Eislaufen mit LeChatelier erklären?

5 Antworten

Grundsätzlich gilt in den meisten Fällen:

Erhöht man von einem festen Stoff die Temperatur, so folgt chronologisch die Übergänge der Aggregatszustände von fest zu flüssig und flüssig zu gasförmig.

Erhöht man den Druck, folgt chronologisch von gasförmig zu flüssig und flüssig zu fest (wenn man einen gasförmigen Stoff hat).

Das gilt aber nur in vielen, nicht in allen Fällen. Wenn man sich das genau anschauen möchte, so betrachtet man das entsprechende Druck-Temperatur-Diagramm (sog. "Phasendiagramm") einer Verbindung an.

Schaut man sich jenes von Wasser an, so sieht man, dass diese "Chronologie" bei extremeren Werten nicht mehr gewährleistet ist. Wasser ist anfänglich sagen wir mal bei 25 °C und Normdruck eine flüssige Verbindung. Übt man genug Druck auf, so folgt Wasser dieser Pi-mal-Daumen-Regel und wird fest. Bei sehr viel höheren Drücken wird es jedoch wieder flüssig.

Und das Prinzip von Le Chatelier ist auch das sogenannte "Prinzip des kleinsten Zwangs". Jede Verbindung hat einen bevorzugten Zustand und wenn die nötigen Bedingungen gegeben sind (durch äußeren Zwang), dann entscheidet sich die Verbindung je nach eigenen Vorlieben zu einen bestimmten Aggregatzustand.

Im Falle es Eislaufens haben wir festes Wasser (Eis) vorliegen. Fest durch niedrige Temperatur. Beim Eislaufen üben wir durch unser gesamtes Gewicht auf die Fläche der Schlittschuhe. Damit erhöhen wir den Druck auf das Eis unterhalb der Schlittschuhe und diese übersteigt einen Druck der nötig ist (das ist der äußere Zwang), der Wasser dazu nötigt lieber als Flüssigkeit vorzukommen.

Rechnerisch wäre das bei einer 60 kg schweren Person und Kufen von 40 cm Länge und 1,3 mm Dicke wie folgt:

A = a * b = 40 cm * 1,3 mm = 0,4 m * 0,0013 m = 0,00052 m²

F = m * g = 60 kg * 9,81 m/s² = 588,6 N

Und damit ein Druck p von

p = F/A = 588,6 N / 0,00052 m² = 1,13 MPa

Es wird also ein Druck von 1,13 MPa ausgeübt (soweit man mit einem Schuh fährt) und dementsprechend die Hälfte, also 0,566 MPa wenn man mit beiden Schuhen aufliegt.

Anscheinend reicht dies aus um ein Flüssigkeitsfilm unter den Kufen zu erzeugen.

Iamiam  31.03.2017, 18:20

zwar sehr ausführlich, aber es erklärt nicht, warum man auf einer Glasplatte oder einem Betonboden nicht Schlittschuhlaufen kann!

(Dichteanomalie des Wassers beim Gefrieren: Eis dehnt sich als (fast) einziger Stoff beim Gefrieren aus, kann also durch Zusammenpressen wieder flüssig gemacht werden (Grenze m.Erinnerung nach bei ca.-20°C, danach ist das Eis wieder unter das Volumen des Wassers geschrumpft)

Ist sehr lange her: ich glaube, Wismut hat ein ähnliches Verhalten, praktisch bedeutungslos.

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TomRichter  01.04.2017, 16:07

> Anscheinend reicht dies aus

Tut es nicht - ergibt gerade mal 0,2 K Unterschied. Siehe meine Antwort und die dort verlinkten Quellen.

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Musst eben den Druck berechnen, den eine Schlittschuh-Kufe in Abhängigkeit vom Gewicht der Person und der Fläche der Kufe aufs Eis ausübt.

Ist dieser Druck höher als der nötig, um das Eis unter der Kufe flüssig werden zu lassen, gleitet der Schlittschuh auf einem Flüssigkeitsfilm übers Eis.

amgdriver 
Fragesteller
 31.03.2017, 12:36

Man soll von einem Druck von 600MPa ausgehen. Hmm ist das dann mit LeChatelier erklärt?

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TomRichter  02.04.2017, 14:55
@amgdriver

Da hätte der Lehrer besser einen Blick ins Phasendiagramm geworfen:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/08/Phase_diagram_of_water.svg

Wäre der Druck unter den Kufen so hoch (sind immerhin 6000 Bar), würde das gar nichts erklären. Bei Druckerhöhung sinkt zunächst der Schmelzpunkt von Eis - aber nur bis ca. 200 MPa. Dort sind es etwa -22 °C.

Bei weiterer Druckerhöhung steigt der Schmelzpunkt wieder, und bei 600 MPa ist er wieder ziemlich genau bei 0 °C angelangt.

Du kannst mit LeChatelier erklären, warum bei 200 MPa der Schmelzpunkt tiefer liegt als bei 0,1 MPa. Aber mit dem Schlittschuh hat das nichts zu tun, der erzeugt nur einstellige MPa-Werte.

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Möglicherweise will Dein Lehrer die Erklärung hören, die schon seit hundert Jahren von Schulbuchautoren aus alten Schulbüchern abgeschrieben werden. Obwohl die sich sogar ganz ohne Berechnung des Drucks und Blick ins Phasendiagramm widerlegen ließe.

Rechnerisch:
Ein Schlittschuhläufer (70 kg) auf Schlittschuhen mit
einer Kufenlänge von 30 cm und Kufenbreite 0,5 mm, übt einen
Druck von etwa 23 Atmosphären auf das Eis aus. Dieser
Druck erniedrigt den Schmelzpunkt des Eises gerade mal um ein fünftel Grad.

Durch Denken statt Rechnen:
Läge es nur am Druck, würde dadurch schon beim Stehen auf Schlittschuhen immer mehr Wasser unter den Kufen entstehen.

zitiert nach
http://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/winterphaenomene/schlittschuhlaufen/

Ebenfalls gut erklärt ist es hier:
https://www.welt.de/wissenschaft/article125430935/Warum-Schlittschuhe-wirklich-auf-Eis-gleiten.html

Nicht der Druck lässt das Eis schmelzen, sondern die Reibungswärme. Und damit ist die gewünschte Erklärung nach LeChatelier leider falsch.

Jetzt muss nur noch jemand erklären, wieso diese Erkenntnis es auch in bald hundert Jahren nicht bis in die Schulbücher geschafft hat.

Iamiam  02.04.2017, 15:32

So einen Irrtum muss man erst mal verarbeiten! aber die beiden Links klingen fundiert und sind es hoffentlich auch (nicht wie der Mpemba-Effekt...).

Selbst an der Uni wurde das nie thematisiert, geschweige denn berichtigt (wenn ich das damals gefragt worden wäre, hätte ich das auch im Nebenfach-Vordiplom so behauptet!)

DH!

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TomRichter  02.04.2017, 18:52
@Iamiam

Ich schätze, im Vordiplom wusste ich es auch noch nicht besser. Aber im Rahmen einer Diplomarbeit zum Thema Wasser lernt man auch als Chemiker ein bisschen was über die diversen Phasen des festen Wassers.

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Bevarian  31.08.2018, 17:22

Und ich hätte Eislaufen trotzdem mit Gleichgewicht erklärt - ohne fällt man nämlich auf die Schnauze!

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Wenn Wasser gefriert, dann dehnt es sich aus (Dichteanomalie). Übt man einen Druck aus, dann wird es wieder flüssig, weil es dann weniger Volumen braucht.

Iamiam  31.03.2017, 18:10

DH!

anscheinend die einzige AW, welche die Dichteanomalie als Grundlage fürs Eislaufen erwähnt.

Auf einem Glasspiegel wäre das nicht möglich, der wird durch Kompression nicht flüssig!

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PFromage  31.03.2017, 19:38
@Iamiam

Übrigens ist Wasser nicht der einzige "anomale" Stoff. Silizium und
Germanium zeigen diese Anomalie ebenfalls und aus dem gleichen Grund (Diamantgitter)

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PFromage  01.04.2017, 08:00
@PFromage

Leider: nach Lektüre ist es wohl die Reibungswärme (s. TomRichter)

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Schmelzen ist doch keine chemische Reaktion. Warum sollt ihr denn diesen physikalischen Zusammenhang zwischen Druck und Schmelzpunkt gemäß dem Prinzip des kleinsten Zwanges von Le Chatelier darstellen?

Iamiam  31.03.2017, 18:07

weil das trotzdem zur Chemie gehört. Grenzgebiete muss man eben zuordnen. Das hier heißt Physikalische Chemie, ebenso wie Reaktionswärmen, Absorptionsspektren, Adsorbentien etc..

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