Wie fühle ich mich nicht mehr Fehl am Platz?
Hallo:) Im Gegensatz zu meinen 3 Geschwistern und meinen Eltern bin ich ein stiller und ruhiger Mensch. Ich lese lieber als mit meiner Familie am Abend Fern zu schauen. Das ist ja weiterhin nicht tragisch, aber ich glaube ich bin so introvertiert eben wegen meiner Familie. Alle wollen immer bessere Geschichten erzählen und lustiger sein und sie leisten sich regelrecht einen Wettkampf. Ich finde das ziemlich lächerlich und halte mich meistens raus oder verzieh mich in mein Zimmer. Das geht schon jahrelang so. Doch dadurch, dass ich nie bei meiner Familie bin, werde ich ausgeschlossen. Ich würde mich gerne mit ihnen über Bildung, Politik oder Literatur reden, aber das ist nicht deren interessengebiet. Der einzige der auch in sowas interessiert ist ist mein Bruder, aber er muss grundsätzlich immer Recht haben, deshalb ist es unmöglich mit ihm zu diskutieren. Meine Mutter lacht sogar über meine Bücher und Interessen oder ist genervt. Ich habe quasi schon immer eigeredet bekommen, dass ich anders und irgendwie falsch bin. Manchmal habe ich das Gefühl in der falschen Familie zu sein, da alle von Grund auf anders sind (als ich noch jünger war hatte ich sogar den Mut meine Mutter zu fragen ob ich adoptiert bin, aber dem war leider nicht so.) Ich hätte gerne eine Familie in der ich nicht aufgrund meiner Interessen oder meines Verhaltens ausgeschlossen werde. Die Familie ist ja auch relativ groß, da geht man als ruhiger Mensch irgendwie unter, aber das merkt keiner ich werde einfach ignoriert.
Bsp.: Ich bin seit 1 Jahr und 10 Monaten Vegetarier und anfangs wurde sich noch darüber lustig gemacht. Mittlerweile wundert sich keiner mehr warum ich nicht zum Mittagessen komme, wenn es mal wieder Steak gibt.Auf die Idee meine Einstellung für gut zu befinden oder sich mit mir darüber auszutauschen ist keiner gekommen und mache ich den ersten Schritt bekomme ich Gelächter oder Ignoranz.
Was kann ich machen, damit ich nicht immer ausgeschlossen werde, ich will ja nicht meine Interessen ändern!? Ich gedenke im Moment sogar mein Traumstudium aufzugeben, damit ich Geld verdienen und ausziehen kann, aber das kann es doch nicht sein, oder?
1 Antwort
So etwas kommt durchaus in einigen Familien vor!
Mir ging es auch so, und erst kürzlich fand ich heraus, dass mein Bruder, der immer sehr gut mit meinem Vater über gemeinsame Interessen diskutieren konnte, extra Politik gelernt hat, um mit meinem Vater zu diskutieren!
Es ist natürlich schade, dass Du Deine Interessen in der Familie nicht teilen kannst, aber immerhin kannst Du sie ja in entsprechenden Foren etc. teilen! Sei darüber erst mal froh.
Versuche doch mal, Gesprächsthemen zu finden, die Du mit Deiner Familie teilst. Irgendetwas wird es doch geben. Vielleicht ist es gar kein bestimmtes Gebiet, sondern Austausch über die Verwandten, über Familienfeste, Familiengeschichte etc.
Es ist für Eltern schwierig, wenn das Kind ganz andere Interessen hat als sie; manche Eltern fühlen sich sogar unterlegen und vermeiden deshalb Gespräche darüber. Andere denken, ihr Kind wolle nur "angeben", weil sie sich nicht vorstellen können, dass man freiwillig etwas liest, das sie selbst langweilig finden.
Vielleicht gibt es auch kein Gesprächsthema sondern nur eine bestimme Art zu reden. Small Talk eben.
Rede doch mal mit Deinem Bruder bewusst über seine und Deine Art zu reden. Frage ihn, ob er manchmal angestrengt ist, wenn er immer gewinnen muss, warum er das Gefühl hat, eine andere Meinung zuzulassen wären "verlieren" (vielleicht hat das auch mit seiner früheren Rolle in der Familie zu tun), ob er sich eine offene Diskussion über ein Thema, das keinem besonders am Herzen liegt, vorstellen kann. Also wenn Ihr beide bspw. über Tiere und Steaks diskutiert, MUSS einer gewinnen oder zugeben, dass er mit seinen Vorlieben eine "falsche" Haltung lebt. Wenn Ihr aber über ganz neutrale Themen diskutiert, z.B. aktuelle Kinofilme oder Serien, könnt Ihr geteilter Meinung sein, davon noch profitieren, weil der andere Aspekte sieht, die einem selbst nicht aufgefallen sind und trotzdem weiter über das Thema reden.
Denke doch mal an andere Themen, die nicht Lieblingsthema von jemandem sind:
Politik,
Musik,
nervende Menschen im Straßenverkehr etc. ;-),
Filme und Serien,
Mode,
Einrichtung,
Hobbys,
frühere Urlaube/ Urlaubsziele,
Erinnerungen Deiner Eltern.
Gerade das letzte Thema eignet sich sehr gut: Man erfährt Neues, die Eltern können ohne Druck frei reden, man findet vielleicht sogar ungeahnte Gemeinsamkeiten.
Vielleicht gibt es auch ein gemeinsames Hobby, einen Familiensport, eine Begabung, die jeder in der Familie hat und der man gemeinsam nachgehen kann etc.
Meine Mutter hat mir mit über 20 Jahren gesagt, dass sie überrascht ist, dass ich mich WIRKLICH für Literatur interessiere. Da hatte ich über ein Uniseminar mit ihr geredet. Sie dachte die Jahre vorher wohl, das wäre eine Art Arroganz, eine Täuschung, damit andere besser von mir denken. Ich war über ihre Reaktion sehr irritiert, aber in unserem Haushalt waren es auch die Kinder, die in der Pubertät den Eltern sagten, sie könnten doch mal ein Buch lesen. ;-)
Nach ihrer Aussage verstand ich aber, warum es immer so einen K(r)ampf gegeben hatte, wenn ich mir Bücher zu Weihnachten wünschte...