Zum Abgewöhnen - Hans Magnus Enzensberger BITTE ANTWORTEN

3 Antworten

Vordergründig - Hintergründig:


Sie ist ja so sensibel, die Ärmste.

Ein scheeler Blick, eine Absage,

ein bißchen Ärger, mir

macht das nichts aus, aber sie

ist weich im Nehmen.


Schon ist sie gekränkt,

beklagt sich, droht mit Migräne.

Dann wieder bockt sie, -stellt sich taub, will nicht,

spielt die Unergründliche.


Ja, diese ewige Nörglerin

geht mir oft auf die Nerven.

Aber was soll ich machen?

Unzertrennlich sind wir,

bis daß der Tod uns scheide,


meine Psyche und mich.



Zunächst sieht alles nach der Beschreibung einer Zweierbeziehung Mann / Frau in Form einer Klage aus. Es beschwert sich. Ein wenig von oben herab: 'Die Ärmste'. Er ist der Coole 'macht mir nichts aus'. Die zweite Strophe beschreibt das 'Sensibelchen' in den unterschiedlichsten Facetten. Und dann, oh Wunder, die Passive wird aktiv: 'ewige Nörglerin' und mit dem coolsein ists vorbei 'geht mir oft auf die Nerven'. Offensichtlich sind so gar beide durch Heirat miteinander verbunden 'Bis dass der Tod uns scheide' = ist Heiratsformel. Soweit eine in fließende - stockende Sprache gebrachte Klage eines ringgebundenen Ehemanns. Doch dann, die letzte Zeile: 'Meine Psyche und ich.' Der Dichter selbst reicht einen anderen Schlüssel. Die beiden aneinander geketteten Personen sind dies nicht per eingesegneter Erklärung, nein, es handelt sich um eine Person, die sich als 'zwei mal verschieden und doch verbunden' sieht. Die Ehefrau, zu der man sich hingezogen fühlt, die sich fremd und bockig zeigt, die an einem nörgelt, ist keine Weiblichkeit, es soll die eigene Psyche sein. Wer ist dann der davon abgespaltene Sprecher 'ich'? Viel später als das Gedicht ist nun ein philosophischer Bestseller erschienen: Wer bin ich - und wenn ja wie viele? von Richard David Precht. Enzensberger ist die Situation von mindestens zwei in einem bekannt, er reflektiert sich als 'Eheklage ins sich selbst'. Damit hinterfragt er jedoch das gängige Bild einer willensstarken, geschlossenen Persönlichkeit. Wie, wenn das gar nicht krankhaft sondern normal wäre. Wie, wenn die so sicher und immer eins erscheinenden nur ihren inneren Ehepartner unterdrücken, nicht zu Wort kommen lassen.

soust  03.05.2010, 10:30

Sehr gute Antwort! DH!

Wer übrigens heutzutage, auch vor dem Gedicht Enzensbergers, von einer monolithischen Persönlichkeit des Menschen ausging, hat nicht nur psachologische Erkenntnisse der letzten hundert Jahre, sondern auch ein gut Teil hervorragender Literatur versäumt:))!

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soust  03.05.2010, 10:31
@soust

"psychologisch" wollte ich schreiben:(.

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eine fertige INterpretation habe ich nicht, aber einen kleinen Hinweis: Das ganze Gedicht spielt damit, den Leser auf eine falsche Fährte zu locken: Man meint die ganze Zeit, es spricht ein Mann über seine Frau, die das Zusammenleben schwierig gestaltet und allerhand Ausreden gegen Sex hat. Am Ebde dann die Auflösung: er spricht von sich selbst, von seiner Seele - oder ist seine bessere Hälfte im Grund mit seiner Seele identlisch? Das bleibt, glaube ich, offen. Kein Mensch kann sich selbst richtig verstehen.

non scholae, sed vitae discimus.

LeonHoh93 
Fragesteller
 02.05.2010, 15:01

lol aber nicht sehr hilfreich xD

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verreisterNutzer  02.05.2010, 15:42
@LeonHoh93

nun ja, du fragst noch nichtmal, ob dir jemand behilflich sein kann, sondern forderst direkt ne komplette interpretation. was soll dich das weiterbringen?

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