Wie fasst Jean Paul Sartre Freiheit auf?

4 Antworten

Man soll unterscheiden können zwischen dem, was Sartre dazu sagt, und dem, was bei ihm tatsächlich passiert. Sein Freiheitsdiskurs ist durchaus doppelbödig.

Sartres ganzes Denken ist gegen die bürgerliche Ideologie gerichtet, in der er aufgewachsen ist (s. seine politischen Stellungnahmen, zB für die RAF).

Nun ist die Freiheit eine unverzichtbare Wertvorstellung dieser Ideologie. Konsequenterweise müsste Sartre also gegen die Freiheit als humanistische, ideologisch gesteuerte Illusion sein.

Sartre definiert aber die Freiheit u.a. als die Fähigkeit (den Willen), aus seinem Milieu herauskommen zu können.

Deshalb muss er für die Freiheit einstehen !

Er löst das Dilemma durch die berühmt gewordene Formulierung, dass "nous sommes condamnés à être libres" (wir sind zur Freiheit verurteilt).

Frage: Kann ich wirklich frei sein, wenn ich dazu verurteilt bin, frei zu sein? Wenn ich also keine andere Wahl habe, als frei zu sein?

Das Problemchen hat Sartre nie gelöst, denn mit seiner Formel drückt er eigentlich mit anderen Worten die Grundeinstellung der christlichen Religion aus, die er angeblich ablehnt (Gott hat den Menschen geschaffen um ihm den Willen zur freien Entscheidung [libre arbitre] "gegeben"). Gegen diese Entscheidung Gottes kann er natürlich nichts. Er ist dazu "verurteilt"...

Sartres ist ein Philosoph des Bewusstseins geblieben. Dass wir nie auf den eigentlichen Grund unserer Taten kommen, hat er immer wieder abgelehnt. Daher auch seine Ablehung der Psychoanalyse.

Sartres Freiheitsbegriff ist humanistisch-religiös angelegt, dafür aber philosophisch verbrämt.

Er ist in diesem Sinne der beste Vertreter der "mauvaise foi" (Verlogenheit), die er selbst als "mentir avec sincérité" (wahrhaftiges Lügen) definiert.

Sartre ist Materialist. Einen Freiheitsbegriff wie bei Kant oder dem Idealismus, der sich aus der Sphäre des Geistigen speist, kann man bei ihm nicht erwarten. Er vertritt eher einen Freiheitsbegriff wie er bei Epikur zu finden ist: Die Welt ist nicht deterministisch in sich abgeschlossen sondern in die Zukunft hin offen. In die Zukunft hin haben wir immer Handlungsalternativen, offene Denkmodelle, ja, selbst wenn wir sie nicht haben möchten, wir können uns dem Zwang zur Entscheidung nicht entziehen. Selbst wenn wir eine Entscheidung verweigern, entscheiden wir. Aus dieser Einstellung heraus in eine offene Zukunft sieht Sartre unsere Persönlichkeit nicht ausschließlich in der Vergangenheit und Erbanlagen endgültig festgelegt, sondern wie Nietzsche ist er der Meinung, dass wir in die Zukunft hinein unsere Persönlichkeit entweder selbst gestalten oder doch zumindest als Entscheidungsverweigerung von anderen (Religion, Clique, Mainstream, Werbung) entscheiden lassen. Für Sartre ist die Möglichkeit, sich in die Zukunft hinein selbst zu gestalten (natürlich im Rahmen der Naturgesetze und gesellschaftlicher Strukturen), das speziell Menschliche und Grund der Würde des Menschen. Ihn durch Zwang dieser Freiheit zu berauben, bedeutet, dem Menschen sein Menschsein einzuengen, ihn seiner Würde zu berauben.

Vernunft ist für Sartre so definiert wie sie der Sophismus, der Epikureismus und der Utilitarismus kennen. Vernunft ist das Vermögen des Individuums, auf Basis des kulturellen Status (bekanntes Wissen und Meinungs- wie Werteangebote) unter Abwägung jeweiliger Problemlagen Entscheidungen zu treffen, die bei Gesellschaftskonformität das Individuum nicht schlechter stellen. Handeln setzt Entscheidungen voraus, sei es, um ein gewünschtes Ziel zu erreichen oder Probleme positiv aufzulösen. Auch Nicht-Handeln ist gemessen an der Unausweichlichkeit von Handeln nur eine Variante des Handelns.

Freiheit ist Wahlfreiheit auf eine offene Zukunft hin bei relativer Ungewissheit. Mit seinem Satz „Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein. Verurteilt, weil er sich nicht selbst erschaffen hat, und dennoch frei, weil er, einmal in die Welt geworfen, für all das verantwortlich ist, was er tut.“ verknüpft Sartre die Unausweichlichkeit des Handelns mit der Unausweichlichkeit der Entscheidung. Freiheit hat jetzt nicht mehr ein gewisses „Allmachtspotential“ des Idealismus, eine außerhalb der realen Welt ungebunden stehende Kraft, sondern Freiheit ist eingebunden. Der Mensch als Teil einer aktiven Umwelt, die ihn vor immer neue Handlungsnotwendigkeiten setzt, hat die Freiheit, nach rechts oder links zu gehen, aber er muss gehen, und nicht gehen ist auch gehen. Die Vernunft ist ihm dabei die „Wünschelrute“ der Entscheidungsfindung. Hierhin passt der Satz: „Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht.“ Und doch wäre dieser Satz völlig falsch interpretiert, wenn man ihn nicht im Wechselspiel sieht mit „dem Anderen“ und dessen ständigen Herausforderungen an ihn. Dabei kann sich die Sorge, immer die „richtige Entscheidung“ zu treffen, auch Angst einstellen. Angst ist die existentielle Grundstimmung der Unsicherheit, die offene Zukunft mit einem Wissen und Orientieren aus den Erfahrungen der Vergangenheit positiv bewältigen zu können.

Es lohnt sich, Sartres Schriftlein "Ist der Existentialismus ein Humanismus" zu lesen, wenn Du Dir dazu Zugang verschaffen kannst. Es ist kurz und leicht zu lesen. Ein paar Zitate:

Wenn Gott nicht existiert ist alles erlaubt. Der Mensch ist frei. Er ist zur Freiheit verurteilt. Er ist voll und ganz verantwortlich. Wenn die Existenz des Menschen seiner Essens vorausgeht, gibt es nichts, worauf er sich berufen könnte. Das macht dem Menschen Angst. Das ist die Angst Abrahams. Er hört eine Stimme, die ihm befiehlt, seinen Sohn zu opfern. Aber er selbst muss entscheiden, ob es die Stimme Gottes oder die des Teufels ist. 

Soweit wie ich bisher verstanden habe, ist die Freiheit bei Sartre sehr abstrakt, und ist ein rein philosophischer Begriff.
Man hat die Freiheit, sich zu entscheiden, aber wenn man die Entscheidung trifft, kann man die Entscheidung von Anderen nicht vermeiden. Deswegen sind die Anderen die Hölle.
Wenn man eine Entscheidung trifft, muss man die Folge auch akzeptieren. D.h. Man "darf" anderen umbringen aus der Freiheit, aber dann muss man die mögliche Folgen(Bestrafung oder Rächer )übernehmen.
Dann gibt die Freiheit i.e.S. nicht?