Zitat von Goethe?


27.06.2020, 12:04

Und ist es schlimm, wenn man so etwas nicht versteht?

4 Antworten

"Schlimm" ist es nicht, weil dieser Text aus Goethes "Faust" keine heutige Alltagssprache ist, sondern eine in Reimen und Versen verfasste "literarische" Kunstsprache aus der Zeit der Klassik (ca.1790-1830). Die ist für uns heutige Menschen naturgemäß etwas "künstlich" ! Aber dennoch: Bei einigem Nachdenken müsstest Du eigentlich verstehen was gemeint ist: Da steht ein älter gewordener Gelehrter (Professor) und blickt auf sein bisheriges Leben zurück. Er meint, dass er "ein armer Tor" ( = ein hoffnungsvoll in seine Aufgaben gestarteter, aber davon letztlich enttäuschter Mensch) sei, der trotz aller Bemühungen um unsere Welt und ihre Geheimnisse keinen Schritt voran gekommen, also nicht klüger geworden sei, als er davor schon war. Er ist zwar Doktor (das wird man nach beendetem Studium an einer Universität und dem Verfassen einer wissenschaftlichen "Doktorarbeit") und sogar Professor (das ist ein wissenschaftlicher Lehrer und Forscher an einer Universität) geworden. Aber in dieser Funktion, so meint er weiter, habe er doch letzten Endes seinen Studenten nur dummes Zeug und Dinge beibringen können, die diese in die Irre geführt hätten ("an der Nas´herum führen" bedeutet, das was man heute als "Fake news", also als falsche Informationen bezeichnen würde), Und das habe er schon zehn Jahre lang gemacht. Die einzige Erkenntnis nach dieser Zeit sei: Es ist unmöglich, die Geheimnisse unserer Welt und unseres Lebens erkennen und lösen zu können. Er kommt zu der Erkenntnis: (Ich sehe) "dass wir nichts wissen können". Die Welt und die Natur lässt sich nicht enträtseln (Da wir heute im 21.Jahrhundert darüber ganz anders denken können, nachdem wir inzwischen viele der zur Zeit Goethes noch unbekannten Erkenntnisse gewonnen und einen unheimlichen Fortschritt in allen Wissenschafts- und Technik-Bereichen erzielt haben. ist diese Aussage Fausts heute natürlich nicht mehr so gültig wie damals). Aufgrund seiner darüber verzweifelten Situation will Faust es daher versuchen, mit Hilfe der "Magie", das ist eigentlich die Zauberei, zu besserer Erkenntnis zu kommen. Aber bekanntlich scheitert er auch damit (s. die von dir nicht mehr zitierte Fortsetzung des Textes) und "verbündet" sich später mit dem Teufel Mephisto, der Faust durch alle Welt und alle Zeiten hindurch führt in der Hoffnung, am Ende Fausts "Seele" zu ergattern. Faust wird aber am Ende von "Gott" gerettet, wie auch immer.

Wenn Dir konkrete Fragen dazu noch offen bleiben, melde dich bitte. Ich versuche dann weitere Antworten zu geben.

Mein Vorgänger hat es eigentlich schon ganz gut auf den Punkt gebracht.

Ob es schlimm ist es nicht zu verstehen?

Schlimm vielleicht nicht, nur in meinen Augen fragwürdig

Ich seh in diesem Gedicht keinen Vers, den man nicht mit unserer heutigen deutschen Sprache erschließen könnte. Vielleicht ist es auch die Erfahrung und erst das Alter, welche das Gedicht zugänglich und verständlich machen, allerdings kann man das hier durchaus als Muttersprachler verstehen und dahintersteigen, was hiermit gemeint ist. Schlimm ist es nicht, nur bizarr

All das Studieren hat nichts genützt, ich weiß nicht mehr als vorher und lehre nun meine Schüler seit zehn Jahren unnützes Zeug. Ich bemerke, dass die Menschen nichts wissen können.

Ich versuch's mal:

"Da steh' ich nun, ich dummer Hund,

Weiß nicht mehr weiter und

Hab' doch 'nen Doktor und M.A.

Trotzdem seit nun zehn Jahren, ey,

Da quäl' ich meine Schüler nur.

Doch von Erkenntnis keine Spur!

Sie wissen nichts. Auch ich weiß nichts."

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Hilft das? War das denn so schwer?

Gruß, earnest


sergius  27.06.2020, 13:58

Gratulation zu deiner goetheanischen Dichtkunst: "Faustens Monolog heute" ist fast preiswürdig, zumindest aber anerkennungswürdig !

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