Wie interpretiert man Texte (Deutsch, Schule)?

2 Antworten

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Schritt 1 - stellen Sie fest, um was für einen Text es sich handelt. Je nach Textart drückt der Autor, das was er sagen will, anders aus. Handelt es sich um einen Witz ist der Inhalt anders ausgedrückt als in einer Fabel, einem Bericht oder Protokoll oder in einem Roman oder einer Kurzgeschichte.

Beispiel: 'Einem Mann in der DDR ist der Papagei entflohen. Der Besitzer läuft sofort zur Stasi und versichert: "Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass ich die politischen Ansichten meines Papageis nicht teile."'

Schritt 2 - stellen Sie genau fest, was der Autor sagt. Dazu müssen Sie sich über die Bedeutung der verwendeten Wörter genau klar sein. In vielen Fällen hilft ein Lexikon oder wenigstens der Duden. Entschlüsseln Sie Anspielungen und Verkürzungen.

Beispiel: "Solarpolitik ist - in Zeiten von Kriegen um Öl - Sicherheitspolitik und Außenpolitik, Umweltpolitik und Finanzpolitik, Landwirtschafts- und Verkehrspolitik, Baupolitik und Wirtschaftspolitik, Entwicklungspolitik und Friedenspolitik."

Schritt 3 - Ermitteln Sie die Kernaussage. Diese wird meist wiederholt oder durch sprachliche Mittel unterstrichen. Je nach Textart kann der Autor auch das genaue Gegenteil der Hauptaussage meinen, finden Sie heraus, ob die Aussage Ironisch gemeint ist.

Schritt 4 - Suchen Sie nach weiten Belegen für die von Ihnen ermittelte Kernaussage. Wo finden sich im Text weitere Aussagen, werden sprachliche Mittel eingesetzt ("... wer das nicht erkennt, sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht ...", "darauf muß immer wieder hingewiesen werden ...",)

Anonymaus69 
Fragesteller
 05.11.2021, 13:45

Danke für die Tipps, aber in einem Drama geht das nicht so leicht, wie z.B. beim Drama Faust von Goethe. Da ist es etwas komplexer. Hast du Tipps, wie man da rangeht?

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ogdan  05.11.2021, 16:06
@Anonymaus69

Das funktioniert im Prinzip genauso.

Je umfangreicher das Werk, desto eher müssen Sie das "zerlegen".

In einem Drama würde man grundsätzlich davon ausgehen, daß die Aussage, die der Autor befürwortet, durch den Helden, bzw. die positive Gestalt im Drama, formuliert wird, bzw. in dessen Taten zum Ausdruck kommt.

In einem Drama ist zudem der Vergleichspunkt, bzw. der Transfer in die Zeit des Autors (und darüber hinaus) zu leisten.

Spielt ein Drama z. B. in der Ritterzeit dann wäre zu prüfen, ob der Autor nicht in der Tat Aussagen über seine eigene Zeit treffen wollte und die relevanten Verhaltensweisen in eine Vergangenheit verlegt hat.

Ich würde Ihnen also raten, so zu starten:

  • welche Personen des Dramas sind die Helden / positiven Gestalten, welche sind die negativen bzw. Schurken.
  • was äußern die Helden konkret, welche ihrer Handlungen sind heldenhaft bzw. beispielhaft
  • wodurch zeichnen sich die Schurken aus.

Danach würde ich die Hauptpersonen charakterisieren. Sind sie positiv (beherrscht, bescheiden, uneigennützig, gebildet, christlich, gewalt um andere zu verteidigen, nächstenliebend) oder negativ (eigensüchtig, heimtückisch, gewalttätig um eigene Ziele zu erreichen, werten andere Menschen ab, selbstverliebt, drogen- oder alkoholsüchtig, unbeherrscht, skrupellos).

Dann würde ich die Schlüsselszene des Dramas ermitteln. Wodurch zeigt sich, daß der Held am Ende triumphiert? In welche Szene wendet sich das Schicksal? Welche Handlung des / der Helden führt zu Wendung des Schicksals?

In einem letzten Schritt würde ich schauen, was sich daraus für alle Menschen in allen Zeiten ergibt. Das wäre dann die Hauptaussage des Autoren für das Drama.

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Ich stelle mir nie die Frage, was mir der Autor sagen will, sondern:

  • Was verstehe ich? Wie verstehe ich den Text?
  • Warum verstehe ich den Text so, wie ich ihn verstehe?

Das sind (vereinfacht) die Fragen, die die Rezeptionsästhetik stellt und die in der Schule viel klarer werden sollten.

Wenn ich bei gf Interpretationen lese, dann bestehen die meist nur aus der Wiedergabe des Inhalts, ein paar Analyseergebnissen und Meinung.

Es geht aber bei der Interpretation darum, diese "Meinung" bzw. vielmehr das persönliche Verständnis zu ergründen und am Text zu begründen. Die Begründung liefert dabei nicht nur der Inhalt, sondern auch die Sprache. Die sprachlichen Mittel sind tatsächlich Mittel, um etwas zu bewirken/verdeutlichen. Bezieh also die Ergebnisse der Analyse auf den Inhalt bzw. auf dein Verständnis.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Es gibt keinen Anspruch auf Dank. Ich freu mich nur darüber.
Anonymaus69 
Fragesteller
 05.11.2021, 14:55

Ja gut... Das Problem ist, dass ich den Text als Text sehen und ihn nicht anders verstehe...

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LottaKirsch  05.11.2021, 15:51
@Anonymaus69

Ich seh dein Problem nicht. Der Text IST doch die Grundlage. Und irgendwie WIRST du ihn ja verstehen (es sei denn, du bist ein Ich-versteh-gar-nichts-Sager, aber dann ist dir nicht zu helfen). Und nun ist es an dir, dein Verständnis des Textes am Text zu belegen.

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LottaKirsch  06.11.2021, 19:37
@Anonymaus69

Dann ist dir leider nicht zu helfen. Die Bereitschaft, sich mit einem Text auseinanderzusetzen, ist Grundvoraussetzung.

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Anonymaus69 
Fragesteller
 06.11.2021, 20:16
@LottaKirsch

ic habe die bereitschaft aber für mich istein text ein text... Ich sehe keine zweideutigkeit...

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LottaKirsch  06.11.2021, 20:45
@Anonymaus69

Welche Zweideutigkeit?

Wenn du einen Text liest, hast du eine Idee von dem Text, du verstehst ihn irgendwie. Wie du den Text verstehst, musst du nun am Text nachvollziehbar machen. Wenn du das Gefühl hast, dass die Zeit gar nicht vergeht oder nur so rast, schaust du, wie der Text diese Wirkung hervorruft. Oder dir fällt auf, dass ein Text "schwingt", dann schau, was ihn schwingen lässt. Oder dir fällt auf, dass in einem Text besonders viele Substantive sind. Dann schau, wie das auf dich wirkt.

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ogdan  05.11.2021, 16:08

Das ist ein Rezept für schlechte Noten. Die Aufgabe bei der Erschließung des Textes ist es immer, zunächst neutral zu ermitteln, was der Autor aussagen möchte. In einem letzten Schritt kann man selbst dann dazu Stellung nehmen.

Missverständnisse über das, was andere Menschen sagen möchten, haben schon zu Kriegen geführt.

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earnest  05.11.2021, 16:12
@ogdan

WAS ist ein Rezept für schlechte Noten?

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LottaKirsch  05.11.2021, 16:13
@ogdan

Es geht hier a) nicht um die Erschließung, sondern b) um die Interpretation von c) Literatur im engeren Sinne: Drama, Epik, Lyrik.

Beschäftige dich mit der Rezeptionsästhetik. Dann verstehst du den Unterschied zwischen Interpretation und "Stellung nehmen".

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