Ab welchem Abschluss oder Abiturnote besitzt ein Mensch in euren Augen eine „Studierunfähigkeit“ bzw. ist einem Studium von der Intelligenz her nicht gewachsen?

20 Antworten

Also wenn ich höre, dass jemand ein sehr schlechtes Abitur hatte, halte ich die Person nicht sofort für weniger intelligent. Das erste was ich denke ist, dass die Person möglicherweise faul war, sich ungeschickt angestellt hat oder ihre Prioritäten auf andere Dinge gesetzt hat. Das ist auch vollkommen in Ordnung so, denn man braucht nicht zwingend ein perfektes Abi um es im Leben zu etwas zu bringen. :)

Das Abitur sollte einen generell zum Studium befähigen. Aber woran wird das heutzutage festgemacht, wo faktisch die Mehrheit der Leute im Laufe ihrer Bildungskarriere die Studierfähigkeit formal erlangt? Und was bedeutet es eigentlich zu studieren?

Ich denke, die Crux ist die Definition, bzw. die Motivation des Studiums selbst. In unserer verwirtschaftlichten und verkapitalisierten Welt wird das Studium aus meiner Sicht häufig als "bessere Berufsausbildung" fehlinterpretiert, befeuert wird der ganze Beschiss noch dadurch, dass die Industrie Akademiker mit relativ hohen Gehältern lockt, während die Stellen nicht zwangsläufig mit dem zusammenpassen, was sich die Industrie verspricht und der Akademiker mitbringt. Im Grunde muss das Studium selbst als Beruf angesehen werden. Die drei Jahre, die das Abitur länger dauert als andere Schulen, muss bereits als Ausbildung betrachtet werden, in der ein Handwerk erlernt wird, welches im Studium bereits erforderlich ist: Eine strukturierte Herangehensweise an das Generieren von Wissen, welches vorher noch nicht da war. Analog zum Handwerker, der Fähigkeiten erlernt, um ein Haus zu bauen, das vorher nicht da war. Ein Student, genau wie ein Wissenschaftler, macht sein ganzes Berufsleben (fast) nichts anderes als Lernen und das Gelernte zu kommunizieren. Jemand, den das Lernen quält, wird in der akademischen Welt höchstwahrscheinlich nicht glücklich und sollte sich darauf konzentrieren, den Lernprozess irgendwann abzuschließen und das Gelernte beruflich zu entfalten. Natürlich lernt man auch dort nie aus, aber es handelt sich dabei nicht um diesen formalen Prozess, der in der Wissenschaft Alltag ist. Anders ausgedrückt: Wenn du das gerne machst, was du schon kannst, dann solltest du lieber Fähigkeiten erwerben, die du in wirtschaftliche Produkte einfließen lassen kannst. Wenn du lieber das machst, was du noch nicht kannst, ist die akademische Welt richtig für dich.

Den Abiturschnitt halte ich an dieser Stelle für zweitrangig, aber auch nicht unwichtig. Die Frage ist eher: Wie hast du diesen Schnitt erreicht? Ist er deshalb zustandegekommen, weil dir das Lernen schwer fällt und für dich lästig ist? Oder warst du abgelenkt, weil du Integralrechnung eh schon verstanden hast und dich bspw. die Informatik so sehr in ihren Bann gezogen hat, dass du von Kafka nicht viel wissen wolltest?

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich vom Konservativismus im Bildungssystem distanzieren. Unter Konservativismus verstehe ich das alte System, in dem es (bis heute) im Wesentlichen von der sozialen Herkunft abhängt, ob ein Mensch studieren kann oder nicht. Dieses System ist eine Verschwendung von Ressourcen, da die intellektuellen Fähigkeiten nur ganz bedingt davon abhängen, was die Eltern machen. Nichtsdestotrotz halte ich es für eine ähnlich verwerfliche Ressourcenverschwendung, wenn jeder studiert, der heutzutage eine formale Studienzugangsberechtigung bekommt, da viele sehr wertvolle Berufe dadurch vom Image her vom gesunden Mittelmaß in die Unterschicht verdrängt werden. Im Grunde brauchen wir ein Bildungs- und Berufssystem, welches die Begabungen und Motivationen der Lernenden individuell einschätzt und geeignete Bildungswege aufweist. Frühzeitig und auch im Laufe des gesamten Berufslebens (und vielleicht sogar darüber hinaus).

Leider können Schulnoten ganz schlecht den Studienerfolg vorhersagen. Ein Studium ist doch recht anders als die Schule aufgebaut, hier kommt es viel mehr aufs selbstständige Arbeiten, die Motivation für das Fach etc. an. Wer begabt ist und noch nie für gute Noten arbeiten musste, wird sich umstellen müssen. Wer unbegabt aber fleißig ist, wird vom Niveau eines Studiums umso mehr überfordert. Jeder Mensch ist einzigartig und es spielen sehr viele Faktoren abseits der Noten eine Rolle für den Studienerfolg, durchaus auch welche, die gar nicht von der Person selbst beeinflusst werden können.

Ein Freund von mir musste die 10. Klasse wiederholen und sein Abiturschnitt war eher mau und hat ihm die Zulassung zu seinem Wunschstudiengang nicht möglich gemacht. Er musste einen anderen, inhaltlich ähnlichen Studiengang wählen, hat an der FH einen Bachelor gemacht, dann einen Master an der Uni.

Ein ehemaliger Mitschüler kam von der Realschule aufs Gymnasium, ist einmal durchgefallen (wegen Fremdsprachen, da er Legastheniker ist), beim zweiten Durchfallen gab er auf und ging auf die FOS. Dort das Fachabi gemacht, an der FH angefangen und nach ca. einem Jahr auf die Uni gewechselt. Für den Bachelor hat es dann auf jeden Fall gereicht, wie es im Master weiterging, weiß ich leider nicht.

Zugleich sah ich schon viele Studenten mit durchaus ordentlichen Abi-Schnitten scheitern und das Studium abbrechen.


rebellinaaa95  21.08.2021, 19:18
Wer begabt ist und noch nie für gute Noten arbeiten musste, wird sich umstellen müssen. Wer unbegabt aber fleißig ist, wird vom Niveau eines Studiums umso mehr überfordert. Jeder Mensch ist einzigartig und es spielen sehr viele Faktoren abseits der Noten eine Rolle für den Studienerfolg, durchaus auch welche, die gar nicht von der Person selbst beeinflusst werden können.
Zugleich sah ich schon viele Studenten mit durchaus ordentlichen Abi-Schnitten scheitern und das Studium abbrechen.

Der Meinung bin ich auch.

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Jein.

Fangen wir mal anders an: Meiner Meinung nach gibt es hauptsächlich drei Dinge, die über eine Sudierfähigkeit entscheiden:

  1. Der Mensch muss von der geistigen Leistung (Physis) geeignet sein. Die Menschen sind eben verschieden. Und, ohne irgendjemanden beleidigen zu wollen, es gibt eben auch Menschen, die sich noch so sehr anstrengen können, deren geistige Leistung einfach nicht reicht, um Wissen aufzubauen und gewisse Zusammenhänge im Kopf miteinander verknüpfen zu können.
  2. Die Motivation (Psyche) muss stimmen. Mal ganz platt gesagt: Den Kopf mit Wissen zu füllen, das ist harte Arbeit. Und wenn man nicht gewillt bzw. motiviert ist, diese Arbeit zu investieren - dann bringt es eben auch nichts, wenn man die o.g. geistigen Voraussetzungen besitzt.
  3. Das Umfeld. In gewisser Weise ist auch das Umfeld für ein erfolgreiches Studium verantwortlich (Familie, Finanzen, Studienangebot - all diese Dinge).

Schulnoten sind meiner Meinung nach nur eine Momentaufnahme des Wissens und geben nur bedingt Aufschluss über die geistige Reife.
Es gibt Schüler/innen, die starten auf dem Gymnasium mit einem Zeugnisdurchschnitt von 1 und schaffen am Ende kaum oder auch gar nicht das Abitur. Sind diese nun im Laufe der Zeit "dümmer" geworden? Oder hat ihre geistige Reife nachgelassen? Nein!

Denn die Noten spiegeln nur die schulische Leistung wieder. Und die kann durch ganz verschiedene Faktoren schlechter geworden sein. Psychische Faktoren, gesundheitliche Faktoren. Vielleicht hat der Schüler in dieser Zeit einfach nur seine persönlichen Prioritäten verlagert und das Lernen vernachlässigt. Weil er zu Hause Stress hatte, weil die erste Liebe ins Spiel kam oder eben einfach tausende andere Dinge interessanter waren als die Schule.

Ein Studium setzt eine gewisse Reife voraus - und die erreicht der eine eben schon mit 17 Jahren, der andere erst mit 22 Jahren oder noch später.
Und mit dieser Reife erkennt der Mensch dann ggfs. auch, dass das Leben eben nicht nur aus "Spiel und Spaß" besteht. Oder die gewonnenen Erfahrungen sorgen für eine ganz andere Motivation, ein Studium durchziehen zu können.

Grundsätzlich sagt meiner Meinung nach also z.B. ein Abischnitt von 1,5 oder von 3,5 nichts darüber aus, ob der Absolvent jemals erfolgreich ein Studium abschließen wird.

Wer Noten mit Intelligenz gleichsetzt, ist selbst keine helle Kerze. Ich kann mir schon denken, welcher Nutzer bzw. besser gesagt Nutzerin das geschrieben hat. Da lass dir mal gesagt haben, dieser GF Expertenstatus sagt rein gar nichts aus ;) Es gibt im Bereich Studium hier so eine "Expertin" mit ziemlich fragwürdigen und realitätsfernen Ansichten.