Schuldenbremse reformieren

Was eine Totalabschaffung angeht, so bin ich unentschlossen, was hierzu meine "eigentliche" Meinung ist. Ökonomisch sinnvoll wäre eine Totalabschaffung nicht. Für sie werden aber demokratie- und verfassungstheoretische Argumente angeführt, die jedenfalls nicht völlig von der Hand zu weisen sind; ich bin mir nicht sicher, ob sie durchgreifen oder nicht. Die Frage ist aber auch ohne praktische Relevanz, weil eine verfassungsändernde Mehrheit für eine Totalabschaffung im Moment kein realistisches Szenario ist und sich das auf absehbare Zeit nicht ändern wird.

Ich bin aber definitiv für eine Reform. Die gegenwärtige Schuldenbremse berücksichtigt die tatsächliche Verschuldungsfähigkeit des Staates in der jeweiligen Situation ebenso wenig wie die Funktion von Staatsschulden als sichere Geldanlage oder die Sinnhaftigkeit der Schuldenaufnahme für vorübergehende Mehrbedarfe zum Zwecke der Steuerglättung. Sie führt überdies u.U. zu einem Sparen in der Krise a la` Brüning, riskiert durch den Verzicht auf eine Priorisierung bestimmter Ausgaben eine unvernünftige Priorisierung durch Politiker und berücksichtigt auch nicht, dass bestimmte Ziele schlicht wichtiger sind als das Ziel, eine ökonomisch kritische Staatsverschuldung zu vermeiden.

Was dann die konkrete Ausgestaltung einer neuen Regelung angeht (Reformvorschläge oder reale Regelungen, an denen man sich orientieren kann, gibt es ja wie Sand am Meer) würde ich als Minimum fordern, dass 1) Ausgaben für die Verteidigung und für die Klimatransformation bis zu einer gewissen Höhe (definiert als Anteil am BIP) ausgenommen werden und dass 2) eine Notsituation zu einer zeitlich begrenzten und abschmelzenden Erhöhung der Defizitgrenze führt (siehe als Beispiel etwa den Vorschlag der "Wirtschaftsweisen", der dieses Element auch enthält), damit es nicht zu einem Sparen in der Krise kommt.

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Da es so etwas wie Karma nicht gibt, lädt niemand durch irgendetwas schlechtes Karma auf sich.

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Zu hohe Kosten des Sozialstaates

Das ist eigentlich ungenau. Genauer müsste man sagen: Unser Sozialstaat ist leider oft sehr ineffizient. Sprich, diejenigen, die eigentlich wenig bis keine Hilfe brauchen, bekommen zu viel (dadurch zu hohe Kosten), diejenigen, die eigentlich viel Hilfe brauchen, bekommen zu wenig.

Das sieht man musterhaft an der Rente, der wohl größten Baustelle unserer Sozialstaats: In Deutschland ist die Höhe der monatlichen Rente grundsätzlich linear proportional zum Einkommen, ein System, das es außer in Deutschland so in fast keinem Industriestaat gibt. Sprich: Diejenigen, die am besten selbst vorsorgen könnten, also am wenigsten Unterstützung brauchen, bekommen am meisten. Und diejenigen, die praktisch gar nicht selbst vorsorgen können, die also die meisten Unterstützung brauchen, bekommen am wenigsten.

Resultat ist, dass sie wir ziemlich hohe Rentenversicherungsbeiträge und trotzdem viel Altersarmut haben.

Und das ist eben nicht nur bei der Rente so, sondern auch an anderen Stellen, bspw. bei Kindergeld/Kinderfreibetrag.

Von daher wäre es wohl am nötigsten, unseren Sozialstaat effizienter zu machen. Das würde dann auch die Kosten massiv senken (oder bei gleich hohen Kosten deutlich höhere Leistungen für diejenigen, die sie wirklich brauchen, erlauben, oder ein Zwischending zwischen beiden Möglichkeiten).

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Yes, Berlin, München, Hamburg, Köln, Frankfurt - autofrei!

"Autofrei" natürlich nicht im Sinne von "wir verbieten es von heute auf morgen, da mit dem Auto rein zu fahren".

Allerdings: Es wird nicht funktionieren, den gesamten fossilen Individualverkehr, den wir im Moment haben, auf irgendeine emissionsneutrale Technologie (E-Auto, Brennstoffzellenauto, E-Fuels) umzustellen. Denn alle diese Technologien brauchen Strom, und deshalb würde dadurch die Stromnachfrage in Höhen steigen, die wir realistischerweise nicht befriedigen können.

Folglich muss der motorisierte Individualverkehr allgemein abnehmen, und zwar spürbar. Sprich: Es müssen deutlich mehr Menschen auf ÖPNV und Fahrrad (und die eigenen Beine) umsteigen.

Mit Maßnahmen, die allein gegen fossilen Individualverkehr gerichtet sind, wie bspw. CO²-Bepreisung im Verkehr oder Verbrennerverbot, können wir dieses Ziel nicht hinreichend sicher erreichen. Diese Maßnahmen führen ja nur dazu, dass Menschen keine fossilen Autos mehr benutzen; was sie aber stattdessen tun, ist offen.

Deshalb braucht es auch Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass in hinreichend großer Teil des Verkehrs vom fossilen Individualverkehr in den Bereich außerhalb des motorisierten Individualverkehrs gelenkt wird, d.h. in den ÖPNV und zu den Fahrrädern. Und da sind autofreie Innenstädte in Städten, in denen man überall oder zumindest in der Innenstadt auch ohne Auto zurecht kommt (also praktisch alle in Deutschland ab einer gewissen Größe; und in der Innenstadt kommt man sogar in meiner Heimatstadt, die knapp über 50000 Einwohner hat, ohne Auto zurecht), ein sehr effektives Mittel.

Wir sollten dieses Mittel also nutzen.

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Nein, absolut nicht

Gegen sinkendes Lohnniveau bzw. den Missbrauch von Einwanderung zur Lohndrückerei gibt es zielgerichtetere Mittel- bspw. Mindestlöhne, Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung oder ganz einfach Aufklärung.

Dazu kommt noch, dass eine solche Regelung eben auch allgemein negative Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Lage (u.U. kommt es zum Personalmangel, weil nicht genügend Deutsche gefunden werden; oder das Qualifikationsniveau in bestimmten Branchen sinkt, weil eigentlich unqualifizierte Deutsche eingestellt werden) und eine potenziell abschreckende Wirkung gegenüber potenziellen Einwanderern entfalten würde.

Überdies ist es, dass diese Idee nicht unionsrechts- verfassungskonform umsetzbar ist. Was das Unionsrecht angeht, so folgt das aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit; Konsequenz ist dann, dass die Regelung durch jedes beliebige Gericht nicht anzuwenden ist, ohne dass es hierzu zwingend eines EuGH-Urteils bedürfte. Sofern man sie nicht einfach unionsrechtskonform so auslegt, dass EU-Ausländer wie Deutsche behandelt werden; die Rechtsprechung geht in dieser Hinsicht sehr weit. Dementsprechend schnell würde sich dann auch eine Praxis einstellen, in der EU-Ausländer eben nicht anders als Deutsche behandelt werden.

Die Benachteiligung von Ausländern an sich gegenüber Deutschen fällt zwar unter kein besonders Diskriminierungsverbot (v.a. auch nicht das wegen der Herkunft), ist aber trotzdem eine Ungleichbehandlung von sehr hoher Intensität; ich sehe nicht, inwiefern sie gerechtfertigt wäre, v.a. weil ein Regelung, die Pauschal an der Merkmal "Ausländer" anknüpft wenig zielgenau wäre. Und sobald man bspw. zwischen verschiedenen Ausländern differenziert (also etwas US-Amerikaner nicht erfasst) oder auch Deutsche mit Migrationshintergrund einbezieht, sind wir bei besonderen Diskriminierungsverboten des GG angelangt. Hier ist dann natürlich noch weniger möglich.

Und, um dem mal vorzugreifen: Mit der Frauenquote wäre das ganze definitiv nicht vergleichbar; die gilt schließlich nur in der Führungsriege.

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Eure Meinung zur Nachrkriegs-Architektur?

Natürlich gab es in den 50er und 60er Jahren auch viel, was einfach nur reiner Zweckbau war, da man dringend Platz brauchte.

Trotzdem entwickelte sich doch recht schnell eine ganz eigene Design-Sprache, die vorallem durch die USA inspiriert war.

Den Beton-Brutalismus, mit dem sich später einige Großstadt-Architekten verwirklichen wollten, lehne ich persönlich auch ab.

Aber gerade den Stil der späten 50er und frühen 60er nach amerikanischem Vorbild finde ich eigentlich gar nicht schlecht. Wir selbst wohnen auch in einem Viertel, indem viele 60er Jahre Häuser stehen.

Ich höre auch gerne 60er Jahre Musik, z.B. von Sinatra und mag auch Filme aus dieser Zeit. Vielleicht gefällt mir dieser Stil deshalb auch.

Aber ich finde, dass dieser Stil auch etwas modernes und anti-spießiges hat. Die Rechten und Ewig-Gestrigen wollten nach dem Krieg wieder zum "deutschen Stil", bzw. "Landhausstil" zurück. Die moderne Architektur versprach jedoch eine neue Zeit und eine Abkehr von der Deutsch-Tümmelei.

Das ist unsere Kirche aus 1957. Mein Opa hat daran mitgebaut.

Eine andere Kirche bei uns aus den 60er Jahren. Der Platz sowie die Gebäude stehen unter Denkmalschutz.

Noch eine 60er Jahre Kirche in der Nähe.

Es gibt allerdings auch sehr viele Leute, die mit Nachkriegsarchitektur überhaupt nichts anfangen können und am liebsten direkt morgen alles platt machen würden, um es dann in einem historisierenden Stil wieder aufzubauen. Sie empfinden die Nachkriegsarchitektur als unästhetisch und Verschandelung.

Warum? Woran liegt das?

Was ist eure persönliche Meinung dazu?

Also sagt bitte nicht nur "Schön" oder "Hässlich", sondern begründet es, damit ich es nachvollziehen kann.

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Man muss sich erstmal klarmachen, dass in den 50er und 60er-Jahren in Deutschland verschiedene architektonischen Stile koexistierten: Beispielsweise der Brutalismus und der sog. internationale Stil.

Der Brutalismus zeichnet sich aus durch die Verwendung von Beton und Backstein und den Verzicht auf schmückende Elemente; man sieht hier von außen die Bausubstanz. Ob das schön ist oder nicht, hängt meiner Auffassung nach von der Gestaltung, v.a. der Struktur und Form des Gebäudes, ab. Im positiven Fall handelt es sich um interessant anzuschauende Gebäude; im schlechteren Fall sehen brutalistische Gebäude für mich kalt und heruntergekommen aus. Tendenziell würde ich auch sagen, dass Backsteingebäude eher in die erste Kategorie fallen, Betongebäude dagegen eher in die zweite.

Der internationale Stil zeichnet sich ebenfalls durch Einfachheit in der äußeren Gestaltung, namentlich durch den Verzicht auf Ornamente und dergleichen, aus. Allerdings wird hier auch mit verkleideten Fassaden gearbeitet, und es wird allgemein sehr viel Glas und Keramik benutzt. Typisches Gebäude: Ein Hochhaus mit Glasfassade. Außerdem wird die Farbe weiß relativ häufig benutzt. Diese Gebäude gefallen mir sehr; sie wirken auf mich hell und einladend, zugleich aber auch unauffällig.

Um die Gebäude zu kommentieren, die du hier zeigst: Das obere und das untere verwenden schonmal sehr viel Glas; das gefällt mir, es wirkt eben hell und einladend. Mir gefällt außerdem die Verwendung von Backstein, und gerade das untere hat auch eine sehr interessante Form.

Das mittlere Gebäude erkenne ich leider nicht besonders gut. Mir gefällt an ihm aber jedenfalls die unkonventionelle Form.

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Nicht wirklich. Was es gibt, ist, dass ein deutlicher Dialekt- oder u.U. auch Soziolekt-Einschlag schlecht angesehen ist. Wobei auch das teilweise vom konkreten Dialekt bzw. Soziolekt abhängig ist: Sehr schlecht angesehen ist z.B. ein irgendwie süddeutscher (bayerischer, fränkischer, schwäbischer etc.) oder auch ostdeutscher Einschlag, ebenso Ruhrdeutsch (von dem scheinbar umstritten ist, ob es nun ein Dialekt oder ein Soziolekt ist) und Kiezdeutsch (Soziolekt). Ein norddeutscher Einschlag hat dagegen gefühlt einen viel besseren Ruf.

Ansonsten gibt es evtl. noch einige allgemeine Sprachgewohnheiten, die einen guten bzw. schlechten Ruf haben. Bspw. ist es teilweise nicht so gut angesehen, ausgiebig den Dativ zu benutzen, wo auch der Genitiv verwendbar wäre. Interessanterweise ist das dann auch häufige Eigenheit schlecht angesehener Dialekte/Soziolekte.

Aber einen bestimmten Elite-Dialekt/-Soziolekt wie bspw. "Posh" gibt es bei uns nicht wirklich.

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Mise en Scene: Was ist konkret in der Szene zu sehen, wie ist sie aufgebaut? Dazu gehört z.B. welche Figuren zu sehen sind, wie sie zueinander positioniert sind, was wo im Bild platziert ist.

Beispiel: In dem Film Life of Pi von Ang Lee(lief gestern im Fernsehen) verliebt sich der Protagonist, Pi, in einer Szene in ein Mädchen, das er in einer Tanzschule kennen lernt.

Wir sehen dabei das Mädchen zusammen mit den anderen tanzen. Auffällig dabei: Wann immer wir mehrere Mädchen tanzen sehen, ist die, in die Pi sich verliebt, in der Bildmitte platziert. Das gehört zur Mise en Scene und führt dazu, dass wir als Zuschauer sie am stärksten bemerken- wir haben also die selbe Wahrnehmung wie der Protagonist, der sich ja in sie verliebt.

Mise en Cadre: Gibt an, welche Einstellungsgröße(Totale, Halbtotale, Nahaufnahme etc.) gewählt wurde, welche Einstellungsweite welche Kameraposition und wie sich all das verändert.

Beispiel: Im Finale des Westerns Spiel mir das Lied vom Tod von Sergio Leone wird der Held primär in nahen Einstellungen- Halbnahe, Nahaufnahme, Großaufnahme etc.-, der Bösewicht dagegen primär in distanzierten Einstellungen- Totale, Halbtotale- gezeigt. Dies gehört zur Mise en Cadre und führt dazu, dass wir uns eher mit dem Helden identifizieren, da er uns durch die Einstellungsgröße "näher" ist.

Hoffe, ich konnte dir helfen. Kann auf Nachfrage auch gerne weitere Beispiele liefern. 

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Erstmal ist Szientismus keine Religion, sondern eine philosophische Theorie. Allerdings treten ihre Anhänger häufig auf wie religiöse Fundamentalisten.

Die Grundannahme des Szientismus ist, dass sich alle (sinnvollen) Probleme mit wissenschaftlichen Theorien und Methoden(bzw. mit dem, was der Szientist dafür hält) lösen lassen.

Wohlgemerkt: Was der Szientist für Wissenschaft hält. Wenn sie nämlich "Wissenschaft" sagen, meinen die meisten heutigen Szientisten bloß die Naturwissenschaften. Sozial- und Geisteswissenschaften wird dann die Existenzberechtigung abgesprochen.

Das ist aber aus mehreren Gründen problematisch. Sogar dann, wenn man die dafür nötigen Grundannahmen- v.a. Identität von Geist und Gehirn- übernimmt, dann bleibt ein Verständnisproblem.

Nämlich: Selbst, wenn man z.b. eine soziologische Theorie auch in Aussagen über z.B. Gehirnaktivitäten oder Ereignisse auf der quantenphysikalischen Ebene formulieren könnte: Wenn man es tun würde, dann würde es keiner verstehen.

Und gerade deshalb haben Geistes- und Sozialwissenschaften mit ihren Erklärungsansätzen eben auch eine Existenzberechtigung: Weil ihre Sprache am besten dazu geeignet ist, bestimmte Dinge zu beschreiben.

Und in ihrer Weigerung, das einzusehen, haben viele Szientisten durchaus eine gewisse Ähnlichkeit zu religiösen Fundamentalisten. 

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Das liegt daran, dass Großstädte vielfältiger sind. Wer in der Großstadt wohnt, wird früher oder später mit anderen Lebensentwürfen, anderen Kulturen konfrontiert. Dabei entwickelt sich in der Regel mehr Toleranz, als wenn jemand nie damit konfrontiert wird, dass es nicht nur das eigene gibt.

Entsprechend kommen Menschen in der Großstadt dann auch besser damit klar, wenn sie jemand nicht erwartungsgemäß verhält, als Menschen auf dem Land.

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Dafür gibt es keinen eigenen Ausdruck. "Lesbophobie" meint nämlich auch tatsächlich nicht einfach die Abneigung gegen Lesben aufgrund von deren Sexualität, sondern die doppelte Diskriminierung von Lesben(einerseits wegen ihrer sexuellen Orientierung, andererseits wegen ihres Geschlechts).

Da es das Phänomen der doppelten Diskriminierung von Schwulen eher nicht gibt, braucht man hierfür auch keinen eigenen Begriff.

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