Denkt ihr soziale Medien haben das Konzept von Freundschaft verändert?

6 Antworten

Ja, ich denke, dass die sozialen Medien das Konzept von Freundschaft ganz massiv verändert haben.

pro:

  • man kann individuell von zuhause aus Kontakte pflegen
  • einfacherer Zugang zu unterschiedlichsten Interessensgruppen
  • Freundschaften sind über Grenzen und Länder hinweg möglich
  • die Häufigkeit der Freundschaftspflege ist praktisch unbegrenzt

contra:

  • das Konzept Freundschaft ist viel oberflächlicher
  • es ist viel leichter eine Freundschaft zu beenden/auszutauschen
  • Freundschaft scheint innerhalb von Sekunden "machbar" zu sein, in Wirklichkeit braucht man zum Aufbau einer echten Freundschaft aber Monate oder Jahre
  • wenn man sich nur online kennt, fehlen gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen, man weiß nicht, ob man sich real auch "riechen könnte" und schätzt den anderen evt. vollkommen falsch ein
  • fake-Freunde geben nur vor so zu sein wie sie sich darstellen. Man weiß nie hundertprozent woran man ist. Jeder kann sehr schnell mal seine Identität ändern

Meiner Meinung nach wird der Begriff der Freunschaft von Konzernen und "sozialen" Medien funktionalisiert. Ein Freund ist niemals etwas Funktionales. Aber wenn man wie hier auf gutefrage.net nur die Funktion "Freundschaftsanfrage stellen" hat, um mal eine privatere Nachricht zu verschicken, dann wird hier mMn der Begriff Freundschaft sehr mißbräuchlich benutzt. Bei Facebook ist es ähnlich. Das ist traurig.

Mit Freundschaft hat das nichts zu tun. Wenn man im Laufe einer Kommunikation merkt, dass man sich sehr sympathisch ist und sich der Kontakt dann über längere Zeit hält, dann würde ich frühestens von Freundschaft reden.

Ich finde es gefährlich, alles nur noch online zu machen, da die face-to-face-Kontakte so viel mehr beinhalten, so viel mehr Gefühle auslösen und so viel bereichernder sein können. Oft kommt das vor lauter Chatten zu kurz.

88katrin  16.09.2020, 07:44

Mein Sohn ist 20 und genau das Thema hatten wir vorgestern. Er findet es schade, dass man nicht so wie wir, seine Eltern, uns mit unseren realen Freunden getroffen haben. Wir trafen uns zum Sport im Verein, an der Ecke zum labern, Bier trinken, rauchen, Moped fahren, Moped basteln,.... Er sagt, dass in seiner Generation diese Kontakte fehlen. Das wäre schade. Er sagt auch, dass mit diesem Freundschaftsbutton viel zu schnell "rumgeschmissen" wird. Auch wenn ich hier viele Fragen lese, wie man mit jemandem umgeht, weil man schon die lange Zeit von 2 Tagen auf insta befreundet ist. Freunde gibt es doch nur im realen Leben, oder? Viel und häufig wird gefragt, wie und wo lerne ich Menschen kennen, wie kann ich jemanden anschreiben. Hat das diese Handygenaration verlernt?

Ich muss meine beiden jüngeren Söhne quasi rausschmeißen, damit sie sich mit anderen treffen. Ansonsten hängen sie am Handy oder der PS. FÜRCHTERLICH. Und dann kommt dazu, daß sie und ihre "Freunde" es nicht schaffen, sich real zu treffen. Hammer. Neulich fragte der nachbarsjunge seinen Vater, als er ein Fahrrad geschenkt bekam: Was soll ich damit, ich weiß nicht, was man mit so nem Ding machen kann. Der Ausraster von seinem Vater war göttlich. Und ich fand es mega schade, daß so eine Frage kommt von einem 14 jährigen.

Traurig, aber es scheint wohl so heutzutage.

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Divanikima  16.09.2020, 19:58
@88katrin

Das ist sehr erschreckend...nicht alle sind so, aber doch schon sehr viele offenbar.

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Die sozialen Medien haben durchaus das Konzept der Freundschaft in vielerlei Hinsicht verändert, auch wenn natürlich fundamentale Angelegenheiten genau so gleich geblieben sind wie seit Urzeiten. Freundschaften, die online stattfinden, finde ich (kann natürlich nur subjektiv sein) sind allgemein nicht mehr so, ich sage mal "platonisch" wie frühere Freundschaften vor dem Zeitalter des Internets. Aber das muss auch nichts schlechtes heißen, denn schließlich kann man ja auch gute Internetfreundschaften pflegen. Die Frage ist nur: Ist die Person, die da am anderen Ende der Leitung sitzt, auch wirklich mit mir befreundet? Für mich sind Freunde welche, die auch füreinander da sind, wenn es mal mies wird und nicht immer nur an sich selbst denken. Das wären dann vielleicht noch sowas wie Internetbekanntschaften, aber definitiv keine Freundschaft.

Allerdings gibt es auch viele Fake Friends bzw. Man weiß nicht ob die Person wirklich so ist oder ob das vielleicht im schlimmsten Fall ein Schwerverbrecher ist.

Da bin ich genau deiner Meinung. Zufälligerweise habe ich heute gerade vorhin einen fake friend aus meiner Kontaktliste entfernt. Das war keine leichte Entscheidung für mich, da wir uns eigentlich sehr gut verstanden haben und uns doch schon recht lange online kannten. Aber als ich gemerkt habe, dass immer mehr Ausreden gekommen sind bis hin zu "deshalb kann ich mit dir eine Weile nicht mehr schreiben" oder auch schon indirekte Morddrohungen und dann diese Person mich dann auch komplett ignoriert hat (und das mit Absicht, da sie wusste, dass ich gerne mit ihr geschrieben habe), musste ich jetzt einen Schlussstrich ziehen. Man sollte seine Zeit nicht mit Menschen vergeuden, die deine Person und deinen Charakter nicht wert zu schätzen wissen, aber umgekehrt immer belohnt werden wollen mit Komplimenten und Aufmerksamkeit. Daran merkt man, dass einige Menschen es sehr bitternötig haben an sich selbst moralisch zu arbeiten.

Den Eindruck habe ich schon, dass das Internet das Verständnis von "Freundschaft" verändert hat. Ich staune immer wieder, wie wenig es braucht, um auf Hunderte von virtuellen Freunden zu kommen. Inzwischen scheint das Verständnis von Freundschaft ein wenig amerikanisiert:

Freund ist, wer mir virtuell oder im realen Leben freundlich begegnet - und sobald er von der Bildfläche verschwunden ist, dann halt nicht mehr.

"Die Bürgschaft" beschreibt eine Freundschaft. Auf Englisch heißt es: A friend in need is a friend in deed. Virtuelle Freundschaft ist ein Humbug.