Angst vor dem Wachenpraktikum?

4 Antworten

Also. Allgemeine Grundregeln für Praktikanten aus meiner Sicht

1. Stelle dich vor. Name und Funktion reichen erst mal. Dann werden schon Fragen kommen. Es wird in der Regel von Praktikanten oder allgemein den Neuen erwartet, dass sie da die Initiative übernehmen. Besser zweimal bei den gleichen Leuten vorgestellt, als gar nicht ist eine zweite wichtige Regel aus diesem Bereich. Wenn du dich nicht vorstellst giltst du als unkommunikativ und wirst im schlimmsten Fall einfach "übersehen". Im Rettungsdienst ist es üblich dass man sich duzt. Aber das mag auf jeder Wache anders sein. Du kannst dich ja einfach mit Vor- und Zunamen als der neue RH-Praktikant vorstellen und dann wirst du schon hören, ob doch alle mit "du" und Vornamen anreden und sich auch so vorstellen oder ob du ein "Sie" und deinen Nachnamen hörst. Und so redest du dann mit denen auch. Ob es ruppig zugeht... also, man darf sicher kein zimperlich Mensch sein. Es gibt schon oft derbe Späße und Sprüche , aber ich empfinde es eigentlich immer als sehr gutmütig, wenn auch zotig. Ein paar Sprüche kann man sich schon mal fangen und Punkte durch gute Konter sammeln 😉 Rumschreiende Choleriker gibt es auch nicht mehr als anderswo. Versuch nicht zu grösenwahnsinnig zu wirken. Wenn du als erstes damit durchkommst, dass du schon voll heiß auf deinen ersten Riesen-VU bist und ganz viel Blut sehen und direkt nen Zugang legen willst, kommt das meist nicht gut an, erst recht nicht, wenn man noch nicht mal weiß, welche Bedeutung die Farben an den Zugängen haben. Z.B.

2. Interesse zeigen. Heißt, auch Dinge nachfragen, Beispiele: nach dem Einsatz selbständig unklare Dinge nachfragen und erklären lassen. Sich am ersten Tag ins Auto einweisen und in Geräte zeigen lassen. In die Koffer gucken und klären, was unklar ist. Den Wachenablauf beobachten und sich einbringen. Wer immer nur in der Ecke steht und darauf wartet angesprochen zu werden und irgendwie hilflos wirkt, bleibt meist in der Ecke und kriegt wenig erklärt.

3. Mitmachen. Nach den eigenen Möglichkeiten sich beteiligen, versuchen, Situationen zu erfassen und von dir aus Hilfe anbieten. Beispiele: den Koffer unaufgefordert tragen, die Infusion halten, wenn sich einer suchend nach einem Ständer umblickt, nach dem Einsatz ungefragt beim Aufräumen und der Reinigung der Geräte helfen. Natürlich wird man noch Unterstützung und Hilfe bei vielen Dingen brauchen , aber auch hier gilt, nur rumsitzen und unbeteiligt wirken kommt nicht gut an.

Sehr schüchterne Menschen mögen mir dieser Initiative gewisse Probleme haben. Aber man muss nicht gleich den ganzen Laden unterhalten. Wichtig ist echt eine freundliche Vorstellung, mehr aus deinem Leben musst du nicht erzählen, ein paar fachliche Fragen sollten wohl drin sein. Praktisches Interesse kann man immer gut anbringen. Und dann wird es alles ganz locker sein und du dich schnell wohl fühlen.

Als Praktikant, das wissen die Hauptamtlichen, wirst du nicht allzu viel von der Praxis wissen. Die Theorie solltest du dir vorher noch mal anlesen. Praktisch kann man auch auf der wache sich noch mal.einiges zeigen lassen, z.B. wenn man eh gerade am Auto ist "ich bin mir mit dem Spineboard nicht mehr ganz sicher, wäre es möglich, dass wir irgendwann das Strapping noch mal üben?" kommt gut an und meist wird das dann gern möglich gemacht. Wenn nicht, hast du nichts verloren. Falsch machen wird man als "der neue" immer irgendwas. Es ist kein Meister vom Himmel gefallen. Wenn die Leute merken, dass man sich bemüht und insgesamt gut anstellt, ist das überhaupt kein Problem. Ganz normal.

Fazit: locker bleiben, sich vorstellen, Interesse zeigen, mitmachen, nicht versuchen perfekt zu sein. Das ist das Geheimnis...

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Es gibt sehr unterschiedliche Rettungsdienstler - so ziemlich alles zwischen "Juhu, endlich jemand dem ich was beibringen kann" bis hin zu "omg lass mich in Ruhe, ich bin kein Babysitter".

Problem ist das mein Lehrgang ein paar Wochen schon her ist und ich vieles vergessen habe, vorallem das Praktische

Dir ist aber schon klar, dass es eigentlich nicht der Sinn der Sache ist, Gelerntes wieder zu vergessen? ;)

In der Praxis läuft sowieso vieles anders als in der Schule gelernt. Deshalb finde ich es nicht schlimm, wenn's bei den Details etwas hapert - sofern die Grundlagen, das was man im Lehrgang eigentlich bis zum Erbrechen geübt hat, funktioniert. Ich würde z.B. bei deinem Wissensstand erwarten, dass ich dich bei einer Reanimation mit der Herzdruckmassage beauftragen kann und dass das dann einigermaßen selbstständig funktioniert.

Ansonsten sagst du eben, wenn du etwas akut nicht weißt. Während des Einsatzes ist aber ggf. nicht die Zeit, es großartig zu erklären... dann muss es halt jemand anderes machen.

Was erwartet ihr von einem Praktikanten?

Zu Schichtbeginn auf jeden Fall eine Vorstellung: Wer bist du, wie oft bist du schon mitgefahren, was sollst du in deinem Praktikum eigentlich (als nächstes) lernen. Und zwar unaufgefordert und nicht erst nach dem 3. Kaffee.

Dem Praktikanten sollte klar sein und er sollte es leben, dass er ganz frisch im RD ist und eigentlich jetzt das Lernen beginnt. Ich erwarte also einen erkennbaren Lernwillen, im Sinne von reichlich Fragen und aufmerksamem Zuhören und Zusehen. Solche arroganten Typen, die frisch von der Schule kommen und direkt jedem altgedienten Kollegen erklären was er alles falsch macht, sind fast noch schlimmer als jene, die sich desinteressiert in die Ecke setzen.

Ich freue mich, wenn ich einen Praktikanten dabei habe und ihm viel erklären kann. Wir können gerne jede einsatzfreie Minute nutzen, um den RTW auf links zu drehen und jede Kanüle mit Vornamen kennen zu lernen. Aber ich frage von mir aus nicht, was ich erklären soll. Das Fragen ist die Aufgabe des Praktikanten.

Weiterhin erwarte ich, dass Anweisungen Folge geleistet wird. Wenn ich z.B. sage, dass der Praktikant während der gesamten Einsatzfahrt angeschnallt zu sein hat und erst aufsteht wenn vorne jemand "absitzen" ruft, dann meine ich das auch so. Vorschriften und Anweisungen haben in der Regel ihren Sinn.

An der Einsatzstelle ist klar, dass der Praktikant ständig schauen sollte, was er helfen kann.

Ich hasse es Fehler zu machen, männliche Kolleriker kann ich aufgrund einer Vorgeschichte meines Exfreundes garnicht ausstehen und bekomme Angst. Habe das Gefühl dass es aber durchaus mal ruppig da zugeht.

Fehler passieren, Punkt! Ja, das ist nicht schön - aber noch unschöner wäre es, wenn der Fehler unentdeckt bleibt oder sich jemand auf etwas verlässt, das aber nicht funktioniert. Deshalb: Wenn was nicht läuft, wie es laufen sollte: Mund auf und sagen was los ist! Dann kann man auch eine Lösung finden.

Ja, du hast vollkommen recht: Es kann auch mal ruppig zugehen. Sowohl weil der Patient nicht mitspielt wie man's gerne möchte, als auch weil es eilig ist und man zur Potte kommen muss. Und dann ist in der Regel auch keine Gelegenheit, viel zu erklären warum man gerade etwas knappe Kommandos gibt. Nimm das auf keinen Fall persönlich und sprich das Thema nach dem Einsatz an, um Erklärungen zu bekommen und Missverständnisse aufzuklären!

Ein Bisschen ein dickes Fell sollte man schon haben. Es kommt übrigens auch vor, dass der Patient oder seine Angehörigen mal den Praktikanten anblaffen. Die wissen nicht, dass der seinen ersten Tag hat und sich das dicke Fell noch aneignen muss. Und ja, auch im Rettungsdienst gibt es Kollegen, die sich schnell aufregen. Gerade über Praktikanten, weil man nach x Dienstjahren vergessen hat, dass man selbst auch mal klein angefangen hat.


Leon977  05.05.2022, 06:38

Sau gute Antwort! :) Auf den Punkt gebracht.

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Ich mache aktuell auch meinen RH, hab die abschließende Prüfung samt Praktikum allerdings noch vor mir, erfahrungstechnisch kann ich dir dazu deshalb leider nichts sagen.

Was das Andere angeht:

Problem ist das mein Lehrgang ein paar Wochen schon her ist und ich vieles vergessen habe, vorallem das Praktische

In welchem Rahmen hast du die theoretische Ausbildung denn gemacht, also lief das alles über dich selbst oder ging das z.B. über eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Hilfsorganisation? Bei Fällen wie letzteres würde ja dann ggf. nochmal die Möglichkeit zu bestehen, praktisch nochmal zu wiederholen. Für die Theorie gibt es teilweise auch Literatur im Internet, falls du da nochmal auffrischen willst.

Ansonsten würde ich persönlich, sofern du dir in bestimmten Maßnahmen noch unsicher bist, das Ganze zu Beginn beim Praktikum ansprechen. In ruhigen Momenten gibts sicherlich nochmal die Möglichkeit, das ein oder andere zu üben. Ungünstig wirds vermutlich wenn du vorher nichts sagst, du am Ende bei kleineren Tätigkeiten doch mit eingebunden wirst und dann planlos da stehst.

Außerdem weiß ich nicht wie ich die Kollrgen ansprechen soll, über was man so redet, was gut ankommt etc.

Meine RH-Ausbildung findet aktuell auf einer kleinen Rettungswache statt, in welcher ich theoretisch demnächst auch mein Praktikum absolvieren könnte - es kam also durchaus schon vor, dem ein oder anderen Kollegen aus dem Regelrettungsdienst zu begegnen. Bei sowas würde ich drauf achten, dem Personal einfach freundlich & offen, allerdings nicht überheblich zu begegnen. Heißt: bei sämtlichen Kollegen, bei denen du dich noch nicht vorgestellt hast, mit Name und Qualifikation (entsprechend RettHelfer in Ausbildung ohne bisherige großartige Praxiserfahrung) und ggf. noch wo man her kommt. Erfahrungsgemäß scheint das Dutzen auf Wachen üblich zu sein, auch wenn man sich noch nicht kennt.

Ansonsten, wenn du deine erste Schicht hast:

  • Wie bereits vorher erwähnt sagen, welche Teile du aus der Ausbildung beherrscht und welche ggf. (wenn Zeit und Lust vorhanden) nochmal wiederholt werden könnten
  • Aufmerksam bei Einweisungen (z.B. auf die Trage oder wenn es darum geht, wo sich was im Fahrzeug befindet) und sonstigen Hinweisen zuhören
  • Wenn Fragen aufkommen und der Zeitpunkt passt, diese auch stellen. Gerade als Praktikant ohne bisherige großartige Erfahrungen (so ist es bei mir zumindest) wird sich die ein oder andere ergeben - insbesondere wenn die gelernte Theorie dann plötzlich auf die Praxis im Alltag trifft.
Also an die Rettungsdienstler: Was erwartet ihr von einem Praktikanten?

Was das angeht können sicherlich einige hier noch was zu sagen, fänd ich persönlich auch noch interessant :D Ich würde aber mal behaupten: erwartet wird, je nachdem wie man es betrachtet, nicht all zu viel. Insbesondere wenn es "nur" um den RH geht.

Von Experte iwaniwanowitsch bestätigt

Hallo...

Angst vor Fehlern ist schlecht, denn du wirst Fehler machen und das ist ganz normal. Für dein Praktikum wichtig:

  • Morgens Fahrzeug mit Checken
  • Rucksack und EKG mit zum Patienten
  • Wenn du aus dem Auto aussteigst, Handschuhe bereits anhaben
  • Stuhl hinten im Fahrzeug unbedingt einklappen wenn du das Fahrzeug verlässt-> ihr braucht den Platz später vielleicht zum Arbeiten
  • Nach dem Einsatz Trage beziehen/desinfizieren, Kabel desinfizieren und den Patientenraum wieder "klar machen", auf Wache alle verbrauchten Materialienn auffüllen
  • Frag die Kollegen nach dem Einsatz nach ihren Eindrücken von der Situation
  • Auf der Wache solltest du die chance nutzen, fachliche Fragen zu stellen, aber auch persönliche Eindrücke aus dem berufsleben zu erfragen: Wie gehen Kollegen mit schwierigen Einsätzen um? Wie bereiten sie sichh vor? was ist ihnen bei der Kommunikation untereinander wichtig---desto mehr du über die Kollegen weißt desto eher kannst du dich ihrem Stil anpassen
  • wenn andere junge RS da sind, oder dein Praxisanleiter nutz die Gelegenheit und mach dich mit dem Material vertraut---übung macht den Meister
Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Psychologiestudium

Winterberge 
Fragesteller
 03.05.2022, 22:08

Ich bin extrem schüchtern, machen Kollegen da auch mak den ersten Schritt auf einen zu oder sollte der schon von mir ais kommen?

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sunnywobgirl  04.05.2022, 03:19
@Winterberge

der muss von dir vorkommen und du solltest dich unbedingt vorstellen! Wenn du da so in dich gekehrt hast wirst du es im rettungsdienst auch sehr schwer haben, das solltest du unbedingt ablegen, ich spreche da aus Erfahrung leider

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