Buch über Kapitalismus und Kommunismus?

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Kapitalismus kann man ganz einfach definieren als Marktwirtschaft inklusive Arbeitsmarkt. Also eine Wirtschaftsform, in der voneinander unabhängige Produzenten ohne bewusste gesellschaftliche Gesamtplanung Dinge produzieren, die dann als Waren über einen Markt gegen Geld getauscht werden. Die Produktionsmittel (Maschinen, Rohstoffe, Vorprodukte, Energie usw.) werden am Markt gekauft. Ebenso die zur Produktion notwendige menschliche Arbeitskraft, die dadurch zur Lohnarbeit wird.

Im Kommunismus dagegen wird gemeinsam nach einem gemeinsam gefassten Plan produziert und konsumiert. Die Produkte werden nicht über einen Markt verteilt ("getauscht"), sondern nach gemeinsam getroffenen Kriterien an die Gesellschaftsmitglieder verteilt. Geld ist also in einer kommunistischen Wirtschaft nicht nötig. Es gibt darum auch keine Lohnarbeit, d.h. die Arbeitenden bekommen keinen Lohn in Form einer Geldzahlung. Sondern sie bekommen eben einen Anteil an den Produkten. Die Gesellschaftsmitglieder sind in ihrer Gesamtheit die Eigentümer sowohl der Produktionsmittel als auch der Produkte.

Im Prinzip kann man sich die kommunistische Gesellschaft vortstellen wie ein Indianerdorf bei Karl May, nur natürlich moderner. In einem Indianerdorf werden viele verschiedene Dinge produziert: Zelte, Waffen, Kleidung, das tägliche Essen, Medizin, rituelle Gegenstände usw. Aber es gibt keine Privatproduzenten, also keinen Hersteller z.B. von Mokassins, der seine Schuhe an die anderen Indianer verkaufen würde. Auch die Zelte werden nicht gekauft und verkauft. Es wird überhaupt nichts gekauft und verkauft, es gibt nicht mal Geld. D.h. es gibt keinen Markt, sondern die Gemeinschaft der Indianer im Dorf stellt einfach alles gemeinsam her und verteilt es untereinander. Am Ende hat jeder sein Zelt, seine Mokassins, sein Essen und seinen Flitzebogen. So wie in diesem Indianerdorf hat die Menschheit überall auf der Welt für viele Jahrtausende gelebt. Diese Lebensweise widerspricht also keineswegs der "menschlichen Natur" , wie oft behauptet wird.

Zurück zum Kapitalismus: Der einzelne Produzent muss die Produktionsmittel - Rohstoffe, Vorprodukte, Arbeitskraft usw. - am Markt kaufen. Er braucht also bereits eine bestimmte Geldsumme, bevor es überhaupt losgeht. Man spricht davon, dass er dieses Geld "investiert". Nun investiert aber niemand Geld, wenn er nicht mehr Geld zurück bekommt. Wenn ich z.B. 1 Million Euro habe, dann kaufe ich ja nicht für 1 Million Maschinen, Rohstoffe und Arbeitskräfte, wenn ich für die produzierten Waren hinterher genau 1 Million heraus bekomme. Dann kann ich es ja direkt sein lassen. Ich möchte doch als Produzent mindestens sagen wir mal 20 Prozent Profit machen, also 1.200.000,- Euro herausbekommen. Dieser Mehrwert ist eine Bedingung für die Produktion, sonst lasse ich es sein. Umgekehrt kann man sagen: ich produziere überhaupt nur zu dem Zweck, hinterher ein Plus von 200.000,- Euro zu haben.

Dass sich das investierte Geld vermehrt, ist also ein Muss, ein logischer Zwang. Ohne Geldvermehrung gäbe es keine Investition des Geldes. Geld, das sich vermehrt, nennt man "Kapital". Indem ich Geld einsetze mit dem Ziel, es zu vermehren, werde ich "Kapitalist". Ob es sich dabei um eigenes Geld oder fremdes Geld handelt, ist übrigens egal. Der Kapitalist ist also im Grunde genommen nur derjenige, der den Selbstverwertungsprozess des Kapitals praktisch durchführt, denn das Geld hat ja keine Augen und Hände, dies selbst zu tun. Der Kapitalist ist also nicht etwa der Herrscher über das Kapital, sondern umgekehrt der Diener des Kapitals. Das lässt sich der Kapitalist freilich in aller Regel gut bezahlen.

Ein paar Anmerkungen noch:

Das Profitstreben ist grundsätzlich keineswegs moralisch zu verdammen. Der Kapitalist muss Profit machen, denn sonst würde er untergehen. Was mache ich als Kapitalist z.B., wenn ich jahrelang eine gut gehende Produktion habe, und auf einmal kommt ein neuer Kapitalist, der die gleichen Produkte herstellt wie ich, nur billiger, weil er die allerneuesten Maschinen hat? Da beiben mir nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich gehe über kurz oder lang pleite, weil nur noch die billigeren Produkte meines Konkurrenten gekauft werden. Oder ich kaufe auch die neuesten Maschinen, um mit meinem Konkurrenten zumindest gleichzuziehen. Aber ich kann die neuesten Maschinen ja nur dann kaufen, wenn ich vorher ein Plus gemacht habe, also Geld übrig habe. Das "Plusmachen" ist also nicht Habsucht oder Gier, sondern pure Notwendgkeit. Deswegen hat zum Beispiel Karl Marx den Kapitalismus nie aus moralischen Gründen kritisiert. Was nichts daran ändert, dass manche Kapitalisten ziemliche Menschenschinder sind.

Der Zwang, das investierte Geld zu vermehren, ist die Ursache für den Wachstumszwang im Kapitalismus. Deswegen schauen alle kapitalistischen Volkswirtschaften immer ängstlich darauf, ob es genug Wachstum gibt. Diesen Wachstumszwang kann man nicht einfach "abschaffen" oder durch gutes Zureden den Kapitalisten "austreiben". Wenn man die Natur retten will und deshalb aus der Wachstumslogik heraus will, muss man also den Kapitalismus überwinden.

Im Indianerdorf sind die Mitglieder alle mehr oder weniger gleich. Häuptling zu sein ist eher ein Ehrenamt, ein Häuptling bekommt dafür nicht mehr Zelte, mehr Schuhe oder mehr Essen als die anderen. Der Kapitalismus dagegen führt zu sozialer Ungleichheit. Denn die Arbeiter bekommen grundsätzlich Monat für Monat nur das heraus, was sie zum Leben brauchen, während der Kapitalist vom Mehrwehrt einen großen Teil für sich selbst behalten kann.

Entgegen den Glaubenssätzen seiner frommen Anhänger führt der weltweite Handel, also die Grundlage des Kapitalismus, auch nicht zu mehr Frieden, sondern ganz im Gegenteil: seit der Entstehung des Kapitalismus im 16./17. Jahrhundert gibt es Kriege um die Aufteilung der Handelszonen, Kriege um die Aufteilung der Kolonien, Kriege um Absatzmärkte, Kriege um Rohstoffvorkommen, Kriege zur Ausschaltung der Konkurrenz, Kriege der imperialistischen Mächte gegeneinander usw.

Timberwolf627  03.01.2024, 05:51

Kapitalismus ist nicht das Problem sondern die Lösung von Rainer Zitelmann könnte etwas für Dich sein

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Das gibt es nicht, weil es noch nie einen funktionsfähigen Kommunismus gegeben hat. Daher weiß niemand, wie der aussehen sollte oder könnte.

cas65  13.07.2023, 18:33

Doch, man weiß, wie der "aussehen sollte oder könnte". U.a. Marx und Engels haben sich mit diesem Themengebiet umfassend beschäftigt.

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Roland Sperling  13.07.2023, 22:32
@cas65

"Umfassend" nicht gerade. Im Gegenteil gibt es in dem sehr umfangreichen Werk der beiden nur ganz spärliche Äußerungen dazu, wie der Kommunismus genau aussehen soll. Das lag den beiden auch fern, weil sie wussten, dass so etwas nicht theoretisch vorgegeben werden kann, sondern sich aus der Praxis der Menschen ergeben muss.

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cas65  14.07.2023, 07:04
@Roland Sperling

Ich sehe aktuell, was sich so aus der "Praxis der Menschen" ergibt.

Und genau das fährt die Welt gerade vor die Wand.

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Adzec  14.07.2023, 07:10
@cas65

Das ist falsch und ahnungslos. Gerade bei Marx und Engels gibt es dazu nur eine Handvoll abstrakter theoretischer Annahmen. Und in der Realität gab es eben noch keinerlei "Kommunismus".

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Adzec  14.07.2023, 07:11
@cas65

In der Praxis haben Kommunisten vor allem den "Sozialismus" als Vorstufe zum Kommunismus vollständig gegen die Wand gefahren.

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cas65  14.07.2023, 07:14
@Adzec

Ja, ich fühlte mich echt an die Wand gefahren - mit einem soliden Krankenversicherungssystem ohne "Klassen", einem Bildungssystem, das die Skandinavier noch heute kopieren, einem ÖPNV, das den Namen auch verdiente, subventionierten Grundnahungsmitteln, einer Existenzangst, die nicht existierte...

Heute finde ich in meiner Heimatstadt nicht mal mehr einen Allgemeinmediziner, der noch Patienten aufnimmt.

Super Errungenschaften! ^^

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