Abendländische Philosophie....warum Griechenland?

5 Antworten

Warum abendländische Philosophie bei den antiken Griechen beginnen hat, ist nicht leicht genau erklärbar.

Abendländische Philosophie in einem engen Sinn ist zuerst bei den antiken Griechen Ioniens aufgetreten, in einem Raum an der mittleren Westküste Kleinasiens (heutiges Gebiet der Türkei) und auf vorgelagerten Inseln der Ägäis. Thales, Anaximander (Anaximandros) und Anaximenes lebten in Milet aus Milet, Xenophanes stammte aus Kolophon, Heraklit (Herakleitos) lebte in Ephesos. Pythagoras stammte aus Samos, zog später nach Kroton in Süditalien (Süditalien/Sizilien, wo sich Griechen in Städten angesiedelt hatten, wurde ein zweiter besonders wichtiger früher Raum der griechischen Philosophie; so ist Xenophanes nach Elea in Süditalien übergesiedelt, Parmenides hat in Elea gelebt, Empedokles stammte aus Akragas auf Sizilien). Griechenland war im 6. Jahrhundert v. Chr. schon eine Hochkultur. Mit Homer (dessen Werke aus einer schon längeren vorangehenden durch Mündlichkeit bestimmten Tradition epischer Dichtung hervorgegangen sind) war z. B. die Literatur schon auf einem hohen Stand

Zum Teil liegen wohl Gründe in der Mentalitätsgeschichte.

Einflüsse auf die Griechen aus anderen Kulturen, insbesondere aus dem alten Orient (Ägypten, Kleinasien, Phönizien und Babylonien sind dabei wohl besonders wichtig) hat es gegeben. Philosophie ist aber nicht einfach ein Wissen oder eine technische Fertigkeit. Eine Entlehnung philosophischer Lehren und Methoden seitens der Griechen ist nicht schlüssig nachweisbar. Völker, mit denen sie in Berührung standen, hatten Mythen und mythische Kosmogonien und Kosmologien, aber keine eigentliche Philosophie im engen Sinn. Es gab bei ihnen keine Versuche einer natürlichen Erklärung der Dinge, die den griechischen Denkern direkt als Quelle und Vorbild für ihr Philosophieren/ihre eigenen Gedankenentwürfe dienen konnten. Die Philosophie ist eine selbständige, bei den antiken Griechen selbst entstandene Entwicklung gewesen.

Ursachen, aufgrund derer streng notwendig in Europa die Philosophie an einer bestimmten Stelle zuerst begann, lassen sich wahrscheinlich kaum aufzeigen. Aber es hat bei den antiken Griechen Umstände, Bedingungen und Voraussetzungen gegeben, die für das Entstehen von Philosophie günstig waren.

  • verhältnismäßiger Wohlstand

Gerade in Gebieten, in denen die Philosophie früh hervortrat, war die wirtschaftliche Entwicklung erfolgreich verlaufen. Es gab in Kleinasien Beziehungen zu Lydien, das wirtschaftliche blühte und dessen Geldwirtschaft für damalige Verhältnisse hoch entwickelt war (Prägung von Münzen mit kleinem Nennwert, die für praktische Bedürfnisse des Handels nützlich waren).

  • Kolonisation, Fernhandel und Gelegenheit zu kulturellem Austausch

Die antiken Griechen haben (vor allem in der Zeit von etwa 750 bis 500 v. Chr. [große griechische Kolonisation]) viele Städte rings um das Mittelmeer und das Schwarze Meer gegründet (Kolonien). Es gab Handelbeziehungen über größere Entfernungen. Die Griechen konnten durch Kommunikation mit anderen Informationen und Gedanken kennenlernen.

  • verhältnismäßige Weltoffenheit

Die antiken Griechen hatten (zumindest zum Teil) einiges Ausmaß an Weltoffenheit. Sie waren neugierig und hatten ein Verlangen nach Wissen. Gründung von Kolonien und Handel gaben der Seefahrt und damit verbundenen Techniken und dabei angewendeten Wissensbereichen wie Mathematik, Astronomie, Geographie und Physik Auftrieb. Auch das theoretische Interesse allgemein wurde angeregt. Innovationen konnten Würdigung finden

  • Interesse an sprachlicher Gewandtheit

Die antiken Griechen waren an gewandter sprachlicher Darstellung interessiert. Wer geschickt und kunstvoll seine Meinung geltend machen konnte und gegenüber Konkurrenten behaupten konnte, hatte Chancen auf Bewunderung, Wertschätzung und Ansehen.

  • Aufbau der Sprache

Der bestimmte Artikel in generalisierender Bedeutung, insbesondere bei der Substantivierung von Adjektiven, ermöglichte auf leichte Weise, Abstraktionen auszudrücken.

  • Aufkommen von Lesen und Schreiben

Das griechische Alphabet war zur Benutzung durch viele geeignet. Es war möglich, in Schriften abstrakte Gedankengänge zu lesen und in Ruhe genau darüber nachzudenken, Gedanken festzuhalten und Werke zu hinterlassen.

Albrecht  03.10.2013, 10:03
  • einiges Ausmaß an politischer Freiheit und viel Gelegenheit zu Diskussion

Seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. wurde bei den antiken Griechen die Polis das gängige Organisationsmodell. Das Wort Polis (Singular πόλις, Plural πόλεις) wird mit Stadt, Stadtstaat oder Staat wiedergegeben. Eine Polis war als eine Bürgergemeinschaft ein Personenverband. Zu einer Polis gehörte üblicherweise eine städtische Siedlung (ἂστυ [asty] ] und ein dazugehöriges Umlandes (χώρα [chora]). Im Siedlungszentrum gab es einen Marktplatz (Agora [ἀγορά) als Versammlungsort und als Kultzentrum (mit Altären und/oder Tempeln), später wurden dort auch öffentliche Gebäude errichtet. Die Agora war ein Ort öffentlicher Begegnung und Kommunikation. Gedanken konnten ausgetauscht und diskutiert werden. Autonomie (Selbstbestimmung, nach eigenen Gesetzen leben) galt als wichtig. Die freien Bürger waren der Polis unmittelbar verbunden, nicht durch Abhängigkeitsverhältnisse vermittelt. Einschränkung war die Oberherrschaft Lydiens, dann des Perserreiches in Kleinasien und die Demokratie ist erst später und zuerst nur in wenigen Poleis entstanden.

  • Fehlen eines herrschenden Priesterstandes

Bei den antiken Griechen gab es keinen Stand/keine Klasse bzw. Kaste von Priestern, die herrschten und das Weltbild kontrollierten. Eine Beschränkung durch eine theokratische Gesellschaftsordnung war nicht vorhanden. In der Religion war die Kultausübung zentral. Es gab keine abgeschlossene Gruppe, die herrschte oder ein Monopol bei der Wissensvermittlung hatte. Der Spielraum für freies geistiges Bewegen war ziemlich groß.

  • Streben nach Auszeichnung im individuellen Wettstreit

Bei den antiken Griechen hat ein Wettbewerbsgedanke, ein agonales Prinzip eine Rolle gespielt. Sie wollten sich gerne in einem Wettstreit durch Überlegenheit auszeichnen. „Immer der Beste zu sein/Immer sich auszuzeichnen und den anderen überlegen zu sein/gegenüber den anderen hervorzuragen“ (αἰὲν ἀριστεύειν καὶ ὑπείροχον ἔμμεναι ἄλλων Homer, Ilias Ζ , 6. Gesang, Vers 208; Homer, Ilias Λ , 11. Gesang, Vers 784) ist ein Leitgedanke. Eine der Erscheinungen, in der er hervortritt, ist der Sport (unter anderem gesamtgriechische [panhellenische] Wettkämpfe in Olympia). Eine Möglichkeit war auch sich im Wissen auszuzeichnen und anderen überlegen zu sein. Philosophen haben betont, die Menge bzw. ihre Vorgänger hätten über etwas keine richtige Meinung gehabt, und sind mit eigenen neuen Auffassungen und Erklärungen hervorgetreten.

  • Vorformen des Philosophierens und zum Anknüpfen geeignete Ansätze bei Gedankenstrukturen in Mythos und Dichtung

Es hat sich der Tendenz nach eine allmähliche Ablösung des Mythos durch den Logos vollzogen. Dies ist allerdings keine lineare Entwicklung gewesen und Mythos und Logos waren auch keine völligen Gegensätze. An Begrifflichkeit war einiges Vorhanden z. B. φύσις 8Natur, Wesen) und νοεῖν (wahrnehmen, vernehmen, erfassen, denken). Bei den antiken Griechen waren im Mythos und Dichtung schon ansatzweise Modelle zur Erklärungen von Einzelphänomenen und der Welt insgesamt enthalten. Dies gilt verhältnismäßig stark für Hesiod, Theogonie. Es gibt ein ordnendes Sammeln und Aufzählen und implizite allgemeine Bestimmungen, die in einem gewissen Ausmaß allgemeinen Seinsstrukturen einer philosophischen Lehre entsprechen. Hesiod fragt nach den ersten Anfängen. Es gibt Naturgewalten (z. B. Erde, Himmel) und Lebensmächte (z. B. Eros), wenn auch als Gottheiten dargestellt. Hesiod vertritt einen allgemeinen Anspruch des Rechts und der Wahrheit. Die Gottheiten sind innerweltliche Gottheiten. In einheitlichen Grundmächten ist ein Gedanke einer Einheit der Wirklichkeit und einer zu erklärenden zusammenhängenden Welt ein Stück weit vorgebildet. In der Philosophie wird dies ausdrücklich. Sie kennt die Möglichkeit von Zweifel und Kritik. Der Logos versucht, eine allgemeine, systematische, mit rational nachvollziehbaren Argumenten begründete Erklärung zu geben, Gesetzmäßigkeiten auf die Spur zu kommen. Philosophen sind bereit, selbständig zu denken, Auffassungen zu entwerfen und sie traditionellen Erklärungen entgegenzusetzen.

  • Empirie und Spekulation

Es hat bei den Griechen einerseits ein Streben gegeben, auf der Grundlage von Erfahrung (empirisch), z. B. von Beobachtung, und mittels Rückschlüssen daraus zu Wissen zu kommen und Dinge zu erkunden, andererseits auch eine Geneigtheit und Bereitschaft zu Spekulation, ein Nachdenken und Aufstellen von Theorien, das sich über ziemlich sicher feststellbare einzelne Gegebenheiten hinauswagt.

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Albrecht  03.10.2013, 10:04

In philosophiegeschichtlichen Darstellungen gibt es Hinweise (allerdings mit großem Anspruch an Vollständigkeit und Genauigkeit Erklärungsversuche, welche Faktoren wirksam waren und ausschlaggebend waren, eher weniger; bei dem Thema ist eher ein Umkreisen festzustellen, das einiges ergibt, wo aber kein abschließendes knapp und genau umrissenes Forschungsergebnis dargelegt wird), z. B.:

Dieter Bremer, Der Ursprung der Philosophie bei den Griechen. In: Frühgriechische Philosophie. Halbband 2. Herausgegeben von Dieter Bremer, Hellmut Flashar und Georg Rechenauer (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 1/2). Basel ; Stuttgart : Schwabe, 2013, S. 61 – 96

Anthony A. Long, Das Anliegen der frühen griechischen Philosophie. In: Handbuch frühe griechische Philosophie : von Thales bis zu den Sophisten. Herausgegeben von Anthony A. Long. Aus dem Englischen von Karlheinz Hülser. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2001, S. 1 - 19

Michaela Masek, Geschichte der antiken Philosophie. 2. Auflage. Wien : Facultas.wuv, 2012 (UTB ; 3426), S. 9 – 21

Wolfgang Röd, Die Philosophie der Antike 1 : von Thales bis Demokrit. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. München : Beck, 2009 (Geschichte der Philosophie. Herausgegeben von Wolfgang Röd ; Band 1), S. 15 - 31

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Hallo Trixie111!

Also an der Macht von Griechenland lag es sicher nicht. Persien, Ägypten waren zumindest zeitweise mächtiger. Es ist auch die Frage, ob die abendländische Philosophie wirklich im antiken Griechenland begann. In der Antike gab es nämlich bedeutende Schriften in Indien, Persien, China. Allerdings ist von der Literatur dieser Völker entweder in Europa nichts angekommen (Indien, China) oder viel verloren gegangen. Die Griechen hatten das Glück, dass ihre Schriften reltiv zahlreich erhalten geblieben sind, so dass die Wissenschaftler und Gelehrten der Renaissance sich darauf beziehen konnten. Und erst in der Renaissance wurde Griechenland zur Wiege der abendländischen Philosohie.

Gruß Friedemann

Suboptimierer  02.10.2013, 10:11

Es ist auch die Frage, ob die abendländische Philosophie wirklich im antiken Griechenland begann. In der Antike gab es nämlich bedeutende Schriften in Indien, Persien, China.

China, Persien und Indien liegen aber nicht im Abendland, also kann dort die abendländische Philosophie auch nicht begonnen haben.

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Die Gründe dafür, warum sich Hochkulturen entwickeln, werden in der Wissenschaft immer noch diskutiert und in verschiedenen Theorien erläutert. Manche sagen, dass erschwerte klimatische Bedingungen die Menschen zwang erfinderisch zu werden, andere vertreten die Meinung, dass sich Hochkulturen in Zeiten des Überflusses entwickelten... Darüber kannst du stundenlang im Internet recherchieren. :)

Fakt ist, in Griechenland entwickelte sich die erste Hochkultur Europas (die Minoer) Seitdem gingen im antiken Griechenland eine Fülle von zivilisatorischen Leistungen hervor, wie zum Beispiel in den Bereichen Philosophie, Mathematik, Naturwissenschaften, Politik, usw.... Ich erinnere mich an eine Doku über die Minoer, in der es hieß, dass sie die Freizeit erfunden hätten. Sie waren also technisch und ökonomisch so weit, dass sie sich leisten konnten die Arbeit auch mal ruhen zu lassen und zum Beispiel auf Sportevents zu gehen (Ringen, Stiersprung, usw.) Ich kann mir sehr gut vorstellen, das dies in Kombination mit dem späteren Sklaventum, es ermöglichte, sich philosophische und naturwissenschaftliche Fragen zu stellen und diesen Fragestellungen nachzugehen.

Wie heute die USA die Weltmacht ist, war es damals halt Griechenland. Griechenland hatte zudem einen sehr guten Ruf bei den anderen Ländern und es hatte gute Mathematiker, Philosophen usw. Daher beginnt halt dort die abendländische Blüte;)

Nur eine Vermutung:

Die Griechen hatten den besten Zugang zum Wissen anderer Kontinente. Sowohl Ägypten als auch die Türkei und Italien und die arabische Halbinsel liegen geographisch direkt daneben.

Das Ganze muss staatlich entsprechend gefördert werden, indem man schlaue Leute ins Land holt, Schlauen Privilegien bietet oder viel in die Bildung investiert. Da waren die Griechen wohl Vorreiter.