Descartes Ideen?

1 Antwort

René Descartes, Meditationes de prima philosophia (3. Meditation) untersucht unter anderem, bei welchen Arten/Gattungen von Gedanken/Denkinhalten (lateinisch: cogitationes) es Wahrheit und Falschheit gibt.

Die Gedanken/Denkinhalte unterteilt er dabei in folgende Arten/Gattungen:

  • bloße Ideen/Vorstellungen (lateinisch: ideae)
  • Willensregungen (lateinisch: voluntates) bzw. Leidenschaften (lateinisch: affectus)
  • Urteile (lateinisch: judicia)

Ideen/Vorstellungen sind Gegenstände einsehender Erkenntnis.

Es gibt nach seiner Auffassung materielle Ideen/Vorstellungen (bilden sich über Sinneswahrnehmung), geistige Ideen/Vorstellungen (durch reines, aufmerksames Denken zugänglich) und sowohl materielle als auch geistige Ideen/Vorstellungen.

Bei der Sinneswahrnehmung erzeugen von den Dingen ausgehende Reize auf mechanische Weise in den Sinnesorganen Eindrücke, diese werden von einem (körperlichen) Gemeinsinn und der Imagination/Einbildung übermittelt und schließlich vom Geist erfaßt.

Descartes legt eine Einteilung der Ideen/Vorstellungen vor:

  • angeborene/eingeborene Ideen/Vorstellungen (lateinisch: ideae innatae)
  • durch Erfahrung erworbene/von außen empfangene Ideen/Vorstellungen (lateinisch: ideae adventitiae [„hinzugekommene Ideen/Vorstellungen“])
  •  künstliche gebildete/vom Menschen selbst geschaffene Ideen/Vorstellungen (lateinisch: ideae a me ipso factae [„von mir selbst geschaffene Ideen/Vorstellungen])

Angeborene Ideen/Vorstellungen sind Ideen/Vorstellungen, die Menschen von ihrer eigenen Natur her haben und unwillkürlich glauben.

Hinzugekommene Ideen/Vorstellungen sind durch Erfahrung erworbene, von außen empfangene Ideen/Vorstellungen.

Selbst geschaffene Ideen/Vorstellungen sind von den Menschen selbst geschaffene, künstlich gebildete Ideen/Vorstellungen. Es gibt von ihnen keine Erfahrung als tatsächlich existierende Dinge, sondern die Idee/Vorstellung hängt vom Willen ab. Solche Ideen/Vorstellungen können bloße Phantasiegebilde sein wie z. B.  Fabelwesen.

Angeborene Ideen/Vorstellungen sind nicht durch Erfahrung erworben. Sie können ohne Rückgang auf Erfahrung hervorgebracht werden. Zu den angeborenen Ideen/Vorstellungen zählt Descartes z. B. Gott, die denkende Sache, die ausgedehnte Sache, mathematische Axiome.

Auch wenn dies nicht immer ausdrücklich klargestellt wird, meint Descartes über die angeborenen Ideen/Vorstellungen nicht, der Mensch habe sie schon vor der Geburt oder neugeboren als ausgebildete Erkenntnisse. Angeboren ist nach seiner Auffassung das Erkenntnisvermögen, das solche Ideen/Vorstellungen ausbilden kann. Der Mensch hat sie damit der Möglichkeit nach.

Die Idee/Vorstellung eines Baumes ist nach seiner Erkenntnistheorie eine hinzugekommene Idee/Vorstellung. Sie wird durch Erfahrung als von außen empfangene Idee/Vorstellung erworben, mittels der Sinneswahrnehmung.

asnfiebdj 
Fragesteller
 15.05.2019, 11:05

Wo liegt denn dann der Sinn zu sagen, Descartes ist ein Rationalist. Bei den von außen wahrgenommenen Ideen, z.B. der Idee eines Baumes würde es doch bedeuten, dass man zunächst eine gewisse Anzahl von Bäumen sehen muss, d.h. man bildet die Idee empirisch, obwohl Descartes ein Rationalist ist. Wenn man sich z.B. 10 Bäume angeguckt hat &eine Idee eines Baumes sich erworben hat und einen 11. Baum sieht, wie wird dann der Prozess der Erkenntnis ablaufen, wozu dient der Verstand in der Erkenntnis?

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Albrecht  16.05.2019, 06:21
@asnfiebdj

Rationalismus in der Erkennntnistheorie bedeutet nicht, zu behaupten, die Erfahrung spiele keinerlei Rolle bei dem Gewinnen von Wissen.

Bei der Idee/Vorstellung eines Baumes ist nach Auffassung von Descartes von außen kommende Erfahrung beteiligt, weil sie nicht ohne Sinneseindrücke zustandekommt, aber eine klare und deutliche Idee/Vorstellung eines Baumes erfordert auch ein Erfassen durch den Geist/den Verstand/die Vernunft.

Nach dem grundlegenden Ansatz der Erkenntnistheorie vertritt René Descartes einen Rationalismus: Die Vernunft/der Verstand – Ratio – ist für Erkenntnisse das Wesentliche, Vorrangige und Leitende und Descartes hält die Gesamtwirklichkeit für ein geordnetes Ganzes, dem die Ordnung der vernünftigen Gedanken entspricht.

Nach Auffassung von Descartes kommt es bei der Sinneswahrnehmung zu konfusen (verschwommenen und verworrenen) Erkenntnissen. Das rationale Denken bemüht sich, zu klaren und deutlichen Erkenntnissen weiterzukommen. Erst das rationale Denken erreicht sicheres Wissen.

Descartes vertritt den Standpunkt: Sinneswahrnehmung alleingenommen liefert nur Sinneseindrücke, leistet aber nicht die Erkenntnis, was eine Sache ist. Erkennen ist nicht einfach ein Sehen, Berühren oder bildhaftes Vorstellen. Das Erfassen, was die Sache ist, leistet erst der Geist/der Verstand/die Vernunft mit seinem Urteilsvermögen. Wer meint, von einem Fenster aus Menschen vorübergehen zu sehen, sieht genaugenommen Farben und Formen, aber unter den Bekleidungsstücken könnten auch Automaten stecken, die irrtümlich für Menschen gehalten werden (2. Meditation). Ein Stück Wachs kann seine sinnliche wahrnehmbaren Eigenschaften (z. B. Form, Farben Geruch, Klang bei Dagegenschlagen) verändern (z. B. bei Erhitzung). Gesucht wird, wenn erfaßt werden soll, was eine Sache (z. B. ein Stück Wachs) ist, aber etwas, das gleichbleibend ist. Körper werden darin, was sie selbst sind, nicht eigentlich durch die Sinne oder das Vorstellungsvermögen erfaßt, sondern allein vom Verstand/der Vernunft.

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asnfiebdj 
Fragesteller
 18.05.2019, 10:08
@Albrecht

Wenn ich z.B. 10 unterschiedliche Stifte sehe, bekomme ich unterschiedliche Wahrnehmungen von den Stiften( unterschiedliche Länge, Art (Füller, Kulli), Farbe, Form). Durch diese Sinneswahrnehmungen kann ich aber noch nicht sagen, was ein Stift an sich, was sein Wesen ist. Dieses Wesen erkennt mein Verstand, da es mun eine Idee vom Stift hat & kann nun bei der Betrachtung eines 11. Stiftes, in meinem Verständnis ein Stift, der nicht zur Idee beigetragen hat(?), beurteilen, ob dieser Stift auch tatsächlich ein Stift ist. Verstehe ich das soweit richtig?

Es heißt ja " Alles, was sich dem Denken als klar und deutlich zeigt, ist wahr." Wie lässt sich dieser Satz auf das Beispiel mit dem Stift anwenden?

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asnfiebdj 
Fragesteller
 18.05.2019, 16:15
@asnfiebdj

Sie sagen ja selbst: Körper werden darin, was sie selbst sind, nicht eigentlich durch die Sinne erfasst, sondern allein vom Verstand/Vernunft. Was bedeutet das denn genau? Was ist der Nuzten von Ideen, die man von außen sich selbst eignet; spielen diese bei der Erkenntnis eine Rolle?

Um einen geschmolzenes Bienenwachs auch als ein solches zu definieren, brauche ich eine Idee vom Bienanwachs oder reicht mir der Verstand?

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Albrecht  19.05.2019, 04:03
@asnfiebdj

Aufgrund von Sinneswahrnehmung (auch davon, wie ein Stift verwendet wird) kommt es zu einer konfusen (verschwommenen und verworrenen) Erkenntnis, was ein Stift ist. Der Verstand kann zu einer Erfassung des Wesens eines Stiftes kommen und hat dann eine klare und deutliche Idee/Vorstellung eines Stiftes. Der Verstand kann auf dieser Grundlage beurteilen, ob ein wahrgenommnes Ding ein Stift ist oder nicht. Ein weiterer Stift trägt danach nicht mehr dazu bei, zu eine klaren und deutlichen Idee/Vorstellung zu kommen, weil dies schon geschehen ist.

Wenn eine Erfassung des Wesens eines Stiftes gelingt, zeigt sich dem Denken klar und deutlich, was ein Stift ist. Die Beurteilung ist wahr.

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Albrecht  19.05.2019, 04:39
@asnfiebdj

Um wahrhaft zu verstehen, was Wachs ist, sind sowohl Sinneseindrücke als auch ein Erfassen mit dem Verstand/der Vernunft nötig. Dieses Erfassen bedeutet, eine klare und deutliche Idee/Vorstellung zu haben. Es ist also keine Angelegenheit von entweder Idee oder erfassendem Verstand, sondern beides gehört zusammen.

Wenn Wachs in flüssigem Zustand (durch Hitze geschmolzen) nicht einbezogen ist, ist nach Auffassung von Descartes die Definition schlecht und jemand hat nur eine konfuse (verschwommene und verworrene) Idee/Vorstellung, was Wachs ist.

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asnfiebdj 
Fragesteller
 19.05.2019, 09:27
@Albrecht

Das heißt ein Stift allein würde reichen, um eine Idee davon auszubilden? Bereits bei der ersten Betrachtung eines roten Stiftes erfasst der Verstand das Wesen des Stiftes und erkennt, dass die Farbe z.B. nicht ausschlaggebend ist. Bei Betrachtung eines anderen Stiftes mit einer anderen Farbe wird der Person dann bewusst, dass es auch ein Stift ist; aber es kommt nicht zu einer Ausbildung einer neuen Idee.?

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asnfiebdj 
Fragesteller
 19.05.2019, 09:32
@Albrecht

Ist es nötig, dass der Mensch das Bienenwachs auch in geschmolzener Form sieht, um das Wesem des Wachses erkennen zu können oder geschieht das schon bei der Betrachtung eines "normalen" Bienenwachses?

"Es ist also keine Angelegenheit von entweder Idee oder erfassendem Verstand, sondern beides gehört zusammen?"

Findet beides zeitlich gleich statt oder folgt erstmal das Erfassen statt und dann die Ausbildung der Idee?

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Albrecht  19.05.2019, 12:04
@asnfiebdj

 

Für eine konfuse Idee/Vorstellung ist die Wahrnehmung eines einzigen Stiftes ausreichend, für eine klare und deutliche Idee/Vorstellung ist die Wahrnehmung mehrerer Stifte nötig, um das Gleichbleibende im Vergleich bermerken zu können. Die genaue Anzahl der betrachteten Stifte bis zum Erfassen des Wesens des Stiftes ist keine feste Größe, sondern kann bei einzelnen Personen unterschiedlich sein.

Es handelt sich immer um die Ausbildung der Idee/Vorstellung eines Stiftes, sie kann aber mehr oder weniger klar und deutlich sein.

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Albrecht  19.05.2019, 12:09
@asnfiebdj

Für ein vollständiges Erfassen des Wesens des Wachses ist Sinneswahrnehmung von Bienenwachs auch in geschmolzener Form nötig.

Erfassen und Ausbildung einer klaren und deutlichen Idee/Vorstellung geschieht gleichzeitig.

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