aktuellen Lebenssituation/Perspektive, wäre.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
 - (Politik, Deutschland, Kaiserreich)

Betrachten wir es mal aus einer ungewöhnlichen, aber eigentlich logischen Perspektive anhand der beiden Fragen nach dem Entstehen und Vergehen der Kolonien, also:

1. Wie haben unsere Vorfahren die Kolonien erworben?

2. Wie haben sie diese wieder verloren?

Sinnvoll lassen sich diese Fragen natürlich nur im Vergleich mit den anderen westeuropäischen Kolonialmächten beantworten.

1. Deutschland war die einzige Kolonialmacht, die ihre Kolonien nicht durch blutige Kriege, sondern mittels Erwerb durch private Handelsmänner erworben hatte! Somit klebt in dieser Frage kein Blut an den Händen unserer Ahnen.

Ganz anders sieht dies im Falle Englands, Belgiens, Italiens, Frankreichs usw. aus: Alle diese Kolonialmächte haben ihre Kolonien durch brutale Eroberungszüge mit insgesamt Millionen Toten erworben!

2. Deutschland war die einzige Kolonialmacht, die ihre Kolonien nicht durch blutige Kriege verloren hatte! Deutschland ist niemals besiegt worden von Aufständischen, sondern musste seine Kolonien vielmehr im sogenannten Versailler Vertrag 1919 den anderen westeuropäischen Imperialmächten überlassen.

Diese wiederum sind später besiegt worden in der dritten Welt. England in Indien, Frankreich in Algerien und Indochina, die Belgier im Kongo, später dort auch die Portugiesen und so weiter.

Wir können also stolz sein a) auf die relativ größere Moralität beim Erwerb unserer Kolonien (Handelsverträge anstelle verbrecherischer Angriffskriege) und b) auf das Kunststück als einziges europäisches Land in der farbigen Welt unbesiegt geblieben zu sein!

IanGaepit 
Fragesteller
 31.08.2023, 14:21

Erstmal danke für deine Antwort.

Ich muss aber leider, zumindest das erste Argument doch etwas relativieren.

Deutschland war die einzige Kolonialmacht, die ihre Kolonien nicht durch blutige Kriege, sondern mittels Erwerb durch private Handelsmänner erworben hatte!

Es war keine Deutsche Eigenart koloniale Ansprüche aus Verträgen aller Art abzuleiten. Schon Briten, Franzosen und Niederländer verwendeten dieses Vorgehen während der ersten Welle des Kolonialismus gegenüber den Ureinwohnern der Amerikas. Und auch während der zweiten Welle in Afrika war dieses Vorgehen immer wieder zu beobachten. Auch z.B. gegenüber dem Mogulen in Indien Verfuhr die britische Ostindien-Kompanie auf diese Art.

Natürlich waren diese Verträge immer zum Vorteil der jeweiligen Kolonialmacht ausgelegt und oft wussten z.B. lokale Stammesführer gar nicht was sie da eigentlich unterzeichneten. Dies führte über kurz oder lang natürlich zur Gegenwehr der lokalen Bevölkerung.

Die Deutschen Handelsgesellschaften kopierten dieses Vorgehen dahingehen nur von den älteren Kolonialmächten und auch diese Verträge führten natürlich zu Auseinandersetzungen mit der lokalen Bevölkerung. Siehe dahingehen die wohl bekannteste, den Aufstand der Herero und Nama.

Sprich, auch Briten, Franzosen und Niederländer könnten diese Moralargument zumindest Teilweise selbst verwenden. Tatsächliche offene Angriffskriege, (im westlichen Verständnis der Moderne) die die Kolonialmächte ohne "vertragliche Rückendeckung" führten wie z.B. gegen die Burenstaat (die in sich selbst eigentlich auch nur Eroberer waren) waren ganz generell eher die Ausnahme.

b) auf das Kunststück als einziges europäisches Land in der farbigen Welt unbesiegt geblieben zu sein!

Das will ich jetzt nicht bestreiten, ich finde das Argument nur etwas konstruiert. Um das mit einem metaphorischen Vergleich zu beschreiben: das wäre so, wie wenn Mann sagen würde, er könne stolz drauf sein nie von einer Frau verlassen worden zu sein, weil ihm die Frau immer von nem anderen vor der Nase weggeschnappt wurde. ^^

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ASparrow  19.09.2023, 16:52
@IanGaepit

Gut, das erste Argument könnte man auch anders ausdrücken: Deutschland ist das einzige Land, das keine Kolonie durch Eroberung gewann, sondern alle durch Handelsverträge. Krasses Gegenteil wären hier die Briten, die nicht nur zahlreiche eingeborene Völker unterwarfen und teilweise ausrotteten, sondern ebenso brutal auch andere Kolonialmächte wie Franzosen, Niederländer, Italiener oder Osmanen bekämpften und verdrängten.

Das zweite Argument bezieht sich auf den Kern der Frage, der im Stolzbegriff liegt. Deutschland hat in den Kolonien keinen einzigen Krieg gegen Eingeborene oder andere Kolonialmächte verloren und es bliebt damit auch frei von den hässlichen Kolonialkriegen nach 1945, in denen Briten und andere Westeuropäer so manche Gräuel produzierten (z. B. die Mau-Mau-Rebellion in den 50ern).

Unsere „Schuld“ (hauptsächlich bei der Niederschlagung des Herero-Aufruhrs mit ca. 0.07 Mio. Toten) fällt doch relativ gering aus verglichen mit den zig Millionen, die andere Kolonialmächte wie Briten oder Spanier so zu verantworten hatten. England alleine wohl weit über 100 Millionen!

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Stolz kann man nur sein auf Leistungen, die man erbracht hat. Ich kann mich aber in keiner Weise daran erinnern, diesbezüglich irgendwelche Leistungen getätigt zu haben.

Insoweit ist auch der sogenannte Stolzmonat sinnfrei und hinfällig.

IanGaepit 
Fragesteller
 16.06.2023, 10:41
Stolz kann man nur sein auf Leistungen, die man erbracht hat. Ich kann mich aber in keiner Weise daran erinnern, diesbezüglich irgendwelche Leistungen getätigt zu haben.

Nix für ungut, ich weiß zwar was du damit sagen willst. Aber die Aussage ist meiner Ansicht nach etwas unüberlegt.

Sie impliziert, dass z.B. ein Deutscher Siedler in Namibia sehr wohl stolz auf seine Beteiligung an der "imperialen Leistung" Deutschlands, in dem Fall der Kolonisierung Namibias beteiligt gewesen zu sein, sein kann bzw. ggf. sogar sollte...

Ich denke nicht, dass du diese Meinung vertreten wirst... ^^

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Nein. "Imperiale Leistungen" (was auch immer das sein soll?) und das Deutsche Kolonialreich sollten uns nicht mit Stolz erfüllen.

Sowas gehört einfach nicht ins 21. Jahrhundert.

Ich bin durchaus stolz darauf, deutscher Staatsbürger zu sein. Dafür muss man sich auch nicht schämen.

Noch mehr fühle ich mich aber als Europäer innerhalb der EU. Ich denke hier eher europäisch.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – interessiere mich sehr für politsche Themen
Udavu  16.06.2023, 11:57

Deutsche verbinden kaum noch etwas mit der Kolonialzeit, wohingegen Bürger der ehemaligen Kolonien, speziell Afrikaner stolz auf ihr deutsches Erbe sind.

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Bluemie  16.06.2023, 12:10
@Udavu

😂 made my day

Ich weiß genau, wen Du meinst.

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Wir sollten froh drum sein, dass wir eine fortschrittliche Verfassung haben, die anderen Nationen als Vorbild gedient hat.

Wir sollten froh drum sein, dass wir politisch aus der Geschichte gelernt haben, auch wenn wir leuchtende Revisionisten und Verklärer in der Politik sitzen haben.

Wir sollten froh drum sein, dass Deutschland keine aggressive expansive eroberungsgeile Nation mehr ist.