Endosymbiontentheorie?

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Zu deiner ersten Frage: Phagocytose setzt ja Endocytose voraus. Insofern kannst du beide Begriffe hier synonym verwenden. Entscheidend ist, dass der aufgenommene Protist nach der Aufnahme nicht, wie sonst üblich, verdaut wurde, sondern im Inneren des eukaryotischen Wirts erhalten blieb. Warum er nicht verdaut wurde, ist unbekannt. Klassischerweise wird es damit erklärt, dass es von Vorteil war, dass der Wirt seinen Symbionten nicht verdaut hat. Denkbar wäre z. B. aber auch, dass der prokaryotische Symbiont zunächst ein (Endo)parasit war, der sich gezielt vor dem Verdautwerden schützen konnte. Erst später entwickelte sich die zunächst einseitig positive Wechselbeziehung zu einer für beide Seiten vorteilhafte Symbiose. In neuerer Literatur findet sich anstelle des Begriffs Endosymbiontentheorie deshalb manchmal der wertungsfreiere Terminus Endocytobiose.

Zu deiner zweiten Frage: da (fast) alle Eukaryoten Mitochondrien besitzen, geht man davon aus, dass die Endosymbiose der Mitochondrien zuerst erfolgte. Erst später erfolgte dann die Endosymbiose der Chloroplasten. Siehe hierzu diese Abb: https://biokimicroki.com/wp-content/webpc-passthru.php?src=https://biokimicroki.com/wp-content/uploads/2022/02/endosymbiosis2.jpg&nocache=1

Wir wissen, dass die Eukaryoten aus den Archaeen hervorgingen vor etwa 1.8 Mrd. Jahren. Die ersten fossilen Nachweise von Algen (also Eukaryoten mit Chloroplasten) sind etwa 1.2 Mrd. Jahre alt. Über den Ursprung der Eukaryoten wissen wir aber noch nichts. Es ist deshalb unklar ob a) eine Eukaryotenzelle zunächst ein Bakterium aufnahm durch Endocytobiose und dieses dann zum Mitochondrium wurde oder ob b) eine Archaee ein Bakterium aufnahm und erst danach einen echten Zellkern entwickelte, also erst dann eun Eukaryot wurde.

Durch den Vergleich von mtDNA mit den Genomen verschiedener Bakterien konnte immerhin festgestellt werden, dass die Mitochondrien sich wahrscheinlich aus einem Bakterium aus der Gruppe der Alpha-Proteobacteria entwickelte, das eng mit Bakterien der Gattung Rickettsia verwandt war. Interessant dabei ist, dass Rickettsien intrazelluläre Parasiten sind, die also in die Zellen ihrer Wirte eindringen können. Nur einige wenige Eukaryoten haben ihre Mitochondrien später sekundär wieder verloren. Vielfach handelt es sich um Parasiten, die sich alles, was sie zum Überleben benötigen, sowieso von ihrem Wirt holen, weshalb sie auf die Zellatmung und damit auf ihre Mitochondrien verzichten konnten, z. B. Giardia intestinalis. Auch die Einzeller der Gattung Monocercomonoides haben keine Mitochondrien mehr. Sie sind aber keine Parasiten, sondern Kommensalen. Statt Sauerstoff nutzen sie Schwefel zur Aufrechthaltung ihres Metabolismus.

Die Chloroplasten stammen ursprünglich von einem Cyanobakterium ab. Allerdings ist die Geschichte der Chloroplasten weitaus komplexer als die der Mitochondrien. Während die Mitochondrien nur einmal aufgenommen wurden und (s. o.) in wenigen Fällen verloren gingen, wurden Chloroplasten rege untereinander getauscht, gingen verloren und wurden wieder neu aufgenommen, sodass es lohnt, sich ein bisschen länger damit zu befassen.

Zunächst geschah das, was oben schon beschrieben wurde: eine Eukaryotenzelle mit Mitochondrien verleibte sich ein Cyanobakterium ein, aus dem der Chloroplast wurde. Wir sprechen hier von der primären Endosymbiose. Die Rotalgen (Rhodophyta), Blaugrün-Algen (Glaucophyta) und die Grünalgen inklusive der Landpflanzen (Chloroplastida) sind so entstanden. Andere Algengruppen haben ihre Chloroplasten nicht durch eine primäre Endosymbiose erhalten. Ihre Chloroplasten erhielten sie durch sekundäre Endosymbiose. Damit ist gemeint, dass ihre Vorfahren sich eine Rot- oder Grünalge einverleibten und aus diesen der Chloroplast wurde: also ein Eukaryot, der einen Eukaryoten aufnahm, der wiederum einen Prokaryoten aufgenommen hatte. Gold-, Braun- und Kieselalgen entstanden etwa durch Aufnahme einer Rotalge, Euglena hat seine Chloroplasten der Aufnahme einer Grünalge zu verdanken. Sogar tertiäre Endosymbiosen hat es gegeben: einige Dinoflagellaten haben ihre Chloroplasten erhalten durch Aufnahme eines Haptophyten, also eines Einzelkers, der seine Chloroplasten wiederum einer sekundären Endosymbiose einer Rotalge zu verdanken hatte. Außerdem kam es vor, dass manche Eukaryoten ihre Chloroplasten verloren und später wieder einen anderen aufnahmen. Ein Beispiel dafür ist Paulinella. Diese Algen stammen wahrscheinlich von Vorfahren der "Rotalgen"-Linie ab. Diese verloren ihre Chloroplasten und nahmen später durch primäre Endosymbiose ein Cyanobakterium auf. Aus diesem entstand das Cyanell, ein Chloroplasten ähnliches Zellorganell.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig