Sex und Schuld: Warum spricht man von "unschuldig", wenn man noch keinen Sex hatte?

31 Antworten

In früheren Zeiten gab es weder zuverlässige Verhütungsmittel, noch hatte man ein soziales Netz. D. h. es war eine wirtschaftliche Katastrophe, wenn eine Frau ohne Ehemann ein oder mehrere Kinder hatte. Es gab auch keine Vaterschaftstest, bei denen man den Vater identifizieren und zur Kasse bitten konnte. Stritt ein Mann die Vaterschaft ab, hatte die Frau schlicht und ergreifend Pech. Das einzige, zuverlässige Verhütungsmittel seiner Zeit war schlicht und ergreifend: KEIN SEX.

Damit sich die Leute dran hielten, setzte man sie einfach moralisch unter Druck und bezeichnete eine Frau, die sich daran hielt als "unschuldig".

Eine verheiratete Frau wurde  ja auch nicht als "schuldig" bezeichnet. Das hätte gar keinen Sinn gemacht, weil man darauf angewiesen war, Kinder zu bekommen. Es gab damals keine Rentenversicherung und kein soziales Netz. Die Kinder kamen für den Lebensunterhalt der Eltern auf, wenn die nicht mehr arbeiten konnten. Allerdings war dies nur möglich, wenn die Frau einen Ehemann (Versorger) hatte.

Ontario  27.08.2016, 10:18

Was sagt die katholische Kirche zum Sex ? Sex nur dann, wenn es um die Zeugung von Nachwuchs geht. Das wird sehr eng gesehen. Im Grunde ist Sex mit Verhütungsmitteln in der Vorstellung der Kirche nicht gewünscht, weil es dabei nicht um die Zeugung von Nachwuchs geht, sondern um die Lust. Das Wort "unschuldig" scheint mir völlig daneben, wenn es um Sex geht. Schuld definiert sich mir anders. Man muss etwas tun, was eine Schuld verursacht,also etwas Verbotenes. Der Mensch hat Triebe, die ihm von natur aus gegeben sind und für die Fortpflanzung notwendig. Da gibt es kein "schuldig" oder "unschuldig".. Ich denke eher, dass diese Wortwahl im Zusammenhang mit Sex ursächlich mit der Einstellung der Kirche zum sexualen Verhalten in Verbindung zu bringen ist.Man will den Menschen vorschreiben, wie sie sich zu verhalten haben. Wer dagegen verstösst, dem wird eben eine Schuldhaftigkeit angelastet. Im Grunde geht es die Kirche überhaupt nichts an, wie die Menschen mit ihrem Sexualleben umgehen. Man lässt daraus sogar eine Sünde werden, so man gegen die Moralvorstellungen verstösst. Das wiederum hat zur Folge, dass man den Menschen Böses unterstellt. Von Sünden konnte man sich freikaufen, wenn man dafür Geld oder anderes an die Kirche spendete. Mehr Doppelzüngigkeit kann man sich kaum vorstellen und die hat bis heute Gültigkeit.

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Unschuld in religiöser Sicht

Im ersten Buch der Bibel, 1. Buch Mose, wird von Adam und Eva erzählt, von zwei ursprünglichen Menschen, die sich ihrer Nacktheit nicht schämen und auch noch keinen Begriff von Moral haben. Mit dem Konsum der Frucht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse verlieren sie theologisch betrachtet ihre Unschuld: ihr Sündenfall begründet die Erbsünde. Diesem Verlust der Unschuld soll mit einer angemessenen religiösen Praxis begegnet werden; dabei wird teilweise die rituelle Reinheit zur Voraussetzung gemacht.

Unschuld als sexuelle Unberührtheit

Umgangssprachlich wird auch als unschuldig bezeichnet, wer in sexueller Hinsicht noch unberührt, „jungfräulich“ ist. Die als Keuschheit bezeichnete Tugend beschreibt hingegen das Ideal einer wiedererlangten Unschuld.

Die Farbe der Unschuld

Der Unschuld entspricht im Abendland die symbolische Farbe Weiß, bezeugt durch die Redewendung „weiß wie die Unschuld“. Bei einer kirchlichen Hochzeit steht dafür das weiße Brautkleid. Die weiße Weste steht als Metapher für Unschuld und ein reines Gewissen; laut Büchmann wurde sie erstmals von Bismarck benutzt, geht aber auf die Tradition der römischen Toga Candida zurück.

Gute Frage. Im tibetischen Buddhismus gibt es den Begriff der Schuld nicht. Könnte man mal darüber nachdenken, was für ein freies innerliches Leben dadurch möglich ist.

Fast die gesamte westliche Psychotherapie beruht auf dem Begriff der Schuld. Wie oft wird einem Schuld eingeredet, wie oft wird damit impliziert, dass man schlecht sei, nicht gut sei, nicht gut genug sei. Diese Glaubensmuster und die Denkmuster, die daraus entstehen, liegen so unendlich vielen Problemen zugrunde.

Gibt doch nichts Schöneres, als wenn Du meinst, nicht schuldig zu sein.

Naja ich kann nicht mehr behaupten ich bin unschuldig. Nicht nur die Dinge die ich gemacht habe und auch gesehen habe. Ne geht nit. Wenn du auch mal so weit bist verstehst du es

Du hast Recht, xray. Es gibt per Gesetz Strafen für Sex. Es gibt aber noch viel häufiger Sanktionen der Gruppennormen, wenn diese durch Sex verletzt wurden.

Die Ge- und Verbote für die praktizierte Sexualität haben nichts mit einer bestimmten Religion zu tun. Es gibt sie ausnahmslos in allen Kulturen, und sie unterscheiden sich nur wenig, obwohl nicht gerade selten das Gegenteil behauptet wird. Einer Überprüfung halten diese Behauptungen nie stand. Es gibt seit einigen Jahrzehnten sogar die These, dass die sexuelle Vereinigung Kern und Ursprung der Religion überhaupt ist.

Unterschiede gibt es allerdings in der Rigidität, mit der Verstöße geahndet werden. Grundsätzlich gilt: Je kleiner ein Sozialverband, desto geringer die Bandbreite der Toleranz bei Verstößen. Nötig sind solche Normen und Gebote, um den Zerfall, bzw. die Selbstzerstörung einer Sozialgemeinschaft zu verhindern.

Der Begriff 'Unschuld' im Zusammenhang mit mit der Befolgung der Sexualmoral ist sicher eine abendländisch-christliche Spezialität. Die Sexualmoral selbst aber nicht.


Wurzelstock  05.08.2016, 20:01

Da die christliche Sexualmoral hier so emsig bewertet wird, möchte ich auf ihren Zusammenhang und ihre Herkunft hinweisen, ob wohl ich nicht vom Fach bin.

Sie dient dem Schutz des Lebens, und kann nur aus dieser Perspektive richtig interpretiert werden. Die sexuelle Aktivität führt zu Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt. Erst seit rund zwei Generationen kann das zuverlässig und für beide Geschlechter zufriedenstellend verhindert werden.

Vor allem die soziale Versorgung für Mutter und Kind, aber auch der natürliche Hedonismus führte mit einer hohen Quote zur Beseitigung von als überflüssig empfundenem neuen Leben. Das geschah und geschieht vor allem nach der Geburt. Der Schwangerschaftsabruch spielte nur eine untergeordnete Rolle, weil er bis vor höchstens 250 Jahren mit einem hohen Risiko für die Schwangere selbst vebunden war.

So wurden unerwünschte Kinder schon immer nach der Geburt in den Lokus geschmissen, oder in einem Opferritual, das sich Maloch nannte, ins Feuer. Das erstere war bei den Griechen und Römern üblich. Das letztere bei den Völkern des vorderen Orients, die es exportierten. Das einzige Volk, welches den Kindermord strikt ablehnte, waren die Juden. Von denen hat es das Christentum übernommen.

Trotz aller Mühe und Rigidität konnte auch das Christentum den Kindsmord genauso wenig ausmerzen, wie seinerzeit das Judentum. Von Kulturen außerhalb des Christentums nicht zu reden. Da ist es oft bis heute nicht einmal einzudämmen. Wer es versucht riskiert sein Leben. Denn wenn erst einmal der Verstand in die Brüste gerutscht oder in den Sack gefallen ist, helfen weder Gesetze noch Moralpredigten. In China ist (oder war) der Kindsmord sogar staatlich vorgeschrieben.

Das Christentum predigte nicht nur Moral, sondern kümmerte sich auch um die Folgen, wenn sie nicht eingehalten wurde. Dieses Kümmern bestand keineswegs in Ächtung und Verdammung der armen Gretchen, das besorgte die weltliche Gesellschaft schon selbst. Wie könnte es denn auch! Der Erfinder des Christentums war selbst unehelich, und seine Mutter schaffte es bekanntlich zu hohen Ehren.

Vielmehr erfand es die Waisenhäuser, die es in dieser Form meines Wissens vorher nicht gab. Säuglinge konnten sogar anonym als Fundsache vor Kirchen und Klöstern abgelegt werden.

Zugleich wandte sich das Christentum rigoros gegen die Sexfeindlichkeit der besonders Frommen - von der Gnosis des Markion bis zu der "Reinheit" der Katharer, denen gerade noch im letzten Moment ihrer Lehren eingefallen ist, dass sie ohne Sex glatt aussterben würden; was den Spartanern trotz großer sexueller Freizügigkeit passiert ist. Außer ein paar Steinen im Gras ist rein garnichts von ihnen übrig geblieben.

Die christliche Sexualmoral war immer eine Gradwanderung, und ist es auch heute noch.

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