Wieso wählen die Türken vom freiheitlichen toleranten Deutschland aus mit 67% den totalitären Herrscher Erdogan?

11 Antworten

Dazu sollte man lieber mal mit den Türken sprechen, die ihn gut finden. Und da kommen einige interessante Dinge zu Tage.

Zuerst wäre da erst mal Erdogans harter Kurs gegen die Gülen-Bewegung. Diese ist relativ vergleichbar mit Scientology, mit einem Hauch Hells Angels, in unserer westlichen Welt. Ein Bekannter von mir hat damals seine Erfahrungen mit denen gemacht, man warb ihn über eine Organisation, die anfangs nicht als Ableger der Gülen-Bewegung erkennbar war, ein Stipendium an. Er erkannte sie und lehnte ab. Freunde von ihm, die annahmen, steckten später - und nicht in der Türkei wegen plötzlicher Festnahme wegen Zugehörigkeit, sondern in Deutschland - in massiven Schwierigkeiten. Alleine das kann schon ein Grund sein, gerade wenn die anderen Parteien dieser Organisation offener gegenüber stehen (und sei es nur, um anders, als Erdogan zu sein).

Das Andere ist, nur weil jemand schlecht ist, muss es nicht noch schlechter gehen. Hat man ja in Deutschland gesehen. Klar, Deutschland hat unter Merkel klar abgebaut, kann ich keinem verübeln, sie und ihren Kurs, den sie ja auch stark in ihrer linksreformierten CDU verankert hat, loswerden zu wollen, aber dass es mit den Grünen, die maßgeblich den Kurs der Ampel bestimmen (können sich alles erlauben, da auch die anderen Parteien an ihren Posten kleben, die sie bei Koalitionsbruch los wären) noch schlimmer wird, war für Menschen mit klarem Verstand absehbar, aber die werden in einer akuten Notlage halt auch weniger - von außen betrachtet ist es vielleicht einfacher, als von innerhalb der Türkei, wo man das Schlechte einfach nur loswerden will und dabei nicht betrachtet, dass es noch schlimmer werden könnte.

Neben dem wirtschaftlichen Kurs (wieder im Vergleich Deutschland - Erdogan lenkt wie Merkel das Land auf einen Eisberg zu - und die Nachfolger geben evtl. auch noch Vollgas statt zu wenden, wie es hierzulande die Grünen tun) kann in der Türkei auch noch das Problem des Mehrvölkerstaates dazu kommen, wo Minderheiten massiv unterdrückt werden. Klar zu verurteilen, nur sowas muss man ausschleichen (was Erdogan leider nicht macht), aber nicht von jetzt auf gleich beenden (was die Nachfolgerpartei wohl gemacht hätte). Ansonsten drohen in der Post-Erdogan-Türkei gleiche Verhältnisse wie im Post-Tito-Jugoslawien - ein Bürgerkrieg und Zerfall des Landes. Also geht man auf "weiter unterdrücken", was zu verurteilen, aber im Zweifel das geringere Übel als ein Bürgerkrieg ist.

Erdogan verkörpert den matchohaften, übergrossen und weltpolitisch erfolgreichen Osmanen. Das finden 67% eben toll.
Verblendung.

In den Nachrichten wurden Menschen interviewt, die mit Begeisterung auf den Straßen gefeiert haben. Das ist sicher nicht repräsentativ, aber es waren durchweg junge Menschen, hier geboren und aufgewachsen. Und nach den Interviewbeiträgen haben sie keine Ahnung, was in der Türkei passiert. Das ist das besonders Erschreckende.

Dumm und begeistert, eine entsetzliche Mischung. Schaut alle hin, so ist das auch hier mit den "Protestwählern" oder vermeintlich Landestreuen. Keine Ahnung, aber Hauptsache laut und auffallen.


Ponykotze 
Fragesteller
 31.05.2023, 07:03

Als ob die alten Türken hier nicht erdogan gewählt hätten. Nur weil sie nicht auf der Straße rumgehüpft sind.

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Es sind die eher ungebildeten und konservativen Türken, die ihn wählen:

Wie in der Türkei konnte Erdogan hierzulande vor allem bei den Konservativen mit geringem Bildungsgrad punkten. In der Türkei sind es vor allem die Menschen aus Zentralanatolien, bei denen der Präsident großes Vertrauen genießt. Aus dieser Regionen stammten auch viele der Türken in Deutschland, sagt der Sozialforscher Ruud Koopmans vom Wissenschaftszentrum Berlin. In die Vereinigten Staaten seien hingegen viele aus der türkischen, kemalistisch geprägten Elite ausgewandert. Dort lag die Zustimmung zu Erdogan bei gerade einmal 16 Prozent. „Die türkischen Zuwanderer in den USA sind im Schnitt höher gebildet als der Durchschnittsamerikaner“, sagt Koopmans. „Dagegen stammen die Türken in Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern überwiegend aus Gegenden im ländlichen Anatolien, wo Erdogan auch in der Türkei 60 Prozent oder noch deutlich mehr der Stimmen geholt hat.“

Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/warum-turken-in-deutschland-fur-erdogan-stimmen-3964873.html

Ein weiteres Anzeichen von Parallelgesellschaften und einer gescheiterten Integration?

Also... ich weiß nicht.

Es kommt mir ohne Spaß etwas herablassend vor von gescheiterter Integration zu reden.

Also ich habe diese Intuition durchaus in mir, obwohl ich es völlig illegitim finde Erdogan zu wählen.

Nur... also hätten wir dafür Sorge tragen müssen "die Türken" so zu "formen" dass sie nicht Erdogan mögen? Ginge das überhaupt? Wer ist dafür verantwortlich? Der deutsche Staat und die Fremdenfeindlichkeit des deutschen Bürgers? Ist das nicht irgendwie albern?

Meine Idee wäre halt eher... lass uns die willkürliche geographisch-politisch bedingte Einwanderung hier jetzt erst mal bitte relativ hart stoppen. Es ist viel einfacher, sich nicht immer weiter wie besessen extrem viele Ausländer ins Land zu holen als später verwundert darüber zu meckern, dass diese eine andere Mentalität haben als die Biodeutschen.


FelixSH  31.05.2023, 07:02

Dein "Vorschlag" hat nichts mit der Frage zu tun. Dass aber so jemand, der auch noch bescheuerte Begriffe wie "Biodeutsche" verwendet und was gegen Immigranten hat, ist absolut nicht überraschend.

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Ponykotze 
Fragesteller
 31.05.2023, 07:04
@FelixSH

Nein finde ich auch nicht überraschend. Und nicht schlimm.

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Singvogelnest  10.06.2023, 09:34
Nur... also hätten wir dafür Sorge tragen müssen "die Türken" so zu "formen" dass sie nicht Erdogan mögen? Ginge das überhaupt? Wer ist dafür verantwortlich? Der deutsche Staat und die Fremdenfeindlichkeit des deutschen Bürgers? Ist das nicht irgendwie albern?

Das ist mehr als albern, denn wenn jemand in den letzten Jahren fremdenfeindlich waren, dann die Migranten ggü. den Deutschen (zumindest in meiner Stadt), dadrunter auch türkischstämmige. Viele davon haben für ihren Hass selber gesorgt, ohne dass jemand sonst darauf gekommen wäre sie anders zu bewerten. Somit kann man annehmen, dass sie etwas gegen Deutsche haben, das würde auch so eine Wahl erklären.

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tanztrainer1  19.08.2023, 19:15
@Singvogelnest

Das ist jetzt doch eher nur wieder eine Behauptung, um Hetze gegen Migranten allgemein zu rechtfertigen.

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